Wiederentdeckte Lieder

06.07.2012
Oskar Fried und Arnold Schönberg – eine Generation, zwei Wege. Der eine weltberühmt, der andere nahezu vergessen. Das ist die Konstellation eines außergewöhnlichen Stuttgarter Liedprogramms, in dem zwei Produktionen von Deutschlandradio Kultur vorgestellt werden.
Geliebt wurde er nicht unbedingt, aber geachtet: Die Suche nach neuen musikalischen Ufern sicherte Arnold Schönberg zu Beginn des 20. Jahrhunderts breite Aufmerksamkeit. Oskar Fried, der 1871 – drei Jahre vor Schönberg – geboren wurde, hatte es da schwerer: Er blieb der spätromantischen Tonsprache verhaftet, erweiterte sie aber bis an ihre Grenzen. Sein Ruhm zu Lebzeiten indes war kurz, er erstreckte sich auf die Jahre vor dem Ersten Weltkrieg.

Obwohl Schönberg als eine der großen Legenden der musikalischen Moderne betrachtet werden kann, ist sein Werk längst nicht umfassend für das Musikleben erschlossen worden. Ja, es gibt sogar Stücke, die noch nie öffentlich gespielt wurden – wie Teile der frühen Klavierfassung der "Gurre-Lieder", die in diesem Konzert ihre posthume Uraufführung erleben.

Keine Uraufführungen, aber Wiederentdeckungen stellen die Lieder von Oskar Fried dar. Die Werke des Humperdinck-Schülers stehen auf der Höhe ihrer Zeit, scheinen den Liedern von Richard Strauss verwandt und reagieren auf einige bedeutende Lyriker des Fin de siècle, darunter Otto Julius Bierbaum und Richard Dehmel. Bemerkenswert ist auch Frieds Auseinandersetzung mit der Lyrik Friedrich Nietzsches.

Leider stellte Oskar Fried seine Kompositionstätigkeit um 1914 ein – er, dessen Vorleben als Zirkusartist und Hundezüchter keineswegs auf eine musikalische Karriere hingedeutet hatte, trat nun mehr und mehr als Dirigent ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Mit der Staatskapelle Berlin spielte Fried die erste Gesamtaufnahme einer Sinfonie von Gustav Mahler überhaupt ein. Als die Nazis an die Macht kamen, emigrierte der überzeugte Sozialist (und Jude) in die Sowjetunion, wo er 1941 starb. Höchste Zeit, diesen "sehr originellen und eigenartigen Patron" – wie ihn Gustav Mahler nannte – kennenzulernen!


Musikhochschule Stuttgart, Konzertsaal
Aufzeichnung vom 17.06.2012


Oskar Fried
Lieder mit Klavierbegleitung op. 7

Ausgewählte Lieder für Stimme und Klavier

Arnold Schönberg
Drei Gesänge aus der Frühfassung der "Gurre-Lieder"
für Stimmen und Klavier:
"Herrgott, weißt du, was du tatest"
"Klaus Narr" (Uraufführung)
"Du strenger Richter" (Uraufführung)

ca. 20:55 Uhr Konzertpause mit Nachrichten
Olaf Wilhelmer im Gespräch mit Urs Liska und Alexander Gurdon
Arnold Schönberg
"Lied der Waldtaube" aus der Frühfassung der "Gurre-Lieder"
für Mezzosopran und Klavier

Oskar Fried
Vier Lieder mit Pianofortebegleitung op. 3

Drei zweistimmige Gesänge in Canonform
für Mezzo-Sopran und Bariton mit Klavierbegleitung op. 8


Katharina Kammerloher, Mezzosopran
Stephan Rügamer, Tenor
Urs Liska, Klavier