"Wir haben das gestartet als kleines Hobby-Unternehmen"

23.03.2011
Elke Heidenreich, Senta Berger und André Heller träumen von Musik, Donna Leon spricht über Händel und Tiere und Dietmar Bär und Bastian Pastewka lesen Kafkas "Verwandlung": die 11. LitCologne ist in vollem Gang. Einer ihrer Gründer ist Werner Köhler.
"Sehr gut läuft es, wir sind froh, weil bisher alle Veranstaltungen gut funktioniert haben, so wie wir es ausgedacht haben und auch ausgemalt haben, man kann ja vieles vorbereiten, aber am Ende muss es sich ja erweisen, wenn das Publikum im Saal ist und da sind wir sehr zufrieden bisher."

Werner Köhler sitzt in einem kreisrunden Hotel in Köln, das früher einmal ein Wasserturm gewesen war. Dieses Wasserturm-Hotel aus dunklen Klinkern ist jetzt so etwas wie das Hauptquartier der LitCologne. Anders als Leipzig oder Frankfurt, wo es um Geschäfte geht, ist die LitCologne keine Büchermesse, sondern sie ist ein Fest der Literatur mit über 160 Veranstaltungen, das größte Festival für Bücher in Deutschland.

"Wir haben das gestartet als kleines Hobby-Unternehmen mit viel Hoffnung im Gepäck und mit dieser Idee, ein Festival zu machen, was es ja für Literatur in Deutschland nicht gab, das haben wir halt auf die Strecke gebracht, und dass es so gut funktionieren würde vom Jahr an, das war nicht zu erwarten, und dass es sich so entwickelt hat, war noch weniger zu erwarten."

Im Konferenzraum des runden Hotels sitzt er nun ganz entspannt. Die LitCologne ist in vollem Gang, aber ihr Macher hat die Ruhe weg. Köhler trägt einen Drei-Tage-Bart, dunkle, volle Haare und hat eine kräftige, sportliche Figur.

Köhler wurde 1956 in Wittlich in der Nähe von Trier geboren, sein Vater war Bäcker und der Familienhaushalt nicht von der Art, dass Sohn Werner zum Literaten geboren wurde.

Seine Berufsbiografie begann er mit einer dramatischen Geste der Verweigerung – wenige Monate vor seinem Abitur brach er die Schule ab.

"Ich war es satt irgendwie, ich war kein guter Schüler, ich hab irgendwann den Anschluss auch verpasst ... und ich wollte in keinem Fall studieren und wollte mir diesen Weg selbst verbauen auch noch - ich hatte einfach einen Überdruss an Schule."

Werner Köhler wurde Buchhändler und stieg auf zum Geschäftsführer einer der größten Buchhandlungen in Köln. Im Jahr 1999 – Köhler war Anfang 40 - war auf einmal Schluss.

"Ich war in Ferien, hatte bis zur letzten Sekunde in meinen Beruf noch ziemlich hart gearbeitet, dann wurde mir plötzlich schwindelig und ich sah nichts mehr. Ich konnte nicht mehr sehen. Und ich konnte mich dann auch wenige Stunden später nicht mehr bewegen, ich konnte nicht mehr aufstehen, ich konnte nicht mehr gehen."

Nach 20 Jahren im Beruf hatten Körper und Geist massiv signalisiert, dass es so nicht mehr weiter gehen könne.

"Das hat dann sich schnell etwas gebessert, aber nicht wirklich gebessert. Ich glaube, ich war an einen Endpunkt gekommen, einem Endpunkt des Laufens und Rennens und Machens und Tuns."

Sechs Wochen passierte gar nichts, dann ging Köhler wieder arbeiten, bis er dann nach wenigen Monaten seinen Job kündigte. Mit den Ursachen und den Folgen des Zusammenbruchs musste sich der Patient Köhler noch jahrelang beschäftigten.

"Das war 'ne schwere Zeit, aber ich würde im Rückblick immer sagen, ich hab noch nie mit Bedauern zurückgeguckt, dass das passiert ist, obwohl es mir wahnsinnig schlecht ging und es mir ganz schwer war. Aber es war eine gute Zeit und was daraus entstanden ist, ist einfach nur großartig für mein Leben."

Einmal aus der Bahn geworfen, - oder wie Werner Köhler es formuliert hat - "vor die Wand gelaufen", musste er sein Leben neu zurecht rücken, ein hartes Stück Arbeit für ihn und seine Frau.

"Die Idee hieß, ich höre auf, ich hatte nichts wirklich Konkretes, ich hab einfach nur gesagt, ich kann so nicht weitermachen."

Es gab ein denkwürdiges Eisessen mit seinem Freund Rainer Osnowski, bei dem der entscheidende Anstoß kam.

"Osnowski stellte in den Raum, ob ich nichts mitnehmen wollte aus meiner bisherigen Tätigkeit und ich sagte 'Nein' und er sagte 'Aber die Veranstaltungen haben dir doch Spaß gemacht ...' und ich hab gesagt 'Ja, die waren schon okay, das war schon gut, aber man könnte sie ganz anders machen, man könnte sie viel spannender machen' und dann kam ich irgendwie ins Erzählen und er war dann der, der nicht mehr locker ließ und sagte 'Dann machen wir das genau so'."

Und so wurde die Idee von der LitCologne geboren, dem großen Kölner Buchfest. Nun könnte man aber denken, dass – wenn jemand einen Zusammenbruch hinter sich hat, der auf eine übergroße Arbeitsbelastung zurückgeht –dass es kein guter Plan ist, sich wieder eine große Managementaufgabe vorzunehmen.

"Richtig, daraus lernt man, dass es nicht um die Arbeit geht, sondern um das Wie von Arbeit, um die Umgebung, in der man arbeitet."

Die Schule geschmissen, Buchhändler gewesen, 100 Kochshows im Fernsehen gemacht und dann aufgehört, -

"Ich hatte keine Lust mehr – es war mir zu langweilig."

Kochbücher geschrieben und verlegt, dann der abrupte Stopp.

Nach den Kochbüchern hat seine Lektorin ihm gesagt, er solle doch mal "was Richtiges" schreiben. Köhler, der nicht ungern Anstöße von anderen aufgreift, war anfangs zögerlich, sehr zögerlich –

"... aber dann, als ich mich hingesetzt habe, und diese Lektorin nicht locker ließ, das war ein Moment, den würd' ich als glücklich bezeichnen wollen."

Nach sechs Romanen bislang (davon drei Krimis) wird es wohl weitere geben und auch das Festival LitCologne, das Köhler mit zwei Partnern und vielen Mitarbeitern in monatelanger Arbeit auf die Beine stellt, hat noch etliche Jahre vor sich. Jetzt ist er Mitte 50 - mit 67 auszusteigen und auf Rente zu gehen ist für Werner Köhler eine – wie er sagt – "Horrorvorstellung".

"Vielleicht noch ein bisschen weniger als jetzt, aber dann so immer weiter machen können, das fänd' ich sehr schön und erstrebenswert."