"Wir kämpfen unter Hermanns Zeichen"

Von Michael Frantzen · 22.02.2013
Wilfried Mellies aus Detmold sammelt Postkarten, die das Hermannsdenkmal zeigen. Mehr als 70.000 besitzt er schon, chronologisch geordnet in Aktenordnern und Kartons. Sie sind historische Quellen erster Güte - und zeugen vom (Un-)Geist, der einst durch deutsche Lande wehte.
"Das sind Karten. Man sieht schon: Kaiserreich. Mit dem Kaiseradler im Prägedruck-Verfahren. Dann kommt der Hermann als Motiv."

Hermann wie in: "Hermann der Cherusker". 9 n. Chr. soll der Prototyp des wehrhaften Teutonen die Römer im Teutoburger Wald besiegt– und die Germanen befreit haben. Dafür waren ihm im Laufe der Zeit nicht nur Goethe und Luther dankbar, sondern auch Wilfried Mellies, seines Zeichens CDU-Ortsvorsteher des Detmolder Stadtteils Hiddensen. Das kommt nicht von ungefähr: Der pensionierte Leiter der lokalen Sparkasse lebt im Windschatten des Hermannsdenkmals. Bis auf die Grotenburg sind es keine drei Kilometer. So was prägt. Dementsprechend sammelt der Mann mit der stattlichen Figur so gut wie alles, was ihm in Sachen Hermann zwischen die Finger gerät: Hermann-Eierbecher, Hermann-Tassen, Hermann-Postkarten.

"Ich gucke täglich nach bei Ebay, unter verschiedenen Motiven: Hermanns-Denkmal als Schlagwort. Oder: Arminius. Varus-Schlacht. Die alten Cherusker. Alle diese Begriffe geb ich immer ein."

Ist einiges zusammengekommen, in vier Jahrzehnten Sammlerleidenschaft. Mehr als 70.000 Postkarten haben ihren Weg gefunden ins Hause Mellies; chronologisch geordnet in Aktenordnern und Kartons.

"Ja! Ja! Das sind aber Kartons, die extra hergestellt worden sind für Ansichtskarten. Die also das passende Format haben. Und wo der Karton auch so stabil ist, dass er nicht kaputt geht. Da habe ich 40, 50 Stück von. Sie sehen: Passt gerade hinein. Sehr stabil. In den Aktenordnern sind nur die besseren Karten."

Mellies nimmt sich eine: Sein neuster Schatz.

"Ich habe gerade heute Morgen eine Ansichtskarte vom Hermannsdenkmal bekommen. Geschrieben im Jahre 1901. Und da schreibt ein Kegelvorstand an seinen Kegelklub in Detmold, das war erster Pfingstsonntag 1901: ‚Wenn ihr kegelt, dann denkt, die Hölzer seien Engländer. Das genügt.‘ Das muss man sich mal vorstellen! Ja! Aber das war eben die Denkungsweise im Kaiserreich, hier 1901. Und ich muss sagen: Das Motiv, das habe ich mehrfach. Ich hätte mir diese Karte auch nicht mehr angetan: Wenn ein Sammler diese Karte fünf Mal hat, dann reicht’s ja auch, dann muss er das Geld nicht noch mal ausgeben für eine Sechste. Aber: Ich hab den Text gesehen. Und da hab ich gedacht: Die Karten musst du haben. Weil der Text außergewöhnlich is."

Das Überlegenheitsgefühl der deutschen Nation
Von der Sorte gibt es etliche. Sie sagen einiges aus, die postalischen Hermänner – über den Geist, der durch deutsche Lande wehte; anno dazumal.

"Jetzt gucken Sie sich das mal an! Das ist eine Karte...das ist ganz seltsam: Eine Karte aus dem Jahre 1900. Ich darf die kurz mal schildern: Vorne steht ein Germane mit Schwert. Der vertreibt Menschen. Wenn man sich die Menschen anguckt, dann sieht man: Das sollen Juden sein. Und hier ist ein Wegweiser, da steht drauf: ‚Nach Palästina.‘ Der deutsche Adler im Vordergrund. Im Hintergrund symbolhaft das Hermannsdenkmal."

Klaus Kösters: "Mit dem Hermann-Mythos verbunden ist dieses Überlegenheitsgefühl der deutschen Nation beziehungsweise später auch der deutschen Rasse."

