"Wir müssen die Finanzmärkte überzeugen"

Graham Watson im Gespräch mit Ute Welty · 06.12.2011
Das schottische Vorstandsmitglied der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa, Graham Watson, hat die von der Ratingagentur Standard & Poor's angedrohte Herabstufung der Kreditwürdigkeit mehrerer Euro-Länder kritisiert. Es gebe keinen guten Grund für eine Abwertung.
Ute Welty: Wieder mal eine Schicksalswoche, wieder mal ein deutsch-französisches Spitzentreffen, wieder mal Signale der Einigkeit. Mit einem ganzen Bündel von Vorschlägen fürs Krisenmanagement sind die deutsche Bundeskanzlerin und der französische Präsident vor die Presse getreten, um wenige Stunden später zu erfahren, dass das alles womöglich nicht sehr viel wert ist.

Die Ratingagentur Standard and Poor's hat nämlich 15 Euro-Staaten unter Beobachtung gestellt und droht mit Abwertung. Was von all dem zu halten ist, das bespreche ich jetzt mit dem Schotten Graham Watson. Er ist Vorstandsmitglied der ALDE im Europaparlament, dort haben sich die europäischen Demokraten und Liberalen zusammengeschlossen. Guten Morgen, Herr Watson!

Graham Watson: Guten Morgen!

Welty: Merkel und Sarkozy geben sich ja betont gelassen nach der Ankündigung von Standard and Poor's. Wie sehen Sie das?

Watson: Ich glaube, dass Frau Merkel recht hat, wenn sie sagt, wir müssen strukturelle Änderungen sehen, dass wir eine Sicherheit haben können. Das wird nie wieder geschehen, dass Länder wie Griechenland zu viel ausgeben, aber mehr als sie einbringen können. Wir brauchen ein ...

Welty: ... ja, bevor wir uns jetzt die einzelnen Maßnahmen noch mal genau anschauen, ich würde gerne wissen, diese Ankündigung von Standard and Poor's, auf die Merkel und Sarkozy nur mit ein paar Zeilen reagiert haben, besorgt Sie das nicht?

Watson: Ja, ich finde, natürlich müssen wir das tun, was nötig ist, damit die Ratingagenturen Europa und europäische Länder nicht unter Druck setzen. Wir müssen die Finanzmärkte überzeugen, dass wir die Disziplin haben, unsere eigenen Haushalte in gute Ordnung zu bringen.

Welty: Ja, aber diese Ankündigung der Abwertung, das konterkariert doch im Grunde genommen dieses ganze Maßnahmenbündel, was Merkel und Sarkozy vorgestellt haben?

Watson: Ich glaube nicht, dass es einen guten Grund gibt dafür, warum unsere Währungen abgewertet sein sollen. Wenn man zum Beispiel Europa ansieht im Vergleich mit den Vereinigten Staaten, sieht man, dass Europa durchschnittlich niedrigere Schulden hat als Amerika, und auch, dass der Euro auf den Weltmärkten ziemlich stark bleibt, besonders in Bezug zum Dollar.

Natürlich muss man die Sachen tun, die nötig sind, um die Finanzmärkte zu überzeugen, und wir müssen deshalb auch einen Dialog mit diesen Ratingagenturen haben. Aber es stimmt immer, dass wir es brauchen, diese Woche beim Europagipfel eine überzeugende Antwort zu haben für die Zukunft des Euros.

Welty: Zu der überzeugenden Antwort gehört nach Meinung von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy zum Beispiel auch, dass der dauerhafte Euro-Rettungsschirm ESM bereits im nächsten Jahr eingeführt wird und nicht erst 2013, und man rückt ab vom Prinzip der Einstimmigkeit, einzelne Länder sollen den ESM nicht mit ihrem Veto blockieren können. Halten Sie das für sinnvoll?

Watson: Ja, ich glaube, das ist nicht nur eine gute Idee, ich glaube, das kann auch klappen. Es ist eine gute Idee, diesen Mechanismus schon im nächsten Jahr in Gang zu setzen. Aber ich glaube, es wird auch vielleicht notwendig, dass wir mit dem Internationalen Währungsfonds sprechen, dass es auch da eine Unterstützung für den Euro geben könnte. Weil wir die Zeit nicht haben, Vertragsänderungen für die Europäische Union durchzubringen. Disziplin, strukturelle Änderungen, ja. Aber wir werden vielleicht auch die Unterstützung des IWF notwendig haben.

Welty: Hilft es bei den Vertragsänderungen auch nicht, dass Merkel und Sarkozy zur Not alleine mit den Euro-Ländern tätig werden und gar nicht auf den Zusammenhang der 27 angewiesen sein wollen?

Watson: Ja, das ist sicher das, dass es am besten gemacht wird für die 17 Euro-Länder. Aber man muss immer dann danach mitrechnen, dass wir vielleicht eine Volksabstimmung in Irland nötig haben, vielleicht in der Slowakei und vielleicht, wer weiß, auch in Frankreich wie letztes Mal. Diese Vertragsänderungen sind etwas wie Zeitverbringen, vielleicht zwei bis drei Jahre. Wir haben diese Zeit nicht, deshalb müssen wir durch die Unterstützungsfonds, der EFSF und vielleicht der IWF, auch Hilfe suchen.

Welty: Wenn die Vertragsänderungen nur für die Euro-Länder gelten würden, dann wären Großbritannien und auch Schottland raus. Hieße das für Sie auch, fein raus?

Watson: Ich bin ein Befürworter in meinem Land, dass Großbritannien am Euro teilnimmt. Und natürlich befürchte ich für die zehn Länder, die nicht Mitglieder der Euro-Zone sind, dass die irgendwie weiter vom Kern Europas entfernt werden. Aber wenn wir uns alle dieser Gefahr gewiss sind, können wir auch Maßnahmen nehmen, um das zu vermeiden. Was für uns alle, die 17 und die zehn Länder, sehr wichtig ist, ist, dass der Euro ein Erfolg sein wird.

Welty: Die beiden haben sich ja auf jeden Fall auch für gemeinsame, oder gegen gemeinsame Eurobonds ausgesprochen, das war nicht immer so. Wie erklären Sie den Sinneswandel zumindest auf der französischen Seite?

Watson: Frankreich und Deutschland haben verschiedene Positionen in dieser Affäre. Ich bedauere es, ich glaube, dass, wenn es ein Abkommen gäbe zwischen Frankreich und Deutschland, wäre es am besten. Ich halte es nicht für notwendig, dass die EZB Eurobonds, oder dass es einen Eurobonds-Markt gibt. Aber ich glaube, es könnte hilfreich sein und man soll diese Diskussion nicht schließen.

Welty: Der schottische Europaabgeordnete Graham Watson, ich danke fürs Gespräch und einen guten Tag noch!

Watson: Danke sehr!


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