Wohnungen als Finanzprodukte

Nachhaltig investieren statt kurzfristig spekulieren

09:03 Minuten
Blick auf die Genossenschaftshäuser im Gegenlicht.
Spekulation mit Wohnraum verbietet sich, findet Lisa Paus. Die Genossenschaft Möckernkiez eG in Berlin-Kreuzberg ist zum Beispiel ein positives Gegenbeispiel. © Kitty Kleist-Heinrich/ Tagesspiegel
Lisa Paus im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 05.04.2019
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Mit Immobilien lässt sich derzeit jede Menge Geld verdienen. Die Grünen-Politikerin Lisa Paus erklärt, warum - und was man dagegen tun kann.
Stephan Karkowsky: Anders bauen, der globale Blick, enteignen als letzte Möglichkeit und die ungeliebte Modernisierungsumlage, das alles hat uns bereits beschäftigt. Heute nun wollen wir über Wohnungen als Finanzprodukte sprechen mit der Berliner Grünen-Politikerin Lisa Paus. Frau Paus, Wohnungen als Geldanlage, ist das für Sie eine gute Idee?
Lisa Paus: Es ist relativ krisenfest, und aktuell ist es so, dass Sie damit eine höhere Rendite bekommen als mit der anderen sicheren Anlage, zum Beispiel deutsche Staatsanleihen. Und es ist auch sicherer und mit weniger Risiko als Aktien derzeit, zumal wenn eine Rezession ins Haus steht.
Karkowsky: Dann machen Firmen wie die Deutsche Wohnen alles richtig?
Paus: Was ihre Aktionäre angeht, ganz offensichtlich. Sie waren ja auch sehr stolz, jetzt ein sehr gutes Ergebnis vorweisen zu können, aber auch in meiner Sprechstunde finden sich immer mehr Mieterinnen und Mieter, die mir Geschichten erzählen über ganz unmögliche Praktiken der Deutschen Wohnen.

Immobilien-Konzerne werden an ihrer Rendite gemessen

Karkowsky: Und was ist das zum Beispiel?
Paus: Deutsche Wohnen muss aus ihrer Sicht die Rendite bringen. Sie weiß, dass sie das mit normalen Mieterhöhungen nicht schafft. Wenn man eine Rendite von 5, 10 oder 15 Prozent erreichen will, dann reichen Mieterhöhungen von 3 Prozent definitiv nicht aus.
Also müssen andere Hebel in Bewegung gesetzt werden, zum Beispiel die Modernisierungs- und Instandsetzungsumlage. Das heißt, man macht über Jahre nichts im Bestand, weil das kann man nicht entsprechend umlegen auf die Mieterinnen und Mieter, und dann kommt die große Modernisierung oder Renovierung, Sanierung, und das kann man dann zu bisher 11 Prozent, zukünftig 8 und 9 Prozent, umlegen auf die Mieterinnen und Mieter.
Karkowsky: Wir hatten Michael Prütz zu Gast, der ist der Berliner Initiator des Volksbegehrens "Enteignet Deutsche Wohnen und Co.", und den habe ich gefragt, ob er niemals eine Wohnung kaufen würde, um damit Gewinn zu machen, und das ist seine Antwort: "Ich finde das moralisch verwerflich. Ich glaube, es ist wichtig, dass man versteht, dass Wohnen ein Grundrecht ist und dass die Spekulation mit Wohnungen eine Angelegenheit ist, die sehr viele Menschen ins Unglück stürzt." Würden Sie das denn für sich genauso sehen, Frau Paus, dass sich ein Gewinnstreben bei Vermietung und Verkauf von Wohnungen moralisch verbietet?
Mieterprotest Karl-Marx-Allee Mieter der Karl-Marx-Allee protestieren vor der SPD-Zentrale. An die hundert Demonstranten protestieren gegen den Verkauf von rund 700 Eigentumswohnungen in den denkmalgeschützten Stalinbauten an den umstrittenen Investor Deutsche Wohnen. Die Demonstranten fordern eine Rekommunalisierung der Wohnungen, und kritisieren dass die SPD durch den Plan von Finanzsenator Kollatz zum Kauf der Wohnungen durch die Mieter die einzelnen Wohnungen zu Spekulationsobjekten macht. Berlin Berlin Deutschland *** Tenants protest Karl Marx Allee Tenants of Karl Marx Allee protest in front of the SPD headquarters The hundred demonstrators protest against the sale of around 700 condominiums in the listed Stalin buildings to the controversial investor Deutsche Wohnen The demonstrators demand a remunicipalisation of the apartmen
Mieterprotest gegen Deutsche Wohnen© imago stock&people
Paus: Was sich verbietet, ist tatsächlich Spekulation mit Wohnraum. Auch wir finden, Boden sollte eigentlich etwas sein, mit dem man nicht spekuliert. Hier geht es nicht um irgendein Anlageprodukt, ob ich irgendwie Gold kaufe oder etwas anderes, sondern es geht hier konkret um die vier Wände von Menschen. Es geht um deren Zuhause, um deren Heimat, es geht um deren soziales Gefüge, was aktuell massiv bedroht ist in den Großstädten in Deutschland.
Karkowsky: Aber würde die Politik eine Möglichkeit finden, den Leuten, die mit Wohnungen Geld verdienen, genau das zu verbieten, wer würde dann noch investieren, renovieren, modernisieren, wenn man das nicht mehr dürfte?
Paus: Wir Grünen haben zum Beispiel einen Vorschlag, die Wohngemeinnützigkeit wiedereinzuführen. Mit unserem Vorschlag wollen wir dem freien Kapitalmarkt dann auch Wohnungen entziehen, wir wollen mehr gemeinwohlorientiertes Wohnen ermöglichen, aber auch in unserem Vorschlag ist vorgesehen, dass es eine Rendite geben sollte von 3 bis 3,5 Prozent, das heißt nicht renditefrei. Aber wir reden ja über Exzesse von 10, 15 bis zu 25 Prozent. Warren Buffett ist in Deutschland inzwischen aktiv, von ihm ist bekannt, dass er eigentlich erst in den Markt einsteigt, wenn er davon ausgeht, 20, 25 Prozent sind drin.

