WikiLeaks in der Diskussion

25.01.2011
Die Enthüllungen von WikiLeaks haben die politische Landschaft erschüttert. Doch welche langfristigen Folgen hat die Offenlegung tausender geheimer Daten? Und wie konnte es zum rasanten Aufstieg der Enthüllungsplattform kommen? Einblicke in deren Entstehungsgeschichte und in den Status quo der WikiLeaks-Debatte bieten zwei Neuerscheinungen.
WikiLeaks polarisiert. Die schillernde Gestalt Julian Assange gibt dazu ebenso Anlass wie die Tatsache, dass nie zuvor so ungefiltert Geheimes öffentlich gemacht wurde. Die Bücher machen auf unterschiedliche Weise diese beiden Phänomene greifbar – mit Fakten, Analysen und Argumenten – und bringen damit Bodenhaftung in die oft emotionsgeladene öffentliche Diskussion um die Enthüllungsplattform.

"Staatsfeind WikiLeaks" aus der Feder der Journalisten Marcel Rosenbach und Holger Stark zeichnet die wichtigsten Lebensstationen von WikiLeaks-Begründer Assange nach – von der Odyssee seiner Kindheit in einer Hippiefamilie, über sein Treiben als Hacker und "Cypherpunk" bis hin zu den Anfängen von WikiLeaks und den aktuellen spektakulären Enthüllungen. Die Geschichte liest sich wie ein Krimi. Sie macht anschaulich, was Assange geprägt hat und wie er der geworden ist, der er ist: Ein exzentrischer Computernerd, dessen Zuhause überall und nirgends ist. Für ihn ist WikiLeaks Lebensinhalt und Mission zugleich – verbunden mit dem Anspruch radikaler Transparenz zumindest, wenn es um Informationen anderer geht.

Rosenbach und Stark waren Teil des Spiegel-Teams, das ab Sommer 2010 in Zusammenarbeit mit WikiLeaks und anderen Zeitungen die konzertierte Veröffentlichung geheimer Afghanistan-Dokumente vorbereitet hat. Dieser exklusive Einblick sowie Gespräche mit Assange und seinen Mitstreitern machen den Bericht der beiden authentisch und einzigartig. Dabei bleiben sie nicht unkritisch. Den untransparenten Aufbau der Organisation stellen sie am Ende des Buches ebenso infrage, wie die Ablehnung der WikiLeaks-Veröffentlichungen durch einen Teil der Medien – für die Autoren ein Zeichen der Weigerung, "ihre Kontrollfunktion" wahrzunehmen.

Genau hier – auf der Ebene der Reflexion – setzt "WikiLeaks und die Folgen" an. Das Buch, das Heinrich Geiselberger herausgegeben hat, versammelt Aufsätze von Wissenschaftlern, Journalisten und Diplomaten, die zum Teil extra für diesen Band geschrieben wurden. Grundsätzlich begrüßen alle das Offenlegen unlauterer politischer Praxis. An WikiLeaks jedoch scheiden sich die Geister. Das Spektrum reicht von Mercedes Bunz, die den Siegeszug des Datenjournalismus (auch) durch WikiLeaks feiert, bis hin zur These des Politikwissenschaftlers Volker Perthes, Leaks würden zu mehr Heimlichtuerei und weniger Diplomatie führen.

Das Besondere jedoch ist: Alle legen ihre Argumente so dar, dass man spürt, sie gehören in dieselbe Wagschale. Denn das Internetzeitalter braucht (neue) Normen dafür, wie die Gesellschaft mit Informationen, die immer leichter verbreitet und offengelegt werden, umgehen kann. Ein spannender Diskurs, der neugierig macht auf die zukünftige Entwicklung: von WikiLeaks, vom Journalismus und von staatlicher Transparenz.

Besprochen von Vera Linß

Marcel Rosenbach, Holger Stark: Staatsfeind WikiLeaks
SPIEGEL-Buch bei DVA, München 2011
336 Seiten, 14,99 Euro

Heinrich Geiselberger (Hg.): WikiLeaks und die Folgen. Die Hintergründe. Die Konsequenzen.
Edition Suhrkamp, Berlin 2011
238 Seiten, 10 Euro
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