"Wir sind so eine glückliche Familie, seit mein Mann gestorben ist"

01.03.2007
Zu Beginn des 20. Jahrhundert begibt sich Katherine Mansfield zur Kur in ein bayerisches Städtchen. Aus der distanzierten Perspektive einer Neuseeländerin beobachtet sie das merkwürdige Gebaren der Deutschen und thematisiert in ihren kurzen Texten vor allem die Ehe und die weibliche Sexualität.
Katherine Mansfield wurde 1888 als Kathleen Mansfield Beauchamp in Wellington in Neuseeland geboren. Zusammen mit ihren zwei älteren Schwestern besuchte sie von 1903 bis 1906 eine Höhere-Töchter-Schule in London. Zurück in Wellington entsteht ihre allererste literarische Arbeit, Kurzprosa, 1908 kehrt sie gegen den Willen der Eltern nach London zurück, beginnt mehrere Liebesaffären. Am 2. März 1909 heiratet sie George Bowden, von dem sie schwanger ist. Katherine Mansfield, die bereits im Alter von 34 Jahren starb, verfügte über ein starkes Lebenstemperament und eisernen künstlerischen Arbeitswillen. Aber sie war körperlich immer schwächlicher Natur, ihr Leben lang wurde sie heimgeholt von schweren Krankheiten und gesundheitlichen Krisen. Als frisch verheiratete, von ihrer Mutter enterbte, schwangere Ehefrau, gerät sie 1909 in eine solche Krise und begibt sich zur Erholung in das bayerische Kurstädtchen Bad Wörishofen.

Sie bezieht ein Zimmer in der "deutschen Pension" Müller, die durch Katherine Mansfields humoristische, scharfzüngige Porträts der Pensionsbewohner einen Namen in der Weltliteratur errang. Aus dem Kuraufenthalt bei Müllers, der ursprünglich ein paar Wochen dauern sollte, wird ein halbes Jahr. Katherine Mansfield erleidet in Bad Wörishofen eine Fehlgeburt und muss, um zu genesen, lange unter ärztlicher Beobachtung bleiben. Während dieses halben Jahr beobachtet und beurteilt sie das deutsche Pensionsleben vom Posten einer distanzierten Anthropologin aus, die in der Art, wie Deutsche Fleisch schneiden und in großen Mengen zu sich nehmen, eine Mentalitätsanalyse entwickelt...

"In einer deutschen Pension" erscheint als Katherine Mansfields erstes Buch im Jahre 1911. Es ist eine Sammlung komischer und ernster Texte, die an Kalendergeschichten erinnern und auf ein gemeinsames Motiv hinlaufen: Die Ehe und weibliche Sexualität. Denn die junge neuseeländisch-englische Autorin nimmt vor allem das merkwürdige Paar- und Balzverhalten der germanischen Tischnachbarn aufs Korn. Der Begriff "Vergewaltigung in der Ehe" taucht hier, wohl zum allerersten Mal in der Literatur, auf. Das Mutterglück verliert und die Witwenschaft gewinnt an Glanz. "Wir sind so eine glückliche Familie, seit mein Mann gestorben ist", sagt die Pensionswirtin einmal.

Rezensiert von Ursula März

Katherine Mansfield: In einer deutschen Pension
Haffmanns Verlag bei Zweitausendeins: Frankfurt am Main 2006.
189 Seiten, 13,90 Euro