Willkommenskultur - Teil 4

Gastfreundschaft mit einer Schale Äpfel

Ein Apfel der Sorte Elstar hängt an einem Zweig auf einer Plantage bei Braunschweig. Nachdem die frühen Sorten im August von den Bäumen geholt worden sind, beginnen die Bauern und Plantagenbesitzer im September mit der Haupternte der Sorten Elstar, Holsteiner Cox und Jonagold.
Ein paar Äpfel aus dem eigenen Garten verschenken - so einfach kann Gastfreundschaft sein. © picture alliance / dpa / Peter Steffen
Von Gila Lustiger · 15.01.2015
Im Englischen gibt es für "Willkommenskultur" kein Wort. Stattdessen wird vor allem in den USA eine ganz pragmatische Gastfreundschaft gepflegt, berichtet die Autorin Gila Lustiger in ihrem "Originalton".
Was bedeutet das denn - Willkommenskultur?
In den Anmerkungen der Bundeszentrale für politische Bildung wird erklärt, dass jemanden "willkommen heißen" eine freundliche Art umschreibt, jemanden zu begrüßen, zu empfangen oder gar aufzunehmen. Und dass dementsprechend unter "Willkommenskultur" eine Art der Begrüßung oder des Aufnehmens verstanden werden kann.
Vor ein paar Jahren lehrte ich ein ganzes Gasttrimester lang an einer Uni in einem amerikanischen Universitätsstädtchen. Ich war gerade frisch eingezogen und war dabei mir Mittagessen zu kochen, als an meiner Haustür geklingelt wurde.
Ich kannte noch keinen und ging misstrauisch aufmachen.
"Sie sind die Neue, nicht wahr?", fragt eine Dame mittleren Alters.
Ich nickte.
"Ich bin von Gegenüber", erklärte sie und reichte mir dann eine Schale mit Äpfeln. "Die sind aus unserem Garten."
Ich kann mich nicht mehr an meine Nachbarin erinnern. Dafür aber an ihre Äpfel. Ich habe sie in der Küche auf der Fensterbank wie kleine Soldaten aufgereiht und sie haben mit ihrem Duft wochenlang meine ganze Wohnung parfümiert.
Im Englischen gibt es für "Willkommenskultur" kein Wort. Und selbst wenn es dafür eins gäbe, so hätte die Frau, die mir damals die Äpfel schenkte, nur verständnislos mit den Schultern gezuckt, hätte ich ihr verkündet, dass sie ein ganz wunderbares Praxisbeispiel abgeben würde, zum Beispiel für die Broschüre der deutschen Arbeitgeberverbände.
Vielleicht hätte ich sie überzeugen können, dass ihre Äpfel ein Zeichen von Gastfreundschaft sind. Ein Wort, das, ganz nebenbei erwähnt, von der "Willkommenskultur" komplett aus dem Sprachgebrauch verdrängt worden ist. Aber sehr wahrscheinlich hätte sie nur gesagt:
"Gastfreundschaft? Wieso Gastfreundschaft? Das sind doch nur Äpfel."
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