Wohnen in Mecklenburg-Vorpommern

Selbst Plattenbausiedlungen begehrt

Die Plattenbau-Stadtbezirke im Norden von Rostock, Groß Klein (vorn), Schmarl (Mitte) sowie Evershagen und Lichtenhagen (hinten), aufgenommen 2012
Die Plattenbau-Stadtbezirke im Norden von Rostock, Groß Klein (vorn), Schmarl (Mitte) sowie Evershagen und Lichtenhagen (hinten), aufgenommen 2012 © picture alliance / ZB
Von Silke Hasselmann · 01.06.2017
In Mecklenburg-Vorpommern leben rund 1,6 Millionen Menschen. Im Vergleich zu vielen anderen Regionen in Deutschland lässt es sich im Nordosten der Republik preiswert wohnen – noch. In Rostock wird der Mietmarkt schon eng.
Zu Gast in der Uni Rostock; Seminarpause bei den Sprachwissenschaftlern. Auch Annika hat gut Lachen. Doch wer weiß, wie lange noch?
"Weil: Ich wohne seit vier, fünf Jahren in einer WG, und jetzt ist es aber so, dass wir die zum Sommer auflösen. Das heißt, ich muss mich dann auch wirklich auf Wohnungssuche begeben."
Und das in Mecklenburg-Vorpommerns größter Stadt, die nicht mehr – wie nach der Wende jahrelang – stetig an Einwohnern verliert, sondern wieder wächst. Hatten Demographen noch vor fünf Jahren vorgesagt, dass Rostocks Bevölkerungszahl in den nächsten 10 bis 15 Jahren deutlich unter 200.000 fallen wird, rechnet man nun mit 231.000 Rostockern – das wären 25.000 mehr als heute. Doch schon jetzt können sich private Vermieter wie auch die kommunalen Wohnungsgesellschaften ihre Mieter aussuchen und die Preise bestimmen.
"Naja, ich versuche, dem optimistisch entgegenzublicken. Und man hört einerseits immer: 'Es ist so schwierig, in Rostock eine Wohnung zu finden.' Andererseits kenne ich keinen, der gesagt hat: 'Ich hab' hier keine Wohnung gefunden.'"

Hohe Mieten in Rostock

Vielleicht ja eine Frage des Bekanntenkreises. Denn die Warteliste des kommunalen Wohnungsunternehmens WiRo weist derzeit 6500 Interessenten für 430 freie Wohnungen aus. Sogar in den ausgedehnten Plattenbausiedlungen stehen momentan nur 1,2 Prozent der Wohnungen leer. Und das, obwohl in Rostock im Durchschnitt betrachtet die teuersten Wohnungsmieten in Mecklenburg-Vorpommern fällig werden. Bei Häusern verlangen und bekommen Vermieter mit bis zu 10 Euro pro Quadratmeter in Rostock sogar mehr als im Bundesdurchschnitt.

Wismar hingegen weist im Vergleich zu den anderen küstennahen Hansestädten Rostock, Greifswald und Stralsund die moderatesten Mietpreise auf. Ein Grund, so Bürgermeister Thomas Beyer: Ein Viertel der insgesamt 24.000 Wohnungen befinden sich in kommunaler Hand.
"Man kann sich nie ganz irgendwelchen Marktmechanismen entziehen. Aber man kann ja mit einem eigenen Unternehmen auch Markt durchaus mitgestalten."
Die stabile Durchschnittsmiete von fünf Euro pro Quadratmeter könne sich sehen lassen, zumal Wismars DDR-Plattenbausiedlungen – allesamt innenstadtnah und saniert – interessant auch für junge Leute seien. Doch seit vier, fünf Jahren gebe es Bewegung auf Wismars Wohnungs- und Immobilienmarkt, so der Bürgermeister.
"Zuallererst haben wir das daran gespürt, dass die Nachfrage nach Grundstücken insbesondere für den Eigenheimbau sprunghaft angestiegen ist. Derzeit befinden sich gerade vier für unsere Verhältnisse große Wohngebiete, die sich alle bewegen zwischen 70 und 100 Grundstücken, in Erschließung."


