Wieland: "Der Staat darf kein Hacker werden"

04.04.2007
Der Grünen-Politiker Wolfgang Wieland hat die von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble geplanten heimlichen Online-Durchsuchungen als "Totalausspähung der persönlichen Sphäre von Bürgern" kritisiert. Die Überwachung solle ohne das Wissen der Bürger und ohne die Möglichkeit, sich rechtlich dagegen zu wehen, geschehen, sagte Wieland.
Frank Capellan: Für mächtigen Ärger sorgt in der Großen Koalition der Versuch von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, mit einem neuen Sicherheitspaket weitere Gesetzesverschärfungen zur Terrorbekämpfung durchzusetzen. Von einem billigen Versuch, sich zu profilieren, sprechen die Sozialdemokraten. Schäuble bringe Instrumente eines totalen Überwachungsstaates ins Spiel. Das meint zum Beispiel der Abgeordnete Benneter und sein SPD-Kollege Sebastian Edathy, der Vorsitzende des Innenausschusses, sieht die Balance zwischen innerer Sicherheit und Bürgerrechten gefährdet. – Am Telefon begrüße ich einen Vertreter der Opposition, Wolfgang Wieland von den Grünen, Mitglied im Rechts- und im erwähnten Innenausschuss. Guten Morgen Herr Wieland!

Wolfgang Wieland: Guten Morgen Herr Capellan!

Capellan: Herr Wieland, bevor wir einige Punkte durchgehen die Frage an Sie: Steht die rot-grüne Koalition, das Bündnis wieder im Kampf gegen die Sicherheitspläne von Wolfgang Schäuble?

Wieland: Ich hoffe es! Ich hoffe es, dass die SPD dort standhaft bleibt und dass sie das alles jedenfalls nicht mitmacht und nicht nur ein paar Korrekturen und ein paar kosmetische Dinge verhindert, sondern dass diese grundlegenden Angriffe, die er jeweils plant, tatsächlich nicht durchgeführt werden können.

Capellan: Gehen wir die Punkte mal durch. Beginnen wir vielleicht mit der Rasterfahndung. Die soll nach den Wünschen Schäubles für das BKA erlaubt werden. Warum halten Sie das für falsch, für gefährlich?

Wieland: Wir haben erst zweimal in der Geschichte der Bundesrepublik eine Rasterfahndung gehabt. Das eine war nach der Schleyer-Entführung, damals eine so genannte strafrechtliche, bekanntlich ohne überzeugendes Ergebnis. Und wir hatten die ganz große Rasterfahndung jetzt nach dem 11. 09., wo Millionen Daten von Bürgern gerastert wurden und kein einziger Tatverdächtiger gefunden wurde, kein einziger islamistischer Terrorist dort entdeckt wurde. Das ist natürlich eine Frage: erstens man kann es schon machen, man hat es gemacht und zweitens warum muss das BKA das alles machen.

Capellan: Gefährlich ist es nicht, sagen Sie, aber überflüssig?

Wieland: Nein. Es wäre natürlich dann auch gefährlich, weil das BKA dadurch Zugriff auf sämtliche Länderdateien bekommt, wenn es das irgendwie erfolgreich machen will. Es muss ja die Daten, die sie abgleichen, die sie rastern, irgendwo hernehmen und bisher ist Polizei eben Ländersache. Jetzt würde es zentralisiert. Jetzt hätte das BKA tatsächlich dann Zugriff im Grunde auf sämtliche Datenbestände, die wir in der Bundesrepublik haben.

Capellan: Ein anderer Punkt, den Schäuble anspricht: Online-Durchsuchungen von Computern, die heimlich natürlich geschehen sollen. Was spricht dagegen, wenn Daten, die nicht zu einem Fahndungserfolg führten, dann wieder vernichtet werden?

