Wirtschaftsweiser warnt vor Protektionismus

Moderation: Hanns Ostermann |
Der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, Wolfgang Franz, hat im Streit um die Einführung von Mindestlöhnen vor protektionistischen Maßnahmen gewarnt. Instrumente wie Mindestlöhne würden keine Arbeitsplätze schaffen, sondern eher Stellen kosten, sagte das Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.
Ostermann: In anderen EU-Staaten sind sie längst Realität. 18 der 25 Mitgliedsländer haben entsprechende Regelungen, die freilich sehr unterschiedlich ausfallen. Die Spanne des monatlichen Mindestbetrags reicht nach Angaben der Vereinigung der europäischen Arbeitgeber von umgerechnet 121 Euro in Lettland bis zu 1467 Euro in Luxemburg. Zu denen, die bei uns Mindestlöhne ablehnen gehört neben der Wirtschaft, wenn ich einmal die Baubranche ausklammere, unter anderem auch der Wirtschaftsweise Professor Wolfgang Franz. Den Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung begrüße ich am Telefon von Deutschlandradio Kultur. Guten Morgen, Herr Franz.

Franz: Morgen, Herr Ostermann.

Ostermann: Sie haben sich gegen die Einführung von Mindestlöhnen ausgesprochen, denn das würde Arbeitsplätze kosten, sagen Sie. Großbritannien und Irland haben Mindestlöhne und faktisch Vollbeschäftigung. Wie passt das zusammen?

Franz: Nun, der Mindestlohn ist nach aller Erfahrung beschäftigungsfeindlich. Dagegen spricht auch nicht, dass andere Länder, wie Sie gesagt haben, Irland und Großbritannien aber auch osteuropäische Länder wie Lettland einen Mindestlohn haben. Nur muss man da genau hinschauen. Beispielsweise in Osteuropa ersetzt vielfach ein Mindestlohn eine dort nicht vorhandene Mindesteinkommenssicherung, aber die haben wir ja beispielsweise durch das Arbeitslosengeld II. Zweitens muss man bedenken, dass häufig ein solcher Mindestlohn nur eine geringe Anzahl von Unternehmen betrifft und die sich auch noch nicht mal exakt daran halten, etwa weil die Arbeitnehmer sich nicht beschweren, um ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Drittens muss man daran denken, dass diese Mindestlöhne häufig einfach in Geldeinheiten definiert sind, das heißt, wenn wir dann eine Preissteigerungsrate haben, dann werden diese Mindestlöhne sofern sie nicht andauernd angepasst werden, allmählich real entwertet. Wo sie dann binden, beispielsweise wie in Frankreich, dort gibt es durch empirische Studien gut belegt, dass durch die Einführung eines Mindestlohnes oder dessen Heraufsetzung gerade Jugendliche besonders getroffen werden, weil die, wenn sie ins Berufsleben eintreten und insbesondere dann, wenn sie wenig qualifiziert sind, natürlich vergleichsweise geringere Löhne erhalten.

Ostermann: Das mag ein Argument sein, aber wenn unsere Nachbarn Mindestlöhne haben oder auch vergleichbare Mindeststandards, wir aber nicht, werden wir dann nicht zum Billiglohnparadies. Ich denke da nur an die dänischen Schlachtbetriebe, die lassen mit Vorliebe in Deutschland arbeiten.

Franz: Schauen Sie, wenn wir einen Mindestlohn, sagen wir im Rahmen des Entsendegesetzes für polnische Arbeiter erlassen, die dann in Deutschland vorher bei den Schlachthofbetrieben gearbeitet haben, dann passiert doch Folgendes: Das ist ja nichts anderes als ein Einfuhrzoll auf ausländische Arbeit. Protektionismus würde man das ja nennen. Was jetzt passiert ist Folgendes: Statt der Menschen, die jetzt nicht mehr kommen, statt der polnischen Arbeiter, die jetzt nicht mehr dann nach Deutschland kämen, werden die Tiere, die Schlachttiere nach Polen verfrachtet, dort geschlachtet und das Fleisch wird importiert. Der Effekt ist völlig derselbe und auch die möglichen Arbeitsplatzverluste bewegen sich in den ähnlichen Größenordnungen. Nein, was man machen muss ist Folgendes: Der deutsche Arbeitnehmer kann ja hohe Löhne erhalten, wenn diese gedeckt sind durch eine entsprechende Produktivität. Er kann ja versuchen, produktiver zu werden, indem er Weiterbildungsanstrengungen unternimmt. Auch von Unternehmerseite kann man dafür sorgen, dass man produktiver wird, indem man sehr effiziente, gegebenenfalls neue Produktionsverfahren und vor allen Dingen auch international wettbewerbsfähige Produkte auf den Weltmärkten anbietet.

Ostermann: Das klingt einleuchtend und trotzdem, es gibt ja im Osten Deutschlands schon die niedrigsten Stundenlöhne von, ich sage einmal, vier oder fünf Euro trotz der Tarifverträge. Zu mehr Arbeitsplätzen hat das aber auch nicht geführt.

Franz: Schauen Sie, es ist eine alte Erfahrung, dass auch in diesen Ländern, wie früher auch in Schwellenländern, aber jetzt auch in Osteuropa, das Lohnniveau allmählich ansteigt, weil natürlich diese Länder und deren Arbeitnehmer auch an dem allgemeinen Wohlstand und dessen Entwicklung hinzu höheren Niveaus teilhaben wollen. Sicherlich werden die Löhne nicht unbedingt auf das deutsche Niveau steigen, aber der deutsche Arbeitnehmer soll sich nicht bange machen lassen, denn zum einen steigen dort die Löhne und zum anderen, wenn er produktiver ist, braucht er sich keine großen Sorgen zu machen. Drittens muss man sagen, das ist natürlich ein Effekt der internationalen Arbeitsteilung. Das haben wir doch alles gewusst und das ist der Politik auch gesagt worden, dass mit einer Europäischen Union und insbesondere auch noch deren Erweiterung im Mai letzen Jahres durch die zehn Beitrittsländer der Wettbewerb auch auf den Arbeitsmärkten härter wird. Das ist überhaupt nichts Neues, aber noch mal: Die Arbeitnehmer in Deutschland sollen keine Angst haben, sie müssen sich allerdings anstrengen. Wettbewerb ist ja nun mal letztlich, das ist eine alte Erfahrung, dass alle für Wettbewerb sind, aber wenn es einen selbst trifft, dann möchte man gerne lieber geschützt werden.

Ostermann: Heute berät das Kabinett über ein Konzept im Kampf gegen ausländische Billigjobber. Auch einen einfachen Nenner gebracht, was empfehlen Sie der Regierung?

Franz: Ich empfehle der Politik die Sorgen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ernst zu nehmen, die Reformen weiterzuführen, die notwendig sind. Aber abzulassen von irgendwelchen protektionistischen Maßnamen, die bringen keine Arbeitsplätze sondern kosten letztlich welche.

Ostermann: Wolfgang Franz, der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung und zugleich Wirtschaftsweiser.