Wolfgang-Hahn-Preis an Huang Yong Ping

Der Philosoph unter den Künstlern

Von Michael Köhler · 12.04.2016
Der in Paris lebende Künstler Huang Yong Ping wird mit dem Wolfgang-Hahn-Preis der Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig ausgezeichnet. Seine Skulpturen sind von der Avantgarde inspiriert. In Deutschland ist er noch zu entdecken.
"Acht Pferde von Leonardo da Vinci zerreißen einen Flugzeugträger". So heißt die Installation von Huang Yong Ping im zweiten Obergeschoss des Kölner Museum Ludwig. Acht schematische Pferdeköpfe aus Eisenhaken und Ringelementen halten an Drahtseilen einen Spielzeug-Flugzeugträger in der Luft und zerren an ihm in alle Richtungen. Das erinnert einerseits an Foltermethoden im französischen Ancien Régime, andererseits an chinesische Lingchi-Strafjustiz. Mit Macht und Unterwerfung, Strafen und Überwachen, Blockbildung und Vorherrschaft der Weltmächte hat es auch zu tun. Der 1954 im südostchinesischen Xiamen geborene Huang Yong Ping lebt seit 1989 in einem Vorort von Paris. Er gibt gerne zu, dass die westliche Philosophie ihn beeinflusste. Yilmaz Dziewior, Direktor des Museum Ludwig, stimmt zu:
"Wenn man sagt, dass Huang Yong Ping der Philosoph unter den Künstlern ist, dann ist das insofern korrekt, weil er sich viel mit Philosophie beschäftigt hat, gerade auch mit französischen Philosophen, mit den Strukturalisten auseinandergesetzt hat. Was mir aber so gut gefällt, dass er da nicht stehenbleibt, sondern dass er es schafft, philosophische, politische, gesellschaftliche Fragestellungen in Bilder zu übersetzen, die gleichzeitig auch sinnlich verführen."
Aufbruch mit der Künstlergruppe Xiamen Dada
Für Dziewior war es an der Zeit, keinen europäischen oder nordamerikanischen Künstler auszuzeichnen, sondern Huang Yong Ping. Der lebt schon seit über einem Vierteljahrhundert in Paris. In China hat er ab 1977 Ölmalerei studiert. Rasch schmiss er das Tafelbild hin und stieß zur Avantgarde. Er kam auch mit Namen wie John Cage und Joseph Beuys, Marcel Duchamp oder Robert Rauschenberg in Berührung. Popart, Fluxus und Aktionskunst sind ihm nicht fremd. Im Gegenteil. Huang Yong Pings Kunst ist engagiert, ohne plakativ zu sein. Parolen oder politische Statements sucht man vergeblich. Sein Aufbruch mündete 1983 in die Gründung der Künstlergruppe Xiamen Dada. Auf einem Scheiterhaufen vor dem Kulturpalast von Xiamen verbrannte die Künstlergruppe 1986 ihre Arbeiten. Das fiel noch in die chinesische "Tauwetterperiode".
Huang Yong Ping: "Ich finde, die Identifikation zu welcher Kultur ich gehöre, relativ unwichtig. Als Künstler reise ich sehr viel und bekomme Anregungen und Inspirationen aus verschiedenen Kulturen. Darum betrachte ich mich eher als Weltbürger."
Tiere spielen eine große Rolle
Ein bisschen müssen chinesische Künstler im westlichen Kunstbetrieb immer als eine Art Räucherstäbchen für sinnbedürftige Museumsgänger herhalten. Wenn Huang Yong Ping das stählerne Skelett eines riesigen imaginären Tiers im Foyer australischer Museen ausstellt, denken alle gleich an Schlangen oder Drachen, was im Westen mit Gefahr, im Osten mit Glück assoziiert wird. Tiere spielen in seinem jüngeren Werk eine große Rolle. Allen Arbeiten ist ein theatralischer, performativer Zug eigen. Manchmal ist es geradezu barockes Welttheater.
Häufig geht es um den Kampf der Mächte, Gewalten und Kulturen. So auch in dem Werk, dass das Museum Ludwig im Rahmen der Verleihung des Wolfgang-Hahn-Preises 2016 angekauft hat . Es heißt "Memorandum" und handelt vom historischen Zusammenprall eines amerikanischen Spionageflugzeugs und eines chinesischen Militärflugzeugs 2001. In China konnte Huang Yong Ping die Arbeit über den buchstäblichen Zusammenprall der Kulturen nicht zeigen:
"Meine Arbeit 'Memorandum', die das Museum Ludwig jetzt angekauft hat, hat zwei Seiten. Eine Seite ist Kritik an chinesischer Politik. Die andere Seite ist Kritik am Kapitalismus zum Beispiel von den USA. In China gab es eine Tendenz, dass man sehr gegen den Kapitalismus war. Das führt sehr leicht in eine andere Richtung, hin zum chinesischen Nationalismus. Das möchte ich auch bekämpfen. Deswegen ist diese Arbeit entstanden."
Nach dem Massaker auf dem Tiananmen-Platz 1989, der blutigen Niederschlagung der studentischen Rebellion durch das Militär, blieb Huang in Paris. Im europäischen Ausland und Übersee ist Huang Yong Ping längst bekannt. Frankreich hat er auf der Biennale von Venedig 1999 vertreten. In Deutschland ist er noch zu entdecken.
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