Wissenschaft

Forscher vernetzen Gehirne von Affen

Ein Makake hinter einem Zaun
Allein, aber nicht im Geiste? Forschen ist es gelungen, Gehirne von Makaken-Affen zu verbinden. © dpa / picture alliance / Pelaez Julio
Von Thomas Reintjes · 23.07.2015
In den USA haben Forscher die Gehirne von Tieren miteinander vernetzt - und dabei überraschende Erkenntnisse gewonnen. Die Ergebnisse legen nahe, dass unser Gehirn mit dem anderer Menschen zusammenarbeiten kann.
Die Makaken-Affen im Labor von Miguel Nicolelis können etwas Besonderes. Sie steuern ein Gerät allein, indem sie an die Bewegung denken.
"Sie produzieren eine Bewegungs-Information. Sie bewegen ihren Körper nicht, sie stellen sich die Bewegung nur vor. Wir können ihre Hirnsignale nehmen und dazu nutzen, Geräte zu bewegen - das können Roboterbeine oder Roboterarme sein oder wie in diesem Experiment virtuelle Geräte."
Dazu haben die Affen an der Duke University in North Carolina Elektroden implantiert bekommen, die die Signale hunderter Neuronen im Gehirn erfassen und an einen Computer weiterleiten. Ein solches System heißt Brain-Machine-Interface, Gehirn-Maschine-Schnittstelle. Seit Jahren wird damit experimentiert.
"Während über die Jahre all diese Arbeiten gemacht wurden, wo ein Gehirn mit einem Gerät verbunden wurde, stand immer die Frage im Raum, ob auch mehrere Individuen ein Gerät steuern können."
Die Gehirne haben sich im Experiment synchronisiert
Miguel Nicolelis und sein Forscherteam setzten drei Affen in getrennte Räume. Auf einem Bildschirm sahen die Tiere einen virtuellen Arm, der in ein Ziel gesteuert werden musste. Jeder Affe konnte dabei nur zwei der drei Dimensionen kontrollieren. Der Bildschirm zeigte jedem Affen eine zweidimensionale Ansicht der beiden Dimensionen, die er mit seinen Gedanken steuern konnte. Um den Arm die richtige Richtung zu bewegen, mussten die drei Affen gemeinsam an diesem Ziel arbeiten. Obwohl sie nicht wussten, dass sie mit anderen zusammenarbeiten, gelang es ihnen. Die wirklich überraschende Erkenntnis für Miguel Nicolelis ist aber:
"Um dieses Problem zu lösen und die Bewegung zu koordinieren, um den Arm zusammen in drei Dimensionen zu steuern, haben sich die Gehirne der Tiere synchronisiert. Ihre Aktivität war synchron. Sie scheinen also als Teile eines Ganzen gearbeitet zu haben, als ein System."
Heißt: Die Neuronen in den drei Affengehirnen feuerten gleichzeitig. Synchron arbeitende Neuronen in einem Gehirn sind normal. Wann immer wir eine Aufgabe zu erledigen haben, etwa eine Bewegung ausführen, müssen bestimmte Neuronen in unserem Gehirn synchron arbeiten. Für die Forscher sahen die Neuronen, die sie in den drei Affengehirnen beobachteten, aus, als gehörten sie zu einem einzelnen Gehirn. Sie schienen eine Art Über-Gehirn zu bilden.
Ein zweites Experiment mit Ratten bestätigte die Ergebnisse und zeigte, dass die vernetzten Gehirne zusammen sogar einfache binäre Berechnungen durchführen konnten. Es gab auch einen Trainingseffekt: Wenn die Tiere für erhöhte Synchronität belohnt wurden, arbeiteten die Neuronen mit der Zeit öfter synchron.
Vier Gehirne sind leistungsfähiger als eines
"Wir sind da möglicherweise auf einen Mechanismus gestoßen, der erklärt warum Vögel gemeinsam fliegen oder Fische gemeinsam schwimmen und wie Menschenmengen sich verhalten. Vielleicht ist das der neurophysiologische Mechanismus hinter solchem Gruppenverhalten."
Vielleicht findet also genau so eine Gehirn-Synchronität statt, wenn Tiere Aufgaben im Team lösen oder Menschen zusammen im Stadion jubeln. Im Lab von Miguel Nicolelis wollen sie die Forschung aber vor allem in eine andere Richtung vorantreiben. Langfristig wollen sie Patienten mit neuronalen Schäden helfen, ihre Bewegungsfähigkeit wiederzuerlangen.
"Mit einem Brain-Machine-Interface für mehrere Gehirne könnten wir vollkommen neue Übungen für schwer gelähmte Patienten entwickeln. Reha-Therapeuten könnten Patienten trainieren, indem sie ihre Gehirnwellen miteinander verbinden. Anstatt Muskeln und Knochen zu trainieren, könnten wir direkt das Gehirn trainieren."
Außerdem könnte man mit vernetzten Gehirnen biologische Computer bauen, sagt Nicolelis. Die Ratten haben im Experiment schon bewiesen, dass ihre vier Gehirne zusammen leistungsfähiger sind als einzeln. Einen Namen haben die Forscher der Technik auch schon gegeben: Brainet. Wie genau sie sich die Anwendungen vorstellen, will Nicolelis aber noch nicht verraten. Es bleibt vorerst in seinem Gehirn verborgen.
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