"Wir wollen Priester und wir brauchen sie"

Regens Martin Straub im Gespräch mit Thorsten Jabs · 30.01.2010
In den vergangenen zehn Jahren sei die Zahl der Priesteramtskandidaten zurückgegangen, sagt Martin Straub, Regens des Priesterseminars St. Hieronymus in Augsburg. Ein Grund sei, dass es immer weniger Familien gebe, "die ein Glaubensleben führen".
Thorsten Jabs: Wenn man sich einige Statistiken zum Thema Berufswunsch anschaut, dann wird schnell klar: Einige Berufe wie Feuerwehrmann liegen noch immer weit vorn, dazu kommen zum Beispiel Polizist oder Profifußballer. Katholischer Priester werden zu wollen, daran denken wohl eher die wenigsten Jungen vor der Pubertät. Doch auch danach scheinen immer weniger junge Männer diesen Wunsch zu haben. Nach Angaben der Deutschen Regentenkonferenz, dem Zusammenschluss der Priesterseminare, haben sich 1998 noch 1200 Männer in Deutschland auf den Priesterberuf vorbereitet, inzwischen sind es nur noch 840, ein neuer Tiefststand. Über die Gründe und die Folgen spreche ich mit Martin Straub, Regens des Priesterseminars St. Hieronymus in Augsburg. Guten Tag, Herr Straub!

Regens Martin Straub: Guten Tag, Herr Jabs!

Jabs: Herr Straub, ist der Priesterberuf out, wie man es in etwas jugendlicherer Sprache sagen würde?

Straub: Wir stellen tatsächlich einen Rückgang der Priesteramtskandidaten in den letzten Jahren fest, wobei wir auch sehen, dass in den letzten zehn Jahren die Zahlen sich auch wieder stabilisiert haben. Wenn Sie gerade die Periode 1999 bis 2009 angesprochen haben, haben wir im Bistum Augsburg nahezu den gleichen Stand an Priesteramtskandidaten, nämlich knappe 60 junge Männer, die sich auf das Priestertum vorbereiten im Studium, auch in praktischen Ausbildungen in den Pfarreien. Aber insgesamt ist die Tendenz wahrzunehmen, die uns bedrückt, dass die Priesteramtskandidaten, die Zahlen, eher rückläufig sind.

Jabs: Welche Gründe sehen Sie dafür?

Straub: Die Priesterberufung steht in einer direkten Beziehung zum geistlichen Leben der jungen Leute, auch zum geistlichen und religiösen Praxis der Gemeinden, und da erkennen wir natürlich auch in diesem Zeitraum einen Rückgang der Glaubenspraxis, was die sonntägliche Mitgestaltung des Gottesdienstes betrifft. Wenn wir diese Zahlen anschauen, dann stellen wir sogar fest, dass wir derzeit relativ mehr Priester und Priesteramtskandidaten haben als wie vor 20 oder 30 Jahren prozentual gesehen zu den Gottesdienstbesuchern. Insofern ist es eine Frage der Glaubenspraxis der Kirche als Ganzes, und da sehen wir, dass die Priesteramtskandidaten natürlich nur dort hervorgehen können, wo Familien da sind, die ein Glaubensleben führen, und die auch den Glauben vorleben.

Jabs: Hat es auch etwas damit zu tun, dass das Damoklesschwert Zölibat über dem Priesterberuf hängt?

Straub: Das entspricht nicht unseren Erfahrungen. Das Thema Zölibat ist ein Thema im Priesterseminar, ganz gewiss, aber nicht im Sinne einer politischen Frage. Es ist eine ganz persönliche Frage, denn das Zölibat bedeutet, sich die Frage zu stellen, ob man in diese Lebensform Jesu hineinfinden will und für Gott und für die Menschen ganz ausschließlich sein Leben und seinen Dienst gestalten will.

Jabs: Sie sprechen von einer persönlichen Frage. Haben Sie den Eindruck, dass die sexuelle Enthaltsamkeit die jungen Männer heutzutage mehr abschreckt als zum Beispiel vor fünf oder vor zehn Jahren?

