Wolf und Schaf wurden keine Freunde

Von Maria Riederer · 13.04.2013
Neben Klagemauer, Felsendom und Holocaustgedenkstätte Yad Vashem gibt es in Jerusalem einen Ort, der den meisten Touristen unbekannt ist: den Biblischen Zoo. Eine Insel des harmonischen Miteinanders.
"Ich mache die Wüste zum Teich und das ausgetrocknete Land zur Oase. In der Wüste pflanze ich Zedern, Akazien, Ölbäume und Myrten. In der Steppe setze ich Zypressen, Platanen und auch Eschen." Jesaja 4

So steht es auf einem Schild am Wegrand – die ersten Zitate, die den Besucher auf den Spuren der Bibel durch den Zoo führen - entlang an Tieren und Pflanzen. So wollte es der Gründer, Professor Aharon Schulov. Im Jahr 1928 war er Student für Zoologie an der Hebräischen Universität von Jerusalem. Sigalit Herz, Mitarbeiterin im Zoo, erzählt von den kleinen Anfängen des biblischen Zoos.

Herz: "Die Professoren der Hebrew University suchten damals Möglichkeiten, die Einwohner Jerusalems näher an die Akademie heranzuführen. Und sie dachten, es wäre doch eine gute Initiative, irgendwo einen Platz mit Tieren zu installieren, sowas wie einen kleinen Streichelzoo, damit die Kinder kommen und etwas über diese Tiere lernen könnten. Die Erwachsenen würden sich anschließen und so entstünde eine Art der Kommunikation zwischen den Bewohnern und der Universität."

Aber Schulov wünschte sich nicht nur eine Annäherung zwischen der Hochschule und der Bevölkerung.

Herz: "Professor Schulov wollte die Leute durch die biblischen Geschichten näher heranbringen an die Belange von Natur und Umwelt. Deshalb hat er Zitate aus dem Alten Testament oder der Thora genommen und sie am Gehege des jeweiligen Tieres angebracht. Und es gab eine ziemlich lustige Geschichte über den Professor, der versucht hat, den Wolf und das Schaf zusammenzustecken - weil es ja so geschrieben steht…"

"Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Knabe kann sie hüten." Jesaja 11

Herz: "Naja, die Schafe mussten ziemlich oft erneuert werden, aber sonst hat es gut funktioniert."

"Kuh und Bärin freunden sich an, ihre Jungen liegen beieinander." Jesaja 11

In dem Gehege, an dem man diese Worte auf Hebräisch, Arabisch und Englisch lesen kann, plantschen allerdings nur drei Bären herum. Die Rinder weiden woanders. Aharon Schulov experimentierte nicht mehr mit den zoologischen Verheißungen des Propheten Jesaia. Deshalb liegt auch der asiatische Löwe – das Tier, das in den Geschichten und Weissagungen des Alten Testamens am häufigsten erwähnt wird - allein in seinem Gehege. Wild lebende Löwen sind im Nahen Osten schon lange ausgerottet.

"Der Löwe brüllt – wer fürchtet sich nicht? Gott der Herr spricht – wer wird da nicht zum Propheten?" Amos 3

Schulov wollte den Menschen, die aus aller Welt nach Israel eingewandert waren, die Flora und Fauna der Bibel nahezubringen – auch, um ihren Blick für die Gefährdung der Tiere zu allen Zeiten zu schärfen.

Herz: "Unter dieser Brücke ist das große Gehege für gefährdete Weidetiere aus der Bibel – zum Beispiel Steinböcke, Gazellen und Damwild. Sie alle kommen in der Bibel vor, sie alle teilen einen Lebensraum."

Doch dieser Lebensraum ist außerhalb des Tierparks rar geworden. Zu dicht ist das Land besiedelt, zu viele Wälder wurden gerodet und zu viel Wasser umgeleitet. Das mesopotamische Damwild musste aus dem Ausland wieder nach Israel eingeführt werden.

Herz: "Man hat überall nach Exemplaren des persischen Dama Mesopotamica gesucht, aber man konnte keines finden - also dachte man, es muss wohl ausgestorben sein. Aber dann fand ein deutscher Baron – von Opel – im Iran doch noch wild lebende Exemplare! Damals hatten wir noch gute Beziehungen zum Iran. Deshalb erzählt man sich heute - es ist wahrscheinlich eine Legende - dass im Jahr 1978 die letzte israelische El Al-Maschine, die den Iran verlassen hat, vier mesopotamische Damhirsche an Bord hatte: einen männlichen und drei weibliche."

Aus vier Damhirschen gingen im Lauf der Jahre mehrere große Herden hervor, die an verschiedenen Stellen des Landes ausgewildert wurden. Im Zoo grasen zurzeit 80 Tiere. Sie müssen sich im kargen Wüstenland nicht um Wasser sorgen.

"Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir." Psalm 42

Bei seinen Bemühungen um den Erhalt der Arten beschränkt sich der Zoo von Jerusalem allerdings nicht auf Arten, die in der Bibel vorkommen. Die Negev-Schildkröte gehört ebenso dazu wie Karpfen von den Rändern des Toten Meeres oder blinde Krabben aus Galiläa. So ist die riesengroße hölzerne Arche, die auf dem höchsten Punkt des Parks steht, ein Symbol für die Rettung der Tiere vor der menschengemachten Sintflut. Am Eingang der Arche, die als Besucherzentrum dient, stehen die üblichen Anweisungen:

Herz:"Dass man hier nicht essen und rauchen soll und so weiter - aber da steht auch, dass man nicht verpflichtet ist, paarweise einzutreten - es ist o. k., wenn Sie die Arche alleine betreten."

Sigalit Herz betrachtet den Zoo von Jerusalem als eine Oase des Friedens. Zwischen Mensch und Tier, aber auch zwischen den Menschen in dem von Krisen gebeutelten Land.

"Ich finde, das schönste an diesem Zoo ist die Tatsache, dass wir hier eine Brücke zwischen den verschiedenen Gemeinschaften bilden. Wenn Sie durch den Zoo gehen, sehen Sie, dass hier Juden und Araber sich mischen, religiöse oder nicht religiöse Leute und alle, die dazwischen sind."
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