Schäbiges Verhalten ist immer ein Aufreger

Karkowsky: Die Grundidee aktiennotierter Konzerne ist ja im Grunde genommen immer die gleiche: Steigere deine Gewinne, mach die Aktionäre glücklich. In den letzten Jahren haben nun mal besonders diejenigen profitiert, die in Wohnungen investiert haben – das kann natürlich auch ganz schnell wieder anders werden.
Es gibt ja schon die Ersten, die eine Bereinigung des Marktes voraussagen, wie das euphemistisch heißt, sprich sinkende Preise. Glauben Sie, die Aufregung über Firmen wie die Deutsche Wohnen wäre genauso groß, wenn sie gerade Verluste verzeichnen und vielleicht deshalb ihre Investitionen vernachlässigen müsste?
Paus: Wenn man sich schäbig gegenüber Mieterinnen und Mietern verhält, dann ist das zu Recht immer ein Aufreger, aber tatsächlich haben wir es momentan ja mit dem Phänomen zu tun, dass definitiv zu viel Kapital in den Immobiliensektor fließt.
Ich habe eben schon darauf hingewiesen, der Grund ist schon, dass in Europa Immobilien derzeit eine sehr interessante und lukrative Anlage sind. Das hat nichts mit dem Ort oder sonst wie zu tun, da geht’s nicht darum, will jemand Wohnraum schaffen oder nicht, sondern einzig und allein: Ich habe Geld, ich habe Kapital, worin investiere ich das? Aktien sind zu unsicher, Staatsanleihen mit zu wenig Rendite, Immobilien sollen es sein.
Früher war es mal völlig klar, dass man in eine Immobilie nur dann reingeht, wenn man das eingesetzte Kapital innerhalb von 15 Jahren amortisieren kann, heute gilt für den normalen Kleinanleger, dass er 30 Jahre warten müsste, bis sich das amortisiert. Da sieht man sozusagen, wie viel Renditeanlagedruck auf dem Immobiliensektor ist. Das hat nichts mehr mit Wohnen und Bauungleichheiten zu tun, sondern das ist eine rein anlagegetriebene Angelegenheit.
Karkowsky: Nun hat ja auch der Kleinanleger häufig investiert in solche Immobilienfonds, wie sie zum Beispiel mit Deutsche Wohnen finanziert werden. BlackRock ist sicherlich der ganz große obendrüber, der Anteile hält an diesen Aktienfirmen, aber auch Kleinanleger sind dabei, Pensionsfonds, Leute, die ihre Rente aufbessern wollen, die ihr Erspartes anlegen in solchen Fonds. Was ist denn mit dem Kleinsparer, der sich beteiligt an diesen Gewinnen? Das sind doch nicht per se alles schlechte Menschen, oder?
Ein weißer Luxusbau am Wasser, umgeben von vielen Bäumen.
Schöner Wohnen auf der Berliner Halbinsel Stralau: Auch mit solchen Luxus-Projekten lässt sich gutes Geld verdienen.© imago/Joko
Paus: Nein, die stecken tatsächlich in einem Dilemma, weil sie als Kleinsparer, Kleinanleger gar keine anderen alternativen Anlageprodukte angeboten bekommen. Wir erleben, dass sehr viele Menschen eigentlich auch ethisch, sozialökologisch orientiert anlegen wollen, aber vor dem Problem stehen, dass sie diese Angebote vom Markt nicht bekommen. Auch deswegen wollen wir es breiteren Schichten ermöglichen, dass sie in gemeinnützige Projekte investieren können.

