Winterschwimmen

Extremsport im Wasser

Die Winterschwimmerinnen Martina Hübsch (links) und Ingelore Launert (rechts) steigen nach einem Training aus der kalten Ostsee an den Strand in Boltenhagen
Die Winterschwimmerinnen Martina Hübsch (links) und Ingelore Launert (rechts) steigen nach einem Training aus der kalten Ostsee an den Strand in Boltenhagen © dpa / picture alliance / Jens Büttner
Von Silke Hasselmann · 28.02.2016
Bei den Winterschwimmern darf das Wasser nicht wärmer als vier Grad Celsius sein. Anfang März finden die Weltmeisterschaften im sibirischen Tjumen statt - auch zwei Frauen aus der Nähe von Wismar trainieren dafür bei idealen winterlichen Bedingungen.
Auf dem Weg zur Badeanstalt am Neukloster See. Hier bereiten sich Ingelore Launert und Martina Hübsch auf die Winterschwimm-Weltmeisterschaft im sibirischen Tjumen vor. Das Wasser darf nicht wärmer als 5 Grad Celsius sein. Also scheinen die Trainingsbedingungen an diesem Februarnachmittag perfekt zu sein: 3 Grad Lufttemperatur nach frostiger Nacht. Windstill. Strahlend blauer Himmel.
"Ja, die Sonne hat schon ganz schön Kraft. Allerdings ist genau da, wo wir sonst die Zeit messen beim Schwimmen, Eis."
… sagt die 58-jährige Lehrerin Martina Hübsch. Und ihre Freundin erinnert sich an ein einschneidendes Erlebnis:
"Wir sind bei Eisbrei baden gegangen und haben das nicht gemerkt durch die Kälte. Sind wir rausgekommen und haben uns die ganzen Beine aufgeschnitten. Da muss man vorsichtig sein."
"Ja, das Eis ist scharf wie Rasierklingen, gerade weil es so dünn ist. Dicke Eisschollen würde man beiseiteschieben. Also wir haben schon überlegt, vielleicht an der Seite, da ist ja ein bisschen eisfrei. Da können wir reingehen. Wir können heute keine Zeitstoppung machen, schade. Aber…"
"…ja, schwimmen können wir trotzdem. Der Effekt ist ja trotzdem da. Die Kälte ist ja das Wichtigste für uns!"
Während sich die schlanken Damen bis auf ihre Badeanzüge ausziehen, berichten sie über ihre Bestzeiten in der aktuellen Wintersaison. Ingelore Launert, die in der Altersklasse 60 bis 65 starten wird:
"Ich schwimme die 25 Meter in 27,5 Sekunden, und das ist schon 'ne Steigerung um 5 Sekunden, seit wir angefangen haben zu trainieren."
"Wann haben Sie angefangen?"
"Im September."
"Meine 50-Meter-Strecke ist meine favorisierte. Da schwimme ich so um die 1:05 Minuten. Das klingt vielleicht ein bisschen langsam. Aber im Eiswasser muss man das erstmal hinkriegen."
Und schon starten sie wie bei einer Weltmeisterschaft.
"Sollen wir?" - "Ja." - "Und los!"
Dort hat jede Bahn eine Startleiter, von der sich Schwimmer abdrücken. Kopfsprünge oder Tauchen sind streng verboten, auch nach einer Wende:
"Oh, manchmal frage ich mich auch, warum mache ich das?"
Hier ist Brustschwimmen die Fortbewegungsart der Wahl, und die Frauen halten sich dicht am Steg, können aber schon bald ihre Arme nicht mehr so richtig seitlich ausfahren - das Eis kommt in die Quere:
"Guck mal da, wie das Eis platzt!" - "Schön kalt..." - "Oh ja."

Winterschwimmen ist im Osten populär

In Sibiriens Hauptstadt wird in Brust und Freistil gestartet. Die längste Strecke: 450 m Freistil. Dazu kommen jeweils 4 x 25 m gemischte Staffeln. Neoprenanzüge und -socken sind ebenso untersagt wie wärmespeichernde Crèmes:
"Das ist nicht jedermanns Sache, aber wer es einmal gemacht hat, der lässt es auch nicht wieder." - "Nee!" - "Sollen wir raus?" - "Ja."
Nach 69 Sekunden im Wasser geht es barfuß zurück zum Ufer und Bademantel mit dem Aufdruck "Rostocker Seehunde". Das ist der Name des mit 90 Mitgliedern größten deutschen Winterschwimmvereins. Auch die anderen Vereine befinden sich nahezu ausschließlich in Ostdeutschland: etwa in Plauen, Pirna, Berlin, Brandenburg, Leipzig. Apropos:
"Vor zwei Jahren ist 'ne Deutsche Weltmeisterin geworden und ich hab leider lesen müssen, dass die dieses Jahr wieder dabei ist. Deswegen trainiere ich ja auch so doll (lacht). Das spornt ja auch an, ne." - "Die kommt woher?" - "Aus Leipzig, von den 'Leipziger Pinguinen'".