Wismar liegt auf halbem Wege zwischen Rostock und der Landeshauptstadt Schwerin und ist mit rund 45.000 Einwohnern die sechstgrößte Stadt in Mecklenburg-Vorpommern. Gemeinsam mit der Hansestadt Stralsund Weltkulturerbe, wurde auch Wismar vom Schiffbau geprägt – und zuletzt von immer neuen Werftenkrisen. Doch seit ein malaysischer Konzern hier neuerdings riesige Luxuskreuzfahrtschiffe bauen lässt, werden wieder Fachkräfte gesucht. Auch Tourismus, Holzindustrie und die Hochschule mit ihren zahlreichen Ausgründungen ziehen jüngere Leute an – und halten sie in Wismar, sagt Bürgermeister Beyer. Schon gehe es nicht mehr nur um passenden Wohnraum:
"Wir sind jetzt dabei, vier neue Kindertagesstätten zu errichten. Allein vier in diesem Jahr! Quasi über Nacht haben wir feststellen müssen, wir brauchen eine neue Schule. Wir werden also 'ne neue Grundschule bauen. Eigentlich ein schönes Problem, denn es gab Zeiten, die noch gar nicht so lange her sind, da war ich selber in der Situation, dass ich eine Schule nach der anderen schließen musste."
Altstadt der Hansestadt Wismar
In der Hansestadt Wismar sind die Mietpreise noch am moderatesten.© imago/alimdi
Thomas Beyer
Thomas Beyer, Bürgermeister von Wismar© Deutschlandradio / Silke Hasselmann

Rendite mit hohen Mieten

Weist ein Ort eine gute Infrastruktur auf, steigert das auch den Wert von Wohn- und Gewerbeimmobilien, sagt Marcus Schnell. Er ist vor knapp 20 Jahren nach Mecklenburg-Vorpommern gekommen und weiß, dass hier die Grenze nicht so sehr zwischen Ballungszentren und ländlichem Raum verläuft, sondern zwischen Küstenregion und Hinterland. Ihm gehören mittlerweile einige Häuser in Wismar, aber auch im dünnbesiedelten Hinterland der beiden Landesteile. Seine Erfahrung: Die Zeit der Spekulationsgewinne ist vorbei, doch mit den Mieten lasse sich überall eine annehmbare Rendite erzielen.
"Also ich würde generell sagen: Wenn du nicht gerade ein ganz dolles Ding erwischst, wo Altlasten oder so passieren, kann man mit 'ner Immobilie nichts falsch machen."
Autorin: "Auch nicht in Mecklenburg-Vorpommern?"
"Auch nicht in Mecklenburg-Vorpommern, und auch nicht auf dem Land. Ich habe zum Beispiel in Kraak zwischen Ludwigslust und Schwerin mitten im Dorf, das zwei Kilometer entfernt von der Autobahn liegt, die man auch ein bisschen hört, ein Einfamilienhaus mit 120 Quadratmeter Wohnfläche hingestellt. Ich hatte vier Bewerber auf das Haus und habe das jetzt für 1000 Euro pro Monat vermietet."
Das ist auch in anderen weit vom Schuss gelegenen Städtchen und Dörfern möglich, vor allem dort, wo die Schweriner Landesregierung mit ihrem bundesweit beispiellosen Breitbandausbau tätig ist. Denn wenn es auch im dünnbesiedelten Hinterland eine schnelle Internetverbindung gibt, könnten mehr Menschen von dort aus arbeiten – auch für Arbeitgeber oder Kunden in boomenden, teuren Städten.
Und sonst? Wird Mecklenburg-Vorpommerns Einwohnerzahl wegen des beträchtlichen Geburtenknicks in den 90er- und 2000er-Jahren vorerst weiter schrumpfen. In einigen Städten und Dörfern werden immer mehr Häuser und Wohnungen leer stehen. Doch es gibt auch Gegentrends. So kehren derzeit viele der weggewanderten 40-, 50-Jährigen zurück in ihre nordostdeutsche Heimat. Auf der vorpommerschen Seite der deutsch-polnischen Grenze haben über 1000 verlassene Häuser und Grundstücke polnische Eigentümer und Bewohner gefunden. Zudem spreche sich herum, dass an dem Selbstvermarktungsspruch "MV tut gut" und "Land zum Leben" etwas dran sei, beobachtet Immobilieneigentümer Marcus Schnell:
"Ich könnte mir vorstellen, dass Mecklenburg-Vorpommern auf jeden Fall ein sehr begehrtes Rentnerparadies wird für Wessis. Und zwar ganz einfach aus dem Grund: Wenn ich mich zur Ruhe setzen will und muss im Westen für ein einigermaßen Gehöft mit 'nem bisschen Garten eine Million Euro bezahlen, und hier kriege ich 'n Ding für zweihundert-, dreihunderttausend Euro."
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