Ergänzt Klaus Kösters, bis vor kurzem wissenschaftlicher Referent des Westfälischen Museumsamtes in Münster. Der gebürtige Detmolder hat vor vier Jahren die Ausstellung "2000 Jahre Varus-Schlacht" organisiert. Mit Hermann alias Arminius kennt er sich aus; besonders seinem Mythos.

"Dieser Mythos ist ja sehr flexibel. Einerseits sind es die Guten, die werden angegriffen von den Bösen. Und die werden zurückgeschlagen. Das ist der Kern dieses Mythos, der seit dem 16. Jahrhundert durch die Köpfe der Gelehrten geht. Und die Bösen, die lassen sich natürlich austauschen. Frankreich war das über Jahrhunderte lang, gegen Ende des 19. Jahrhunderts, im Wilhelminischen Deutschland, mit der Entwicklung auch des Rassengedankens, wird im zunehmenden Maße auch zum Beispiel die semitische Rasse zu diesen Bösen gerechnet. Also, der Antisemitismus, der dann hinterher im Dritten Reich diese traurige Größe erreicht hat, wird von Anfang an, seit Ende des 19. Jahrhunderts, mit dem Arminius-Mythos verbunden."

Besonders virulent war der Mythos im Lipperland, dem Landstrich zwischen Weser und Teutoburger Wald, der über 800 Jahre ein eigenständiges Fürstentum war. Klaus Kösters kennt das aus eigener Erfahrung.

"Ich erinnere mich: Als ich Kind war, bin ich mit meinem Großvater durch den Teutoburger Wald gegangen bin. Und wir haben den Ort der Varus-Schlacht gesucht. Wir hatten auch jemanden in unserer Familie, der im 19. Jahrhundert, so um 1870, Bücher zur Varus-Schlacht und über den Ort der Varus-Schlacht geschrieben hat. Allerdings: Mit so viel Blödsinn, dass es nicht unbedingt Familienehre ist. Hat dann so abenteuerliche Thesen aufgestellt, wie dass Hermann der Cherusker nach der Schlacht im Teutoburger Wald die gefangenen Römer an den Extern-Steinen – auch so ein mystischer Ort in Ostwestfalen-Lippe – den Göttern geopfert hat. Und irgendwelchen historischen Blödsinn. Seit meiner Kindheit hat mich dieses Thema immer wieder beschäftigt und nie wieder losgelassen."

Mit Hurra in den Krieg
Das war bei Wilfried Mellies, dem "Hermann-Infizierten", genauso - quasi familiär bedingt: Vor ein paar Jahren fiel des Hermanns Alter Ego das Tagebuch seines Urur-Großvaters in die Hände. Purer Zufall. Da ist er aus dem Staunen gar nicht mehr herausgekommen: Es stellte sich nämlich heraus, dass sein Vorfahre im Auftrag des Erschaffers des Hermannsdenkmals Ernst von Bandel in den Sockel des Denkmals Inschriften gemeißelt hatte. Mellies schnappt nach Luft: Das kann doch kein Zufall sein.

"Was steht da? ‚Wir siegen!‘ Na ja, ist anders gekommen, näh?!"

Im Ersten Weltkrieg.

"Oder hier: Von 1914. Der alte Germane und der aktuelle Soldat geben sich die Hand. Auch so als Symbol. Und oben in der Sonne zu sehen: Wilhelm der Zweite. Wir wissen ja alle: Als der Erste Weltkrieg begann: Die meisten sind mit Hurra in den Krieg gezogen. Junge! Wenn ich wüsste, ich müsste innen Krieg, dann würde ich nicht Hurra rufen. Das war vor hundert Jahren irgendwie anders. Die haben auch alle gedacht: Nach ein paar Monaten sind sie wieder zu Hause."

Daraus wurde bekanntlich nichts. Zehn Millionen Soldaten verloren im Ersten Weltkrieg ihr Leben, darunter zwei Millionen deutsche. Das Deutsche Reich lag nach dem verlorenen Krieg am Boden: Massenarbeitslosigkeit, Hyperinflation, dann auch noch die Milliarden-schweren Reparationen an die alliierten Kriegsgewinner im Rahmen des Versailler Vertrags. Auch das Hermannsdenkmal kam nicht ungeschoren davon – jetzt im postalischen Sinne.