Verfehlte Wohnungsbaupolitik in Berlin

Karkowsky: Ich hab noch mal nachgeschaut, Sie lassen sich seit 20 Jahren bereits in Parlamente wählen, ich glaube, '99 war das erste Berliner Abgeordnetenhaus, Frau Paus, heute sitzen Sie für die Grünen im Bundestag. Nun sind die Grünen ja aktuell an, glaube ich, acht Länderregierungen beteiligt, auch in Berlin. Wie ist das, fühlen Sie sich eigentlich mitverantwortlich dafür, dass die Städte den Bewohnern zurzeit nicht mehr ausreichend bezahlbaren Wohnraum garantieren können?
Paus: Definitiv hat es in den letzten 20 Jahren von staatlicher Seite Defizite gegeben, zum Beispiel ist Geld, was eigentlich vorgesehen war für den sozialen Wohnungsbau, nicht in den sozialen Wohnungsbau geflossen – das war in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich.
Ich selber komme aus Berlin, da kann ich für die Grünen sagen, dass wir ja erst sozusagen seit zwei Jahren in der Regierung sind. In Berlin haben wir die besondere Situation, dass über 15 Jahre überhaupt nicht mehr in den Wohnungsbau investiert worden ist, in Berlin und in anderen Städten im Übrigen auch sind eben massiv auch Wohnungen verkauft worden.
Das rächt sich jetzt, das war ein Fehler. Auch das ist ein Grund für dieses Volksbegehren, was jetzt in Berlin gerade anfängt, Stimmen zu sammeln. Also sie haben ein Misstrauen nicht nur gegenüber dem Markt und der Spekulation, sondern auch gegenüber dem Staat, der Politik, und deswegen wollen sie ja auch nicht einfach eine Verstaatlichung, sondern sprechen sich für eine Struktur dazwischen aus, wollen, dass die Mieterinnen und Mieter beteiligt sind, dass die Stadtgesellschaft beteiligt ist, aber bitte nicht Politik und bitte auch nicht Markt.
Karkowsky: Es ist natürlich für Politiker immer leichter zu sagen, was zu tun ist, als warum man bis jetzt nichts getan hat. Dann mache ich es Ihnen doch mal leicht so am Ende dieses Gesprächs: Was muss denn jetzt geschehen? Also Enteignung ist doch sicherlich nur der Stock, den man den Konzernen zeigt, bevor man die Möhre rausholt, oder glauben Sie an dieses Mittel?
Lisa Paus sitzt auf einer Bühne und schaut freundlich ins nicht sichtbare Publikum.
Die Grünen-Politikerin Lisa Paus© Imago / Gerhard Leber
Paus: Viel sinnvoller wäre es, wenn wir in Deutschland breit das Mietrecht wieder stärken würden, das ist in den letzten Jahren geschliffen worden. Viel wichtiger wäre es, wenn wir den sozialen Wohnungsbau adäquat ausstatten würden, aber darüber hinaus eben auch mehr in gemeinwohlorientierten und gemeinnützigen Wohnungsbau investieren würden.
Und dann geht es darum, auch weitere Regelungen, die wir haben, die sehr attraktiv sind für Spekulanten derzeit im Immobilienbereich, zurückzudrehen. Da geht es zum Beispiel um steuerliche Anreize: Es ist immer noch so, dass Otto Normal Grunderwerbssteuer zahlen muss, wenn er eine Immobilie erwirbt, dass aber die normalen Fonds das nicht tun müssen, weil es da eine Steuergestaltungsregelung gibt. Wenn ich eben nicht die Immobilie, sondern eine Gesellschaft kaufe, die eine Immobilie hat, dann muss ich zum Beispiel keine Grunderwerbssteuer zahlen.
Für die institutionellen Anlagen, Pensionsfonds, ist auch sehr interessant, dass Deutschland das einzige Land ist europaweit, wo nach zehn Jahren keine Steuern anfallen auf Veräußerungsgewinne. Das macht das sehr attraktiv, gerade in Immobilien in Deutschland zu investieren. Da gibt es noch eine Reihe von weiteren Anreizen, die das Kapital in den Immobilienmarkt nach Deutschland lenken, die wir abschaffen wollen, ändern wollen.

Spekulation eindämmen, Wohnraum sichern

Karkowsky: Und dass die Kommunen tatsächlich bessere Vermieter sind als börsennotierte Aktienkonzerne, ist das nur eine Hoffnung von Ihnen, oder glauben Sie, das können Sie belegen?
Paus: Das ist die alte Frage, ist der Staat per se ein schlechter Unternehmer oder ein guter Unternehmer. Es gibt Beispiele für beides, deswegen sprechen wir uns auch für eine Akteursvielfalt aus, aber was es eben dringend braucht, ist ein Eindämmen der Spekulation. Wir brauchen Akteure, die an nachhaltiger Investition und Finanzierung und Sicherung von Wohnraum Interesse haben, und nicht kurzfristig orientierte Spekulanten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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