"Wie stehen Sie zur Kartoffel?"

21.02.2012
Ein Roman in Fragen? Ganz ehrlich: Am Anfang geht einem der Autor damit gehörig auf den Senkel. Doch je länger man liest, desto mehr nimmt Padgett Powells Projekt für sich ein. Fraglos ein wunderbares Buch!
Im Original heißt dieses Kleinod "The Interrogative Mood. A Novel?" Ein Roman? Die Frage ist nur allzu berechtigt. Sie liegt einem nachgerade auf der Zunge vor Beginn der Lektüre von diesem Questionnaire der besonderen Art. Ein Buch als ein bis zum Ende konsequent durchgehaltener Katalog von Fragen, der anhebt wie folgt: "Sind Ihre Gefühle rein? Sind Ihre Nerven anpassungsfähig? Wie stehen Sie zur Kartoffel?" Und so endet: "Gehen Sie jetzt weg? Würden Sie jetzt weggehen? Würde es Ihnen was ausmachen?" Wohl jeder wird hinter die Idee, einen Roman aus lauter Interrogativsätzen zu bauen, zunächst mal ein großes Fragezeichen setzen wollen.

Viele mag das Ganze erinnern an ein in seiner Konsequenz ähnlich kurioses Unterfangen der Literaturgeschichte: an Georges Perecs berühmten Roman "Anton Voyls Fortgang" (1969), der ganz ohne den Buchstaben e auskommt. Ein "Leipogramm" nennt die Wissenschaft derartige Sprachspielereien. Eine Spielerei ist zweifelsohne auch Padgett Powells Buch, allerdings eine mit ernstem Hintergrund, die sich nur in ein humoristisches Gewand hüllt. Um ehrlich zu sein: Am Anfang geht der Autor einem damit gehörig auf den Senkel. Man fragt sich unwillkürlich: Was soll das? Fragebögen muss ich so schon oft genug ausfüllen, warum dann einen Roman lesen, der ausschließlich aus Fragen besteht, aus Geschmacksfragen, Wissens- und Gewissensfragen im Wesentlichen?

Das Wundersame aber ist: Je länger man liest, desto mehr nimmt einen Powells Projekt gefangen, weil es einen dazu bringt, seinen Unwillen, sich mit all diesen Fragen auseinanderzusetzen, zu - na was wohl ? - hinterfragen. Als Kind neigt man dazu, Fragen zu stellen und die Eltern damit zu penetrieren. Im Laufe der Jahre aber geht uns diese Fähigkeit oft verloren, wir trainieren sie uns ab. Ein Erwachsener baut sein Leben viel eher auf Behauptungen auf und lernt, ja nicht zu viel in der Welt infrage zu stellen.

Er glaubt auf alles eine Antwort zu haben. Just das ist fragwürdig, findet Powell und konfrontiert uns mit Fragen über Fragen, die mal albern ("Wenn Ihr Geist in den Gully gefallen wäre, würden Sie ihn aufheben oder dort liegen lassen?"), mal gut sind ("In welchem Alter, würden Sie sagen, war Ihr Charakter geprägt - das heißt, wann, glauben Sie, waren Sie Sie?" bzw. "Ist es bei dem, was man nicht wissen kann, besser, eine klug agnostische Haltung einzunehmen, oder soll man lieber blind frisch drauflosmeinen und diese Meinung in Ehren halten?") und nie dumm.

Über manche von Powells Fragen freut man sich, viele duldet man, keine verbittet man sich. Wer den "Roman in Fragen" liest, wird sich weniger vorschnell in falschen Gewissheiten wiegen, er wird etwas verunsicherter aufs Leben blicken. Fraglos ein wunderbares Buch.

Besprochen von Knut Cordsen

Padgett Powell: Roman in Fragen
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Harry Rowohlt
Berlin Verlag, Berlin 2012
192 Seiten, 17,90 Euro