"Unten ist dann wieder: Ob’s der Deutsche Michel ist oder wer auch immer. Aber auch wieder in Ketten. Und hier kommt der Befreier: So wurde der Hermann stilisiert. In den 20er-Jahren. Eine ganz massive Karte, die habe ich hier jetzt vor mir. Und das weist ganz deutlich auf die Franzosen im Rheinland hin. Das ist ein französischer Soldat, farbig. Bis dahin kannte man ja kaum farbige Menschen. Aber die Franzosen...aus ihren Kolonien, hatte dann ja auch viele, die in der Armee gedient haben. Der: Drohend im Hintergrund mit einem Schwert. Weiter vorne: Geier. Die sind angeordnet um den deutschen Germanen. Der rücklinks hier auf dem Fels liegt. Und gefesselt ist. Und im Hintergrund ist der Hermann wieder als Symbol zu sehen. Und darunter steh: ‚Die Geier.‘"

Kösters: "Eine ganz klassische Zweiteilung: Die guten Germanen. Und die bösen, dekadenten Franzosen, die den Deutschen ans Leder wollen. Es gab verschiedene Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und Frankreich."

Vom Rhein kamen die Römer. Und die Franzosen
Wenn man so will, war der Erste Weltkrieg nur der vorläufige Höhepunkt der "Erbfeindschaft" zwischen Deutschland und Frankreich, erläutert Klaus Kösters, der Museums-Mann. Auch schon zuvor hatten sich Deutsche und Franzosen gegenseitig bekriegt, zuletzt 1870/71 im Deutsch-Französischen Krieg.

"Und in diesen Kontext gehört das Hermannsdenkmal. Es ist das einzige Denkmal, wo der Held einem den Rücken zukehrt, wenn man auf dieses Denkmal zuschreitet. Das hängt damit zusammen, dass der Hermann gegen Westen schaut. Vom Rhein kamen die Römer. Aber auch die Franzosen."

Auch einer von Wilfried Mellies’ Großvätern zog gegen die Franzosen zu Felde, im Ersten Weltkrieg. Darüber geredet hat der Alte nie. Hätte ihn ruhig mal fragen sollen, ärgert sich der Enkel heute. Doch das gehörte sich damals nicht. Über die dunklen Seiten der Vergangenheit wurde tunlichst das Deckmäntelchen der Verschwiegenheit gelegt.

"Ich blätter auch mal gerade. Wir sehen hier aus dem Jahr 1932: 16. Juli. Da war ein Treffen der NSDAP am Hermanns-Denkmal. Sogar ein Pastor war da. Diese Teilnehmer-Karte hat fünfzig Pfennig gekostet. Und da steht: ‚Erstes Treffen der NSDAP am Hermann.‘ Also ein halbes Jahr vor der Machtergreifung. Die Karte in ihrer Art fällt natürlich sofort ins Auge: Nur die Figur des Hermann. Und hinter dem Herman in Rot: Übergroß: Das Hakenkreuz."

Postkarten mit der Nazi-Symbolik hat Wilfried Mellies einige im Sortiment. War ihm lange Zeit mulmig dabei. Anfangs machte er auf den Flohmärkten, die er am Wochenende mit seiner Frau besuchte, immer einen weiten Bogen um die "braunen Karten". Bis er sich eines Tage eines Besseren besann.

"Als ich irgendwann zu meiner Frau sagte: ‚Du! Ich beachte das aus dem Dritten Reich gar nicht, das ist verkehrt. Diese zwölf Jahre hat es ja leider gegeben. Also will ich sie auch dokumentieren. Dann habe ich auch wirklich intensiv gesehen, dass ich solche Karten auch mitgenommen habe."

Groß an die Glocke gehängt hat Wilfried Mellies das nicht. Mit irgendwelchen Ewig-Gestrigen, geschweige denn Neo-Nazis, will er nichts zu tun haben. Aber wie das halt so ist, wenn man Ortsvorsteher und Ratsmitglied, sprich: Kein Unbekannter ist – und einem auch noch der Ruf vorauseilt, kein Blatt vor den Mund zu nehmen: Das mit seiner Sammlerleidenschaft, der Hermannschen, hat mit der Zeit die Runde gemacht; im Dunstkreis des Denkmals.

"Ich habe erst vor wenigen Tagen eine Anfrage gehabt eines Verlages, in diesem Fall aus Paderborn: Die wollen für Abiturienten einen Schulband drucken. Fach Geschichte muss das sein. Die wollen aus meiner Sammlung sehr interessante und aussagekräftige Ansichtskarten abdrucken. Ob das der Zweite Weltkrieg war. Oder Weimarer Zeit. Drittes Reich. Da sehen sie den Hermann in den Wolken, ein großes Hakenkreuz mit der Unterschrift: ‚Unser die Zukunft. Durch Kampf zum Sieg.‘ Irgend so ein Spruch von Adolf Hitler."

