"Wir erwarten, dass die Tschechen Wort halten"

Hans-Gert Pöttering im Gespräch mit Birgit Kolkmann |
Bevor Tschechien im Januar 2009 die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, erwartet Hans-Gert Pöttering, Präsident des Europäischen Parlaments (CDU), eine zügige Ratifizierung des Reformvertrags durch Ministerpräsident Mirek Topolanek. "Die Tschechen haben den Vertrag unterschrieben, und wir erwarten jetzt auch, dass sie Wort halten", sagte der CDU-Politiker.
Birgit Kolkmann: Die Iren haben im Juni die Europäische Union in eine veritable Krise gestürzt, als das Referendum über den Reformvertrag von Lissabon scheiterte. Wahrscheinlich werden sie ein zweites Mal abstimmen, und jetzt stehen die Zeichen auf grün für Lissabon. Aber Wackelkandidat Nummer zwei ist Tschechien. Auch Prag hat den Vertrag noch nicht ratifiziert. Das Verfassungsgericht hat jetzt den Weg dafür im Prinzip freigemacht. Es hält den Lissabon-Text für verfassungskonform.

Doch Ministerpräsident Topolanek, der im Januar den EU-Ratsvorsitz von Frankreich übernimmt, ist in einer Zwangslage. In seiner Partei wird er von den Europaskeptikern - allen voran Präsident Vaclav Klaus - unter Druck gesetzt. An diesem Wochenende könnte es heiß hergehen beim Kongress der Regierungspartei ODS. In Prag wird dann auch EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering von der CDU dabei sein. Er ist schon dort angekommen. Guten Morgen, Herr Pöttering.

Hans-Gert Pöttering: Guten Morgen, Frau Kolkmann.

Kolkmann: Hatten Sie schon Gelegenheit, mit dem Ministerpräsidenten zu sprechen?

Pöttering: Ja. Wir sind gestern - wir, das heißt die Fraktionsvorsitzenden und ich - mit dem Ministerpräsidenten Mirek Topolanek zusammengekommen und mit den meisten Ministerinnen und Ministern seiner Regierung und wir hatten ein sehr offenes Gespräch und wir haben unseren Erwartungen Ausdruck gegeben, dass wir natürlich auch von einer Ratspräsidentschaft erwarten, dass der Lissabon-Vertrag, der Reformvertrag bald ratifiziert wird.

Kolkmann: Glauben Sie, dass das noch in diesem Jahr passieren kann?

Pöttering: Nein. Er hat gesagt, in diesem Jahr könne es nicht mehr geschehen. Aber wir haben dann gesagt, dass wir erwarten, dass es schnell im neuen Jahr geschieht. Wir werden auch heute mit dem Parlamentspräsidenten zusammentreffen. Denn eine Präsidentschaft, die im Namen der Europäischen Union spricht und handelt, muss natürlich auch ihren Beitrag leisten, damit das größte Reformvorhaben, vor dem wir stehen, der Reformvertrag, auch verwirklicht wird.

Kolkmann: Sie sagen, sie wollen schnell eine Entscheidung haben. Ob die aber noch in diesem Jahr fällt oder Anfang des nächsten Jahres, da liegt ja so viel Zeit nicht mehr dazwischen. Warum sträubt sich Topolanek so sehr dagegen, das jetzt ins Parlament zu bringen?

Pöttering: Ich glaube, er hat Schwierigkeiten, was Sie ja auch in Ihrer Kommentierung schon angedeutet haben. In seiner eigenen Partei muss er wiedergewählt werden, und er hat einen Herausforderer, den Oberbürgermeister von Prag, der politisch sehr nahe beim Präsidenten der Republik steht, und der letztere ist ja nicht gerade für eine Euphorie gegenüber der Europäischen Union bekannt.

Kolkmann: Kann es denn sein, dass die Tschechen vielleicht noch Zugeständnisse haben wollen, um eine Ratifizierung dann durchzubekommen?

