"Wir sind kein Sonderfall"

Moderation: Joachim Scholl · 09.11.2006
Der Piper-Verlag hat ein editorisches Großprojekt vorgestellt: "Die Deutschen". In zwei Büchern und sechs CDs wird die Geschichte von 1918 bis 1972 beleuchtet. Für die Bücher verantwortlich ist der Autor, Filmemacher und Produzent Rolf Hosfeld.
Auszüge aus dem Gespräch:

Joachim Scholl: "Was ist deutsch, wer sind die Deutschen?" – An einem 9. November haben solche Fragen einen besonderen Klang, dieser Tag ist ein deutsches Schicksalsdatum, und so ist es bestimmt kein Zufall, dass heute ein editorisches Großprojekt vorgestellt wird: "Die Deutschen" heißt es, im Münchener Piper-Verlag erscheinen unter diesem gewichtigen Titel zwei Bücher plus insgesamt sechs CDs – eine aufwändige Geschichtsstunde der Epochen zwischen 1918 und 1972, für die Bücher verantwortlich ist Rolf Hosfeld, renommierter Autor, Filmemacher und Produzent, jetzt zu Gast im Radiofeuilleton, herzlich willkommen…

Rolf Hosfeld: Guten Tag.

Scholl: Was verbinden Sie intuitiv mit dem 9. November – die Revolution 1918, die Pogrom-Nacht 1938 oder den Tag der Maueröffnung 1989?

Hosfeld: Alle drei Ereignisse auf einmal. Ich meine, es ist natürlich eine zufällige Koinzidenz, aber sowohl die Höhepunkte als auch die Tiefpunkte deutscher Geschichte verbinden sich nun einmal mit diesem Datum.

Scholl: Seit vielen Jahren beschäftigen Sie sich mit deutscher Geschichte, Rolf Hosfeld – wer und wie sind wir denn, wir Deutschen? Sind Sie nach all dieser Arbeit zu einem Ergebnis gekommen?

Hosfeld: Wir sind zunächst einmal nichts Ungewöhnliches im europäischen Maßstab. Wir sind kein Sonderfall. Ich glaube auch nicht, dass man sagen kann, die Deutschen haben einen Sonderweg zurückgelegt. Die Deutschen haben eine sehr komplizierte Geschichte. Und sie haben aber auch eine sehr komplizierte Ausgangslage in Europa gehabt. Ich denke, wir sind heute an einem Punkt angelangt, wo wir zum ersten Mal bestimmt seit 300 oder 400 Jahren in einer Situation sind, wo sowohl die Größe als auch das Verhältnis der Deutschen zu ihren Nachbarn an einem Punkt angelangt sind, wo man sich vorstellen kann, dass es auf Dauer eine stabile, friedliche Entwicklung in Europa einleiten und sich bewahren könnte. Das war natürlich nicht immer so. Die großen Krisen Deutschlands im 20. Jahrhundert, der Erste Weltkrieg, die Verbrechen der Nazizeit, der Zweite Weltkrieg stehen natürlich ganz entscheidend auch für deutsche Geschichte.

Scholl: Die Eckdaten dieser großen Edition, die jetzt erscheint, zwei Bücher, sechs DVDs mit mehr als acht Stunden Bildmaterial, 1918 und 1972 – wieso der Beginn mit 1918 und nicht mit 1914?

Hosfeld: Man muss dazu sagen, die ganze Edition ist auf vier Bände geplant. Es wird im nächsten Jahr im Frühjahr noch ein Band erscheinen von 1815 bis 1918 und im Herbst ein Band 1973 bis heute. Ich fange mal mit der Zäsur 1972 an oder besser gesagt mit der Zäsur 1973. 1972 ist die Zeit des Endes des ganz großen Optimismus in Deutschland. 1973 ist die Zeit, wo die großen wirtschaftlichen Krisen anfangen, die Probleme, mit denen wir es heute noch zutun haben. Es beginnt die strukturelle Massenarbeitslosigkeit, die Ölkrise, es beginnen die Grenzen des Wachstums eine Rolle zu spielen. Ökologischen Themen kommen in den Vordergrund …

Das gesamte Gespräch mit Rolf Hosfeld können Sie für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.