Das kommt nicht von ungefähr.

"Es gab am Hermannsdenkmal in der Gaststätte ein sogenanntes Führerzimmer. Ein Raum, nur eingerichtet mit Dingen, die mit der Nazi-Symbolik zu tun haben. Adolf Hitler ist 1926 am Hermannsdenkmal gewesen, als in Deutschland kaum einer wusste, wer Adolf Hitler war. Aber: Der damalige Besitzer der Gaststätte, der hing dieser Ideologie an. Und hat den damals schon hofiert. Hat Einträge von ihm machen lassen. Und über diese Einträge hat er nachher Postkarten nach ’33 produzieren lassen. Mit den Texten von Adolf Hitler im Gästebuch vom Hermann. Ist schon verrückt, wenn man das alles sieht."

Aus dem Führerzimmer wurde eine Toilette
Die braune Vergangenheit der Gaststätte am Hermanns-Denkmal ist auch Guido Röcken ein Begriff. Der drahtige Mann mit dem Drei-Tage-Bart leitet seit zwei Jahren die Gastronomie hier. Es war ein offenes Geheimnis, dass Sauer, der erste Pächter, ein eingefleischter Nazi war. Nach dem Zweiten Weltkrieg verschwand er von der Bildfläche. Sein Nachfolger machte aus dem Führerzimmer passenderweise: Eine Bedürfnis-Anstalt.

Roecken: "Das ist Fakt. Dass man da nichts Besseres draus machen konnte als die Toilettenanlagen. Braunes Zimmer!"

Kann man sich heute noch anschauen – genau wie das Treppenhaus rechts vom "braunen Zimmer".

"Ja! Mach mal einmal eben die Tür auf."

"Das darf aber normalerweise keiner sehen."

Das ist das gusseiserne Treppengeländer hoch zur Dienstwohnung von Manja Peckers. Die gute Seele der Grotenburg, eine gebürtige Kroatin, lebt dort schon seit einer halben Ewigkeit samt Ehemann und Sohn.

"Mir ist das in den ersten paar Jahren gar nicht aufgefallen. Da habe ich gar nicht drauf geachtet. Bis mein Chef mir das erzählt hat nach drei Jahren."

Was da bei näherem Hinsehen auf dem Treppengeländer zum Vorschein kommt.

"Ich sag: Was?! Guck dir das genau an! So richtige Hakenkreuze. Und ich habe viele ältere Gäste gehabt, Lipper, wo die hier noch kamen. Und gefragt haben: Darf man noch einmal das schönste Treppenhaus sehen?"

Die Zeiten sind Gott sei Dank vorbei – auch wenn die Gäste heutzutage bisweilen immer noch Suchende sind.
"Wir suchen das Feuer."

"Ja. Wir auch."

Sie bekommen einiges geboten heute, am Fuße des Hermannsdenkmals: Die Besucher. Lagerfeuer-Romantik beispielsweise.

Mann: "Jetzt ist die Frage: Kommen wir hier rum? Oder kommen wir da hoch? Hinten ist Feuer. Also, wir können es hier über diesen Pfad versuchen."

Frau: "Komm! Wir probieren’s! Ja. Das ist abenteuerlich hier."

Für die 30 Lehrer und Lehrerinnen von der Realschule Eins in Detmold, auf ihrer Betriebsfeier.

"Was ich für nen Bezug zum Hermann habe?"

Stellt sich Geschichtslehrerin Sonja Wegener vorbildlicherweise die hier oben alles entscheidende Frage.

"Bezug zum Hermann? Geschichtlich orientiert. Nachher kriegen wir eine Abmahnung, als Geschichtslehrer, was wir hier erzählen."

Das wäre natürlich fatal. Aber vielleicht kann ja Kollege Krüger einem auf die Sprünge helfen – Hermann-technisch.

Krüger: "Keine Ahnung. Bin Preuße. Bin noch nicht lange hier. Die Lokalgeschichte, die muss ich noch ein bisschen lernen."

Allerdings. Wobei:

"Gibt’s da nicht ein schönes Studentenlied? Als die Römer frech geworden: Simse Rim Sim Sim?! Und so weiter?!"

Roecken: "Dass hier natürlich die Römer verhauen wurden – das hat man vorher irgendwo auch schon mal gehört."

