"Willkommen" am Düsseldorfer Schauspiel

Vorhersehbar und voller Klischees

Von Ulrike Gondorf · 04.02.2017
Das Stück "Willkommen" von Lutz Hübner und Sarah Nemitz dreht sich um eine WG, die eine Flüchtlingsfamilie bei sich einquartieren will. Sönke Wortmann hat es am Düsseldorfer Schauspiel inszeniert – mit vielen Gags und wenig Tiefgang.
Die Bombe platzt auf dem Esstisch in der Wohnküche. Die WG hat zusammen gekocht und Benny holt aus zur Grundsatzfrage: Der Unidozent ist auf dem Abflug in ein Austauschjahr in New York. Und da wäre es doch ganz toll, wenn er sein Zimmer weitergeben könnte an eine Flüchtlingsfamilie aus der Unterkunft, in der er ab und zu mithilft. Natürlich nur, wenn alle einverstanden sind.

Eine Diskussion mit viel Druck im Kessel

Das ist eine Versuchsanordnung, die es in sich hat, der Härtetest für die aufgeklärte, humane, linskliberale und soziale Weltanschauung, zu der sie sich natürlich alle bekennen: Sophie, die engagierte Fotografin, Doro, die Angestellte, Jonas, der angehende Banker und Sophie, die esoterisch angehauchte Studentin. Integration – selbstverständlich. Aber hier bei uns?
Es folgen 80 Minuten erregte Diskussionen, der Druck im Kessel steigt. Keiner kann so einfach weg aus dem gemeinsamen Leben, jeder muss sich verhalten zu den Erwartungen, die die anderen an ihn haben. Jeder hat Gründe, die dagegen sprechen. Nicht die Gründe der Pegida-Demonstranten, sondern nachvollziehbare, achtbare, emanzipatorische. Was gar nichts dagegen ausrichtet, dass sich jeder schlecht dabei fühlt und eine schlechte Figur macht. Die Falle, in der sich die deutsche Gesellschaft zur Zeit befindet zwischen dem eigenen moralischen Anspruch und pragmatischem Egoismus haben die Autoren Lutz Hübner und Sarah Nemitz präzise nachgebaut. Nur einer leistet sich noch Idealismus: Benny, der sich gerade davonmacht und die Folgen seines schönen Plans nicht mittragen muss.

Die Geschichte bleibt unter dem Potenzial

Allerdings ist die Versuchsanordnung besser als die Geschichte, die die Autoren daraus entwickeln können. Die ist sehr vorhersehbar und voller Gutmenschen-Klischees – inklusive des natürlich effektvollen, aber auch irgendwie erwartbaren Gegenentwurfs: ausgerechnet der türkische Freund der Studentin hat überhaupt kein Problem mit fremdenfeindlichen Sprüchen. Sonja Beißwenger, Cathleen Baumann, Yohanna Schwerdtfeger, Moritz Führmann, Sebastian Tessenow und Serkan Kaya sind eher Typen und Thesenträger als richtige Menschen. Die zweite Ebene der persönlichen Beziehungen und Konflikte, die im Stück das Flüchtlingsthema konterkariert, nutzen sie nicht für eine psychologische Verankerung der Figuren. Und auch Regisseur Sönke Wortmann, der "Frau Müller muss weg" vom selben Autorenduo zuletzt zu einem großen Erfolg auf der Bühne und im Kino gemacht hat, legt auf solche Differenzierung offenbar keinen Wert.
Was ihm und seinen Darstellern gut gelingt, ist das Komödientiming und die Pointensicherheit der Dialoge. Es wird viel gelacht in der Düsseldorfer Aufführung. Und eigentlich lohnt das ja schon das Stück: ein Thema, das sonst düstere Propheten auf den Plan ruft, die wahlweise den Untergang des Abendlands, der Demokratie, des Rechtsstaats oder des Wohlstands heraufbeschwören, erlebt man als Komödie. Das heißt, aus der Distanz, mit klarem Kopf und mit Vergnügen an den Widersprüchen, die einen sonst beängstigen.
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