Wirtschaftspsychologie

"Verrücktsein hilft"

Pleite wegen Unfähigkeit? Schauspieler Martin Semmelrogge als skrupelloser Top-Manager im Theaterstück "Enron".
Pleite wegen Unfähigkeit? Schauspieler Martin Semmelrogge als skrupelloser Top-Manager im Theaterstück "Enron". © picture alliance / dpa / Angelika Warmuth
Rüdiger Hossiep im Gespräch mit Utw Welty · 15.05.2014
Anders als einfache Mitarbeiter werden Top-Manager nicht durch gängige Verfahren zur Eignungsprüfung ausgewählt, stellt Rüdiger Hossiep fest. Wesentliches Qualitätsmerkmal eines erfolgreichen Managers sei eine gewisse Neigung zu psychischen Störungen, vor allem das Ausblenden von Emotionen.
Ute Welty: Keiner weiß, wann, keiner weiß, wie viel, alle wissen nur: Es wird teurer und es dauert länger, bis es was wird mit dem Berliner Flughafen BER. Vor dem Haushaltsausschuss des Bundestages hat sich Flughafenchef Hartmut Mehdorn kritischen Fragen stellen müssen, und die stellt sich auch der Wirtschafts- und Personalpsychologe Rüdiger Hossiep von der Universität Bochum in Hinsicht auf die Qualität und die Qualifikation von Managern. Heute spricht er dazu auf dem Personalberatertag, das ist ein Fachkongress zum Thema. Guten Morgen!
Rüdiger Hossiep: Guten Morgen, ich grüße Sie!
Welty: Inweiweit ist Hartmut Mehdorn die Manager-Blaupause in seinen Stärken und in seinen Schwächen?
Hossiep: Ja, das ist natürlich schwer einzuschätzen. Ich kenne Herrn Mehdorn nicht persönlich und kann mir über seine Qualitäten kein Urteil erlauben. Die Frage ist allerdings: Wer kann das? Auch über die Qualität anderer Manager. Wir können eigentlich davon ausgehen, dass die Qualitätsmerkmale gerade im Top-Management im Wesentlichen eine klärungsfreie Zone sind.
Welty: Das heißt konkret? Die können gar nicht das, was sie da tun?
Hossiep: Das weiß keiner so genau, weil wir gucken uns bei Zuordnungsentscheidungen im Personalbereich guckt man sich die Leute sehr, sehr genau an, das fängt beim Ausbildungsplatzbewerber an, den man auf Herz und Nieren testet, damit er dann auch durch die entsprechenden Prüfungen gut kommt und später gut arbeitet, da lässt man nichts unversucht. Das haben wir in allen Bereichen, die auch mitbestimmungspflichtig sind. Im Top-Management wissen wir das allerdings nicht so genau, da scheint es irgendwie auf was anderes anzukommen. Und hier gibt es auch kaum den Einsatz wissenschaftlicher Methoden zur Eignungsklärung.
Hilfreich: Intelligentes, schnelles Handeln
Welty: „Wer glaubt, dass Manager managen, der glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten“, diese despektierliche Bemerkung in der Variation des Peter-Prinzipes lässt ja tief blicken, was wir von unserer Führungselite tatsächlich halten. Sie gehen sogar noch einen Schritt weiter und unterstellen dieser Elite Hysterie, Narzissmus und Neurosen. Haben die da oben alle ein behandlungswürdiges Problem?
Hossiep: Ja, Hysterie wahrscheinlich nicht, aber es gibt seit einigen Jahrzehnten insbesondere aus den USA ernstzunehmende Befunde, dass ein gewisses Quantum an psychopathischen Zügen den Aufstieg sehr wohl befördert.
Welty: Das beruhigt ja ungeheuer.
Hossiep: Ja, man sollte schon ein bisschen verrückt sein, das hilft. Aber dazu gehören natürlich auch ganz wesentliche Dinge, nämlich sich fokussieren zu können, sich nicht durch Emotionen – auch nicht eigene und die anderer Personen – irritieren zu lassen. In der Regel gilt auch ein hohes Maß an Intelligenz und Handlungsschnelligkeit damit einher. All das ist zunächst mal im Management und gerade im Top-Management verlangt.
Die Frage ist: Kann es auch ein Übermaß dessen geben? Und das muss man ganz klar bejahen. Gerade ganz, ganz große Pleiten, die sehr gut untersucht sind – kommt wie alles Gute aus US-Amerika auch, diese Untersuchungen, etwa zur Lehman-Pleite oder zur Enron-Pleite – belegen, dass in der Tat durch zumindest semi-psychopathische Züge der entscheidenden Top-Manager hier diese Dinge entstanden sind. Und bei Lehman ist es ja in der Tat so, dass das die ganze Welt an den Rand des Abgrunds gestoßen hat, und an dem werden wir uns auch noch lange entlanghangeln.
Die dunkle Triade: Narzissmus, Machtaffinität, Psychopathie
Welty: Welche semi-psychopathischen Züge sind das denn speziell?
Hossiep: Ja, das ist zunächst mal ein gewisser Narzissmus: Wer sich nicht mag, kann das auch auf andere nicht ausstrahlen, und das braucht man auch ein Stück weit, um auf der Bühne bestehen zu können, Showmanship, Selbstdarstellung, vielleicht auch eine gewisse Selbstverliebtheit.
Das ist zum Zweiten dann Machiavellismus, also das Managen von Machtstrukturen, sich von diesen angezogen fühlen und dann auch im eigenen Sinne gestalten wollen, auch die Manipulation, nicht nur von Sachverhalten, sondern auch von anderen Personen gehört dazu. Und das Dritte ist schließlich die Psychopathie selbst. Dieses Triumvirat nennt man "die dunkle Triade". Und dazu gehören dann auch solche Dinge wie nach außen erscheinende Furchtlosigkeit, Entschlossenheit, Fokussiertheit, Skrupellosigkeit und anderes mehr.
Welty: Auch wenn man nach innen gar nicht so überzeugt ist von dem, was man da tut?
Hossiep: Das ist in der Regel der Nährboden dafür, der aus einer tiefen eigenen Unsicherheit erwächst.
Welty: Der Wirtschafts- und Personalpsychologe Rüdiger Hossiep hier in der "Ortszeit", und diesen Einstellungstest als Interviewpartner, den haben Sie mit Bravour bestanden. Ich danke herzlich und wünsche eine erfolgreiche Tagung!
Hossiep: Ich danke Ihnen! Frohes Schaffen noch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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