Hermann wurde zur Marke für die ganze Region
Kontert der Chef auf der Grotenburg, Guido Roecken. Er hat ja auch andere Sorgen. Hauptsächlich: Genügend Touristen anzulocken. Die Zeiten, als das Wilhelminische Monumentaldenkmal aus Sandstein ein touristischer Selbstläufer war und bis zu zwei Millionen Schaulustige auf den Spuren Hermanns wandelten, sind vorbei. Bei 500.000 hat sich die Besucherzahl eingependelt.
"Das reine Denkmal hat an Attraktivität scheinbar doch verloren. Wir müssen hier oben mehr machen als nur von 10 bis 18 Uhr den Biergarten aufschließen. Und hoffen, dass schönes Wetter ist und genug Touristen kommen."

Den Worten hat der neue Pächter Taten folgen lassen.

"Kletterpark. Waldbühne. Denkmal. Gastronomie. Grillplatz. Bogenschießplatz. Mit dem Alleinstellungsmerkmal: 386 Meter über Normal Null."

Jetzt geht es langsam wieder aufwärts mit dem Hermannsdenkmal. Die Publicity war nicht die schlechteste die letzten Jahre. Schließlich ist der Namensgeber des Denkmals inzwischen zur Marke für die gesamte Region geworden: "Land des Hermann" – damit wirbt der Kreis Lippe seit der 2000-Jahr-Feier der Varus-Schlacht vor vier Jahren für sich. Quasi als Alleinstellungs-Merkmal. Gut fürs Image. Vom Lipperland. Und seinem etwas in die Jahre gekommenen Säulenheiligen. Das findet auch Wilfried Mellies in seinem Büro unterm Dach, wo sich die Aktenordner und Kartons mit dem Konterfei des Hermann nur so türmen.

"Heute ist es glücklicherweise ein touristischer Anziehungspunkt. Und niemand, der da oben zum Hermann hoch fährt und sich den Hermann anguckt, guckt ihn an mit irgendwelchen nationalen Augen."

Niemand?

"Es hat tatsächlich in den 70er-Jahren ab und zu wirklich ein paar Gruppen aus dem rechten Lager gegeben, die da oben unbedingt meinten, hingehen zu müssen. Dann hat es aber auch linke Gruppen gegeben: Der Gewerkschaftsbund hat da oben öfters Banner entrollt. Oben, direkt unter der Figur. Und hat auf irgendwelche Missstände hingewiesen."

Radikale Linke wollten das Denkmal wegbomben
In den 70ern. Lange her. Seitdem ist es still geworden um den "Befreier der Germanen". Nur Ende der 90er war es kurzzeitig mit der Ruhe vorbei.

"Es gibt tatsächlich einen Aufkleber, den fand man vor 12, 15 Jahren an mehreren Geschäften, glaub ich: Da hatte so eine Linksaußen-Gruppe einen Hermann drauf, mit Bomben, so dass er hochgebombt werden sollte. Entsprechender Text war auch da drunter. Durch Zufall komm ich in irgendeinen Laden rein und der Besitzer sagt: ‚Mensch, Herr Mellies! Gucken sie mal, was ich hier heute an meiner Tür gefunden habe.‘ Ich sach: Her damit! Nachher hab ich noch vier oder fünf gefunden, die sind in meiner Sammlung natürlich auch vertreten. Ich sammle natürlich aktuell: Egal, was für Aussagen! Aus welchem politischen Lager die auch kommen. Ich dokumentier ja hier das Hermannsdenkmal. Also gehört da auch alles rein."

In die Sammlung über den Ur-Germanen lippischer Prägung. Und so wird Wilfried Mellies weiter stöbern, auf Flohmärkten und in den Weiten des World Wide Webs, auf der Suche nach Spuren seines Alter Egos.

"Natürlich: Als Sammler, der auch nu schon Rentner ist, denkt man darüber nach: Was passiert dann da mal mit? Auch darüber haben meine Frau und ich uns Gedanken gemacht. Und wir sind jetzt ganz aktuell auch dabei, mit dem Landesverband Lippe, der ja das lippische Vermögen verwaltet...ich hab ja eine Hermannsdenkmal-Sammlung nicht nur mit Belegen, mit Ansichtskarten, sondern auch mit Glas, Porzellan, Erinnerungsstücken, Kitsch und Kunst, was man sich ja vorstellen kann. Die Dinge, die gehören eigentlich ins Museum. Und alles, was aus Papier ist, gehört in die Bibliothek."

Man muss sich also keine Sorge machen um des Hermanns Erbe.
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