Wiedereröffnung des Nationalmuseums in Sarajevo

"Ich bin Museum" hatte Erfolg

Das Nationalmuseum von Bosnien-Herzegowina in Sarajewo im September 2015
Das Nationalmuseum von Bosnien-Herzegowina in Sarajewo im September 2015 © dpa / picture alliance / Fehim Demir
Von Karla Engelhard · 08.10.2015
Das Nationalmuseum in Sarajevo war fast drei Jahre geschlossen. Es drohte ein Präzedenzfall für die bosnisch-herzegowinische Kulturpolitik zu werden. Mit der Kampagne "Ich bin Museum" kämpften Mitarbeiter, Künstler und Prominente gegen den Zerfall des Hauses.
Gärtner, Aufseherinnen und Wissenschaftlerinnen kämpften für die Wiedereröffnung ihres Nationalmuseums in Sarajevo. Drei Jahre war die bedeutendste Kultureinrichtung des westlichen Balkans geschlossen. Die etwa 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekamen aber schon vorher kaum Lohn. Geld fehlte auch für Strom und Heizung. Das Museum musste geschlossen werden, doch rund die Hälfte der Belegschaft blieb und schützte die Exponate und das einst prunkvolle Neorenaissance-Gebäude ohne Lohn. Konservatorin Azra Becevic-Sarekapa meint:
"Wir alle lieben unsere Arbeit. Ich denke, meine Job ist der beste und perfekteste der Welt. Jeden Tag habe ich seltene Exponate in den Händen, die noch kein Museumsbesucher gesehen hat. Wir stellten bisher nur etwa fünf Prozent unseres Bestandes aus. Wir haben im Museum mehr als vier Millionen Objekte."
Darunter die Sarajevo Haggada, eine reichbebilderte Handschrift aus dem 14.Jahrhundert, die sephardische Juden nach der Vertreibung aus Spanien nach Bosnien brachten. Dieses Symbol für die kulturelle Vielfalt und Offenheit des Landes hat einen Schätzwert von bis zu 630 Millionen Euro.
Die 40-jährige Azra Becevic-Sarenkapa mit dem roten Kurzhaarschnitt gehört zu den 30 Museumsmitarbeitern, die sich für die Fotoausstellung "Guards of the Museum" porträtieren ließen. Vor kurzem wurden diese großformatigen Fotos mit kurzen Interviews im Museum ausgestellt. Durch die Museumshintertür duften Besucher kommen, um sie sich anzusehen. Andere Aktionen kamen dazu: Neben dem Großmufti hielt auch der Kardinal von Sarajevo, Vinko Puljic medienwirksam Museumswache:
"Die Menschen, die ihre Vergangenheit nicht schätzen können, haben keine Zukunft. Dieses Museum gehört nicht einer Nationalität, nicht einer Religion oder nur einer Kultur. Es gehört uns allen, es ist unsere gemeinsame Vergangenheit und unsere Zukunft."
Finanzierung ist für zwei Jahre gesichert
Unter dem Druck der Öffentlichkeit wurde das Nationalmuseum nun wiedereröffnet. Die Finanzierung scheint für die kommenden zwei Jahre gesichert zu sein, auch für sechs weitere Institutionen von nationaler Bedeutung. Eine halbe Million Euro steuert die amerikanische Regierung für dringende Sanierungsarbeiten bei. Museumsdirektor Adnan Busuladzic:
"Dass wir mit voller Kapazität arbeiten können und dass alles gesetzlich geregelt ist, ist aus politischen Gründen momentan nicht realistisch. Das ist der erste Schritt und er ist gut. Doch ein Plan ist nur gut, wenn er auch realisiert wird."
Wer für das Nationalmuseum in Zukunft zuständig sein wird, ist noch immer offen. Der Friedensvertrag von Dayton hat das Land in eine serbische Republik und eine bosnisch-kroatische Föderation geteilt, die wiederum in zehn Kantone zergliedert ist. Kulturfragen wurden ausgeklammert. Ein Kulturministerium gibt es in der schwache Zentralregierung nicht. Doch die Menschen von Sarajevo haben ihr Nationalmuseum erst einmal zurückbekommen:
"Das ist etwas Fantastisches. Ich habe mich immer so gewundert, dass diese großartige Institution geschlossen war. Das ist ein Paradies auf Erden. Im Innenhof gibt es einen wunderschönen Garten, es gibt viele Exponate zu sehen. Das ist etwas Vollkommenes!"
Mehr zum Thema