WM-Tagebuch (19)

Dusel-Deutschland im Viertelfinale

Der deutsche Nationalspieler Per Mertesacker im Zweikampf mit Algeriens Islam Slimani.
Für die deutschen Nationalspieler um Per Mertesacker war das Spiel gegen Algerien ein hartes Stück Arbeit. © picture alliance / dpa / Thomas Eisenhuth
Von Thomas Wheeler und Sonja Gerth · 01.07.2014
Es war ein Erfolg des Willens. In einem spannenden und kräftezehrenden Spiel hat die DFB-Elf die Nordafrikaner erst in der Verlängerung bezwungen. Frankreich ist nun am Freitag der Viertelfinalgegner.
Algerien war in der ersten Hälfte die klar bessere Mannschaft. Mit hohem Tempo und körperbetontem Spiel drängte der Außenseiter den Favoriten in die Defensive. Torhüter Manuel Neuer musste große Löcher in der Abwehr stopfen und verhinderte als Libero und mit großem Einsatz mehrfach den Rückstand.
Erst mit der Einwechslung von André Schürrle zu Beginn der zweiten Hälfte kam mehr Leben hinein. Die Nordafrikaner zogen sich nun weiter zurück, blieben aber trotzdem bei Angriffen gefährlich.
In den letzten zehn Minuten hätte Deutschland bei zahlreichen Großchancen eigentlich in Führung gehen müssen. Aber der algerische Schlussmann Rais M'Bohli parierte hervorragend und erzwang zusammen mit seinen leidenschaftlich kämpfenden Kollegen die Verlängerung.
Dort war die deutsche Mannschaft sofort da und erzielte durch Schürrle in der 92. Minute das erlösende 1:0. Algerien gab jedoch nicht auf und vergab durch Mehdi Mostefa zehn Minuten später eine gute Ausgleichsmöglichkeit. Als diese in der Schlussphase alles nach vorne warfen, nutzte Mesut Özil die nun zwangsläufig entstandenen Lücken und sorgte in der 119. Minute für die Entscheidung.
Aber die Algerier hielten dagegen und erzielten in der Nachspielzeit der Verlängerung noch den Ehrentreffer. Deutschland hatte den Gegner niedergerungen. So kann man Weltmeister werden. Aber davor steht im Viertelfinale am Freitag erst mal das vierte WM-Duell mit der Équipe Tricolore.
Algerische Fans in Algier feiern ihr Team während der Fußball-WM 2014.
Algerische Fans in Algier feiern ihr Team während der Fußball-WM 2014.© dpa / picture alliance / Str
Frankreisch, Frankreisch!
O là là. Der Franzos kann also nicht nur gegen seinen Trainer stänkern. So wie anno 2010. Nein, die Spieler leisten den Anweisungen ihres Chefs auch Folge, wenn sie ihn mögen. Didier Deschamps Entscheidung, Antoine Griezmann für seinen unbeweglichen Sturmkollegen Olivier Giroud zu bringen, war der Schlüssel zum Sieg gegen Nigeria. Mit Griezmann kam deutlich mehr Geschwindigkeit ins Spiel, und außerdem hatte Karim Benzema nun endlich einen Spielkameraden zum Kombinieren.
Nach zahlreichen vergebenen Gelegenheiten und Torhüter-Höhenflügen von Vincent Enyeama nutzten Les Bleus gleich den ersten Patzer des nigerianischen Schlussmanns eiskalt. Enyeama klärte bei einer Ecke nicht konsequent mit den Fäusten, sondern nur halbherzig mit einer Hand. Der Ball flog in Richtung Paul Pogba, und der köpfte in der 80. Minute zum 1:0 für die Grande Nation ein.
Ein Aufbäumen der Westafrikaner blieb erstaunlicherweise aus. Stattdessen ließen sie die Köpfe hängen und schenkten den Franzosen in der Nachspielzeit noch einen zweiten Treffer durch ein Eigentor. Grandios war dieser Auftritt nun wahrlich nicht, aber es reichte aufgrund des größeren Engagements in der zweiten Hälfte zum letztlich verdienten Viertelfinaleinzug.
Ottmar Hitzfeld will noch nicht in Rente
Er glaube nicht, dass die Partie gegen Argentinien seine Letzte werde, so der Schweizer Trainer. Vor dem Rückzug ins Privatleben will Hitzfeld mal eben noch schnell Fußball-Geschichte schreiben und mit der Nati, so nennen unsere Nachbarn ihre Nationalmannschaft liebevoll, zum zweiten Mal nach 1954 ein WM-Viertelfinale erreichen.
"Wir haben Träume, und wir selbst entscheiden, ob sie in Erfüllung gehen".
Pathetische Worte des 65-Jährigen vor dem Duell mit dem zweimaligen Weltmeister. Die Südamerikaner seien in der Defensive verwundbar. Das habe der Iran trotz der unglücklichen Last-Minute-Niederlage mehrfach gezeigt.
Die Argentinier haben Respekt und üben bereits seit Tagen Elfmeterschießen. Die Fans stellen sich auf einen längeren Aufenthalt am Spielort Sao Paulo ein. 120.000 sind angereist und haben sich für mehrere Tage eingemietet. In dem festen Glauben, hier auch am 9. Juli ein Halbfinale mit ihrer Mannschaft zu sehen.
USA im Soccer-Fieber
Fußball, ein Grund für den US-Amerikaner alles stehen und liegen zu lassen? Vor ein paar Jahren noch undenkbar, doch die Erfolge des Klinsmann-Teams haben eine nie erahnte Begeisterung für diesen Sport in den Staaten ausgelöst. Mehr als 20 Millionen Fans wollen das Achtelfinale gegen Belgien am Fernseher verfolgen. Patriotisch wie die Amis nun mal sind, glaubt Präsident Obama sogar schon an den WM-Titel.
Und der Gegner? Trainer Marc Wilmots gibt sich martialisch und spricht von der Vorbereitung auf einen Krieg. Liebe Fußballer, streicht doch bitte endlich mal die Militär-Rhetorik aus eurem Wortschatz!