Haftpflichtversicherung

Geburten sind für Hebammen zu teuer

Eine Hebamme im Geburtshaus in Oldenburg
Für viele bald nicht mehr bezahlbar: Eine Hebamme untersucht in Oldenburg den Bauch einer werdenden Mutter. © picture alliance / dpa / Foto: Thorsten Helmerichs
Von Sarah Zerback · 03.08.2015
Freiberufliche Hebammen können sich eine Geburt oft nicht mehr leisten. Für Geburtshilfe müssen sie inzwischen 500 Euro pro Monat an die Berufshaftpflichtversicherung zahlen. Die springt im Schadensfall ein. Bleibt die Regierung untätig, haben Eltern ein Problem.
Behutsam legt Marianna Zech die Hände auf den Bauch der jungen Zweifachmutter, um die Gebärmutter zu ertasten. Der anderthalbjährige Matz verfolgt jede Bewegung der Hebamme mit großen Augen, kuschelt sich neben seine Mutter auf das Sofa in der hellen Altbauwohnung im Kölner Süden. Sie ist eine von rund 40 Frauen, die die 30-jährige Hebamme pro Jahr betreut.
Marianna Zech: "Das ist eine junge Familie, die haben vor dreieinhalb Wochen ihr zweites Baby bekommen, ein kleiner Junge, der heißt Liu, ist in der Badewanne im Geburtshaus geboren, alles gut verlaufen, der Familie geht es sehr gut. Der Vater geht jetzt auch wieder arbeiten, die Mutter ist jetzt mit beiden Kindern allein zuhause und wurschtelt sich da auch gut ein. Und tatsächlich gibt es da keine Schwierigkeiten, der trinkt gut, nimmt gut zu."
Autorin: "Da schauen Sie einmal die Woche dann vorbei?"
Zech:"Genau, also das Baby wird zwischendurch nochmal gewogen, bei der Frau gibt es tatsächlich gar nicht mehr viel zu beobachten. Es hat sich alles gut zurückgebildet, sie hat sich gut erholt. Tatsächlich geht es nach drei, vier Wochen eigentlich nur noch darum, dass natürlich immer noch neue Fragen anfallen, auch beim zweiten Kind."
Marianna Zech begleitet die Familien durch die komplette Schwangerschaft, die Geburt und auch noch einige Wochen darüber hinaus. Seit 2010 arbeitet die Hebamme freiberuflich im Kölner Geburtshaus.
Zech: "Also es ist definitiv mein Traumberuf und macht mich sehr, sehr glücklich und ich bin auch auf jeden Fall der Meinung, dass es sehr wertvoll ist, wenn man mit seinem Beruf zufrieden ist, das bin ich auch. Man kann auch davon leben, auch so wie ich jetzt arbeite eben, allerdings ist es durch die steigenden Prämien, durch die Berufshaftpflichtversicherung, die immer teurer wird, wird es auf jeden Fall schwieriger. Also man macht sich natürlich schon Gedanken, lohnt sich das noch, wieviel muss ich arbeiten, dass ich was verdiene. Jetzt sind das ja seit dem 1. Juli 2015 circa 500 Euro, die monatlich für die Haftpflichtversicherung gezahlt werden müssen.
Autorin: "Wieviel muss man denn dann arbeiten um das rauszubekommen - Wieviel Prozent sind das denn von Ihrem Verdienst?"
Zech: "Tatsächlich ist es schon so, dass wir eine Geburt pro Monat brauchen für eben die Versicherung."
Autorin: "Vier bis fünf machen Sie dann tatsächlich im Monat?"
Zech: "Ganz genau!"
Jeder fünfte Euro geht an die Versicherung
Für eine Entbindung im Geburtshaus bekommt sie von der Krankenversicherung ungefähr 600 Euro brutto, für eine Hausgeburt knapp 200 Euro mehr. Eine lebenswichtige Aufgabe – für die sie Monat etwa 2.500 Euro Brutto erhält. Das reicht zum Leben, wenn die Abgaben nicht immer weiter steigen würden. Allein jeden fünften Euro gibt Marianna Zech inzwischen an die Berufshaftpflichtversicherung ab. Die soll greifen, wenn es zu Komplikationen kommt bei den Babys.
Zech: "Es ist nicht so, dass mehr und mehr Schadensfälle entstehen, sondern dass eben die Kosten im Falle eines Schadens einfach sehr hoch sind. Die Medizin macht es einfach möglich, dass Betroffene, ja, lange überleben, was natürlich einfach hohe Kosten verursacht."
Autorin: "Musste die bei Ihnen schon mal einspringen, schon mal greifen, diese Versicherung?"
Zech: "Nein, glücklicherweise noch nicht."
Trotzdem ist Marianna Zech froh, gut abgesichert zu sein. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die sich allerdings längst nicht mehr jede ihrer Kolleginnen leisten kann; eine folgenreiche Entwicklung.
Zech: "Das Problem ist, dass durch die teuren Prämien, immer mehr Hebammen aufhören Geburtshilfe anzubieten. Tatsächlich haben in den letzten Jahren sehr viele Hebammen aufgehört, Hausgeburten anzubieten. Es haben sehr viele Geburtshäuser geschlossen in Deutschland. Leider. Und wir sind jetzt hier in Köln natürlich in einer großen Stadt, also hier ist die Versorgung noch relativ gut, aber tatsächlich in kleineren Städten oder ländlichen Gebieten ist es wirklich so, dass Frauen keine Hebamme bekommen. Und es betrifft auch gar nicht nur die Geburten, sondern auch schon die Betreuung in der Schwangerschaft und im Wochenbett, also dass Frauen wirklich Schwierigkeiten haben eine Hebamme zu bekommen und das ist wirklich dramatisch, dass die dann ohne Hebamme dastehen."
Autorin: "Wer könnte, wer müsste denn was tun, damit sich da was ändert oder damit sich das nicht weiter verschärft?"
Zech: "Also letztendlich ist es meiner Meinung nach Aufgabe der Regierung, dass die sich dafür einsetzt. Wir haben gerade in der letzten Zeit von den Familien, die ja letztendlich betroffen sind, sehr viel Unterstützung erfahren, also die haben sich wirklich ganz großartig eingesetzt, sind auf die Straße gegangen und haben ganz viele Aktionen gemacht, daran liegt es nicht. Sondern tatsächlich ist es einfach Aufgabe der Regierung."
Autorin: "Nun hat die Politik da ja noch keine finale Lösung gefunden, also bis jetzt ist die Entscheidung erst einmal vertagt worden, bis Mitte nächsten Jahres, bis dahin gelten die Verträge mit den Versicherern. Danach ist es noch unklar, wie es weitergeht, ob tatsächlich die Haftpflichtversicherung für Hebammen weiter gehalten werden kann. Machen Sie sich da Sorgen?"
Zech: "Das bewegt mich auf jeden Fall, das ist natürlich kein schöner Gedanke, wenn wir uns überlegen, meine Kollegen und ich, dass wir ab nächsten Sommer keine Versicherung mehr haben, dass wir Geburten im Geburtshaus und Hausgeburten nicht mehr anbieten können. Ja, das wäre ja einfach ziemlich dramatisch, wenn das nicht weitergehen würde – für uns Hebammen, aber eben auch für die Familien."
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