Wieland: Dagegen spricht, dass es eine Totalausspähung der persönlichen Sphäre des einzelnen Bürgers ist. Sie sagen so nett "heimlich natürlich". Nach unserem bisherigen Verständnis sind Durchsuchungen die öffentlichste Sache der Welt. Wenn Ihre Wohnung durchsucht wird, ist der Nachbar hinzuzuziehen, der Wohnungsinhaber nach Möglichkeit sowieso dabei. Das heißt hier soll gerade nichts im Dunkeln passieren.

Capellan: Na ja, aber eine Durchsuchung mit Ankündigung bei Computern würde wohl keinen Sinn machen oder?

Wieland: Passiert ständig! Es werden ständig im Zusammenhang mit normaler Kriminalität Computer beschlagnahmt und es wird ständig dann auch geguckt was ist auf der Festplatte drauf, sind darauf beweisbare Dinge. Die PC werden eben nur mitgenommen nach richterlicher Anordnung.

Capellan: Herr Wieland, nun sagen aber Kriminalbeamte auch, wir müssen dabei sein, wenn ein Verdächtiger zum Beispiel die Anleitung zum Bombenbauen herunterlädt, oder wenn da Kinderpornos geladen werden. Wenn das bereits geschehen ist, dann ist es zu spät.

Wieland: Auch das überzeugt nicht. Nehmen wir das Beispiel Kinderpornos. Um ihn zu überführen, dass er Konsument von Kinderpornographie ist, kann ich natürlich den Beweis führen, indem ich feststelle: er hat sie heruntergeladen. Das ist jetzt schon gängige Praxis. Hier will man ja etwas anderes. Hier will man sozusagen heimlich in den gesamten Datenbestand, in den PC eindringen, will gleichzeitig eine Telefonüberwachung machen, eine Kommunikationsüberwachung, E-Mails und anderes, die eingehen, und wenn es ganz schlimm kommt ist auch noch über die so genannte Webcam, wenn sie denn da ist, ein großer Lauschangriff damit verbunden. Es wird in die Wohnung und in die Privaträume hineingesehen und das alles wie gesagt, ohne dass der Betroffene es merkt, ohne dass er deswegen auch dagegen rechtlich sich wehren kann. Ob er überhaupt je benachrichtigt werden wird, ist völlig unbestimmt. Das heißt, ich habe wirklich eine Big-Brother-Situation, ohne dass ich es weiß, ohne dass ich weiß, dass der Staat mich kontrolliert. Gerade junge Leute sagen, sie leben mit dem PC, sie vertrauen ihm alles an. Auch tagebuchartige Aufzeichnungen und Ähnliches sind darin. Von daher denke ich, ist das die weitestgehende Eingriffsbefugnis, die er hier will, die man sich im Computerzeitalter eigentlich vorstellen kann.

Capellan: Aber für die Vorbereitung von Terroranschlägen – das hat sich auch gezeigt – ist das Internet ungeheuer wichtig?

Wieland: Ohne jede Frage! Die Polizei hat ja auch und kann ja auch und soll ja auch wie jeder andere sehen, was passiert im Internet, so wie ich, so wie jeder andere dort reinklicken kann. Wenn dort Bombenanleitungen oder Ähnliches drin sind oder Videos, die zum Hass aufrufen, dann kann man das auch rausnehmen aus dem Internet. Das ist ohne jede Frage schwierig. Nur die Verbindungen kann ich doch auch heute schon feststellen. Ich kann doch heute feststellen, was hat der Mensch sich im Internet angesehen. Das ist bei den Kofferbomben-Attentätern aus den Regionalzügen auch so passiert. Nur Schäuble will einen Schritt weiter gehen. Er will sozusagen kontinuierlich heimlich den Menschen elektronisch total ausforschen.

Capellan: Sie werden sich komplett dagegen wehren und dagegen stimmen? Das steht fest?

Wieland: Wir sagen, der Staat darf kein Hacker werden. Das ist ein Schritt, den wir nicht wollen.

Capellan: Wolfgang Wieland, Bundestagsabgeordneter der Grünen, im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen. Auf Wiederhören!