Wohnen in Hochhäusern

Das Soziale mit dem Ökologischen verbinden

08:05 Minuten
Das Foto zeigt ein Hochhaus der Grindel-Hochhaussiedlung im Hamburger Bezirk Eimsbüttel.
Oben wohnen, unten Angebote für das Quartier: Im Erdgeschoss der Grindelhochhäuser in Hamburg-Eimsbüttel befindet sich das Bezirksamt. © Imago / Jürgen Ritter
Christa Reicher im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 12.07.2021
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Vor 75 Jahren wurde in Hamburg Deutschlands erste Wohnhochhaussiedlung gebaut. Das Image solcher Viertel ist bis heute miserabel. Zu Unrecht, sagt die Stadtplanerin Christa Reicher. Denn sie könnten helfen, soziale wie ökologische Probleme zu lösen.
Deutsche Großstädte sind, verglichen mit der Skyline von Städten wie New York oder Schanghai, ziemlich flach. Tatsächlich gelten in Deutschland Gebäude bereits ab 23 Metern als Hochhäuser – geradezu niedlich klein, wenn man die sich hundert Meter und mehr in die Höhe reichenden Wohnhäuser in Asien oder in den USA betrachtet.

Staunen und Skepsis nach der Grundsteinlegung

Auch ist die Geschichte des Wohnens im Hochhaus in Deutschland noch sehr jung. Vor 75 Jahren wurde der Grundstein für die erste Hochhaussiedlung gelegt: Die Grindelhochhäuser in Hamburg waren damals eine Sensation, aber durchaus auch umstritten.
Anders als in anderen Ecken der Welt scheinen Hochhäuser in Deutschland bislang nicht ernsthaft in Betracht gekommen zu sein, um den Wohnungsmangel zu beheben. Der herrschte im zerbombten Nachkriegsdeutschland – und herrscht, wenn auch aus vollkommen anderen Gründen, auch heute wieder. Doch Wohnen im Hochhaus hat ein schlechtes Image.

Prekäre Verhältnisse, vernachlässigte Viertel

Es steht in der öffentlichen Wahrnehmung oft stellvertretend für prekäre Lebensverhältnisse, Verwahrlosung und schlechte Lebensqualität. Dazu beigetragen haben in der Vergangenheit Siedlungen wie Gropiusstadt und Märkisches Viertel in Berlin oder Mümmelmannsberg in Hamburg.
Blick auf die Hochhäuser der Berliner Gropiusstadt.
Berühmt-berüchtigt: die Hochhaussiedlung Gropiusstadt im Berliner Bezirk Neukölln.© imago images / Schöning
In den zurückliegenden Jahrzehnten sei in Deutschland einiges schiefgelaufen, findet die Architektin Christa Reicher. Viele Hochhäuser seien an Orten gebaut worden, wo sie nicht ins Stadtbild und in gewachsene Strukturen passten. Wohnhochhäuser seien jedoch viel besser als ihr Ruf. Auch treffe das Image der hässlichen und tristen Siedlung längst nicht mehr überall zu, es werde heute beispielsweise mehr Wert auf große Grünflächen gelegt.

Verdichtung und Freiraum zusammendenken

Reicher ist als Stadtplanerin und Professorin für Städtebau und Entwerfen an der RWTH Aachen Fachfrau auf diesem Gebiet. Gerade an Hochhäusern ließen sich Ressourceneffizienz, der Einsatz von nachhaltigen Baumaterialen wie Holz und großflächige Begrünung hervorragend umsetzen, sagt sie: "Man hat schon den Eindruck, das ist ein wichtiger Trend. Er zeigt, dass wir die soziale Frage ungemein gut mit der ökologischen Frage verbinden können."
In der öffentlichen Diskussion würden die Themen "Wohnraum und Verdichtung" und "Erhaltung von Freiraum" viel zu oft getrennt voneinander betrachtet, so Reicher. Dabei könne gerade "das Bauen in die Höhe an der richtigen Stelle diese beiden Kernfragen des Städtebaus zu einer überzeugenden Allianz und Symbiose verbinden."

Die Mischung macht's

Was heißt in diesem Zusammenhang "an der richtigen Stelle"? Als Grundbedingung brauche es sowohl eine gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel als auch genug Parkraum, erläutert Reicher. Zudem dürften Hochhäuser nicht wie Monolithen ins Stadtbild gesetzt werden, sondern sollten als Aufwertung für ein Viertel wahrgenommen werden.
Die Stadtplanerin plädiert deshalb auch für eine Mischnutzung der Erdgeschosse mit Geschäften und Gewerbe. Das wirke sich auch positiv auf das soziale Gefüge aus. Unter dieser Voraussetzung seien Hochhäuser tatsächlich eine gute Lösung, um Wohnungsnot zu lindern.
(mkn)
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