Pöttering: Nein, das glaube ich nicht, denn das Verfassungsgericht hat ja ohne jede Einschränkung gesagt, dass der Lissabon-Vertrag mit der tschechischen Verfassung übereinstimmt. Bisher haben wir auch hier in Tschechien nicht gehört, dass gewisse Dinge ihnen nicht gefallen, sondern bisher sind wir ja immer davon ausgegangen, dass alles, wozu sich die Regierung verpflichtet hat, auch übernommen wird.

Ein Prinzip gilt in der Europäischen Union, und das ist, wenn Sie so wollen, ein heiliges Prinzip: Wenn man sein Wort gegeben hat, dann muss man zu seinem Wort stehen. Die Tschechen haben den Vertrag unterschrieben. Mirek Topolanek, der Ministerpräsident, hat ihn unterschrieben und wir erwarten jetzt auch, dass die Tschechen Wort halten.

Kolkmann: Nun bleibt aber auch der Präsident Vaclav Klaus bei seinem Nein, wenn die Iren zum Beispiel nicht unterzeichnen. Was würde denn das bedeuten?

Pöttering: Die Position des Staatspräsidenten ist ja eine ganz besondere und die möchte ich auch überhaupt gar nicht kommentieren. Entscheidend ist, dass der Vertrag ja durch die beiden Parlamente, das heißt durch das Abgeordnetenhaus, durch den Senat, ratifiziert werden muss. Wenn das geschieht, dann ist, jedenfalls wie man mir gesagt hat, der Präsident verpflichtet, den Vertrag zu unterschreiben.

Kolkmann: Werden Sie auch mit dem Staatspräsidenten an diesem Wochenende in Prag sprechen?

Pöttering: Ja. Wir sehen heute Morgen mit besonderer Erwartung dieser Begegnung entgegen.

Kolkmann: Welchen Einfluss haben Leute wie Sie zum Beispiel bei einem Hardliner in Sachen Europa wie Klaus?

Pöttering: Ich weiß nicht, ob es bei so festgelegten Positionen überhaupt noch um einen Einfluss geht. Meine Erfahrung ist in der Europapolitik, dass man sehr offen miteinander sprechen muss, und wenn es dann unterschiedliche Positionen gibt, dann muss man das respektieren. Am Ende wird es dann aber so sein, wenn die beiden Parlamente ratifizieren, dass der Präsident dann unterschreiben muss.

Kolkmann: Wie erklären Sie sich überhaupt diese Gegnerschaft zu Europa beim Staatspräsidenten?

Pöttering: Das liegt in der Persönlichkeit des Staatspräsidenten. Er hat eben ein bestimmtes Bild von Europa, was nach meiner Betrachtung nicht ganz der Realität gerecht wird. Vor allen Dingen ist es ja wichtig, dass wir als Europäer gemeinsam handeln. Wir haben ja als Europäer nur eine Chance, unsere Interessen und unsere Werte in der Welt zu vertreten, wenn wir es gemeinsam tun. Ob es die Frage des Klimawandels ist, die Finanzsituation, ob es die Ausweitung von Nuklearwaffen ist, alles dieses sind Fragen, die die Europäer nur gemeinsam lösen können.

Der Staatspräsident leugnet ja sogar den Klimawandel; also das spricht ja schon für sich. Wir bleiben dabei, dass wir ein starkes, handlungsfähiges, demokratisches Europa wollen, weil wir nur so eine Chance haben, unsere Interessen und Werte zu vertreten.

Kolkmann: Wird Tschechien vor dem Hintergrund dieser Kritik und dieser Skepsis auch ein schwieriger Kandidat für den EU-Ratsvorsitz ab Januar?

Pöttering: Wir sind immer positiv und von Hoffnung geleitet. Das tschechische Volk ist sehr proeuropäisch und das hilft ja sicher auch dem Ministerpräsidenten Topolanek, der im Prinzip guten Willens ist. Er ist in einer schwierigen politischen Situation, aber da das tschechische Volk mit einer großen Mehrheit proeuropäisch ist, schafft dieses hoffentlich auch für die Ratspräsidentschaft ein positives politisch-psychologisches Umfeld.

Kolkmann: Das war EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering von der CDU im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen dafür, Herr Pöttering.

Pöttering: Ich danke Ihnen, Frau Kolkmann.