Straub: Das entspricht nicht unserer Erfahrung. Es ist immer schon ein sehr starkes Thema gewesen in der Priesterberufung, weil es herausfordert, weil es die Frage provoziert, ist der Dienst für die Kirche für mich so eine Realität auch von der Beziehung her? Priester sein heißt ja nicht, beziehungslos zu leben, sondern eben auf die Gottesbeziehung sein Leben zu bauen und in der Gemeinschaft der Kirche auch ein familiäres, beziehungsreiches Dasein anzustreben. Diese Frage ist immer gleichbedeutend und betrifft eben diese ganz persönliche Berufungsentscheidung: Will ich Jesus in dieser Lebensform folgen?

Jabs: Welche Folgen hat der Mangel an Nachwuchs konkret? Ist zum Beispiel die Gefahr größer geworden, Bewerber anzunehmen, die vielleicht gar nicht so für den Priesterberuf geeignet sind?

Straub: Die Statistiken, die Sie anfangs genannt haben, zeigen, dass die Regenten der Priesterseminare, also die Direktoren, dem Druck des Priestermangels nicht in der Weise nachgeben, dass sie die Kriterien, die Eingangskriterien für die Aufnahme der Priesterausbildung zurückgenommen haben. Es ist ganz klar, wir dürfen nicht die Kriterien verändern. Es müssen für die Kandidaten hohe Ansprüche gestellt werden, denn die Aufgabe der geistlichen Leitung, die dem Priester obliegt, ist anspruchsvoll und verlangt eben entsprechend geeignete, persönlichkeitsstarke und gut qualifizierte Männer.

Jabs: Hatten Sie in Ihrer Ausbildung auch manchmal Phasen, in denen Sie gezweifelt haben, in denen Sie am liebsten alles hinschmeißen wollten?

Straub: Diese Phasen gab es in meinem Weg, und es gibt sie in der Berufungsfrage bei jedem Priesteramtskandidaten. Als Leiter des Priesterseminars mache ich mir eher Sorgen, wenn diese Fragen oder diese Krisen nicht kommen, denn in diesen Krisen klärt sich sehr vieles, und es wird die Berufsentscheidung nur dadurch stabil, solche Krisen immer wieder neu durchgerungen zu haben.

Jabs: Wie sind Sie damit umgegangen?

Straub: Sehr wichtig ist, dass man mit den Fragen, die auftauchen, nicht alleine bleibt, dass man mit geistlichen Begleitern regelmäßig im Gespräch ist. Das ist auch der Sinn des Priesterseminares, dass die Priesteramtskandidaten nicht allein, isoliert ihren Weg gehen, sondern in einer Gemeinschaft, in der sie sich austauschen können und natürlich in der ganz persönlichen Gottesbeziehung, im Gebet, in der Stille. Dort müssen diese Fragen behandelt werden.

Jabs: Und am Ende unseres Gesprächs kommen Sie wahrscheinlich aus professionellen Gründen schon zu dem Fazit: Out ist der Priesterberuf auf keinen Fall, oder?

Straub: Nein, man muss diese Zahlen im Kontext der Gesamtgroßwetterlage sehen, des Religiösen in unserer Gesellschaft. Auch die Demografie spielt eine Rolle. Der Priesterberuf bleibt attraktiv und die Kirche bemüht sich, ihn neu auch wieder ins Bewusstsein zu heben. Wir haben auch den Eindruck, dass die Frage nach der Bedeutung und dem Wert des Priestertums in der Kirche wieder neu gestellt wird, eben weil auch die Erfahrungen gemacht werden, dass sie fehlen und die Kirche neu auch zum Ausdruck bringt, wir wollen Priester und wir brauchen sie. Und ich bin überzeugt, dass gerade auch jetzt das Priesterjahr, das wir in der katholischen Kirche begehen, wo das Gebet für die Priester und Priesteramtskandidaten auch besonders im Vordergrund steht, dass diese Initiativen nicht wirkungslos bleiben.

Jabs: Herr Straub, vielen Dank für das Gespräch!

Straub: Gerne! Alles Gute, Gottes Segen!

Jabs: Über den Mangel an Nachwuchs in den deutschen Priesterseminaren waren das Einschätzungen von Martin Straub, dem Regens des Priesterseminars St. Hieronymus in Augsburg.