Wie prägt die Nase unser Verhalten?

"Geruchsstunden" schon im Mutterleib

Geruchsforscher Hanns Hatt riecht an Narzissen und einem Maiglöckchen.
"Man muss jemanden riechen können, dass man mit ihm intimer zusammenleben kann", sagt Hans Hatt. © picture alliance / dpa / Caroline Seidel
Hans Hatt im Gespräch mit Julius Stucke · 14.11.2018
Dufttrost, Familiengeruch, Heimatduft – der Biologe und Mediziner Hanns Hatt unterscheidet viele Arten von Gerüchen. Er sagt, unsere Geruchsvorlieben werden schon im Mutterleib geprägt. Man könne sie aber auch umtrainieren.
Unter dem Veranstaltungstitel "Geschmackswelten - Prägt die Nase unsere Gesellschaft?" ergründet das Berliner Museum für Kommunikation heute Abend Geruchs- und Geschmackswahrnehmungen und ihre Verbindung zu unseren Gefühlen.
"Ich habe mir angewöhnt, mit offener Nase durch die Welt zu gehen", sagt Hanns Hatt. Der Professor für Zellphysiologie an der Ruhr-Universität Bochum ist einer der Referenten. Er empfiehlt: "Wenn man einen Raum betritt, sich erst mal umzuriechen."

Es gibt keinen Geruch, den alle mögen

Die Erziehung und die persönliche Erfahrung mit Düften bestimme, ob Menschen Düfte mögen oder nicht. Darum gebe es auch keinen Duft auf der Welt, den alle mögen. Unsere ersten "Geruchsstunden" erhielten wir schon als Embryo:
"Die Schule beginnt schon im Mutterleib. Nicht nur als Kind, sondern sogar als Embryo kann man schon riechen und riecht mit der Mutter mit und kommt mit gewissen Geruchsvorlieben, die man von der Mutter übernommen hat, schon auf die Welt. Leider haben wir nachher keine Geruchsstunden mehr. Ein erstes Klassenzimmer gibt es nur im Mutterleib, später leider nicht mehr."
"Man muss jemanden riechen können, dass man mit ihm intimer zusammenleben kann", ist Hatt überzeugt. Dieser Sinn ließe sich auch nicht durch optische Reize austricksen. Es sei in partnerschaftlichen Beziehungen eine Grundvoraussetzung, dass man den Partner gut riechen könne.

Deutsche sind "die Butterstinker"

Psychologen hätten anhand von Tests herausgefunden, dass nicht nur Familien, sondern auch größere Kulturkreise ihren eigenen Geruch und eigene Duftvorlieben hätten, so der Wissenschaftler:
"Die Asiaten nennen uns Deutsche 'die Butterstinker', weil wir so nach Schweiß riechen im Vergleich zu denen. Die Asiaten haben sehr wenig Schweißdrüsen und wenig Haare und deswegen dünsten sie weniger Duft und Schweißgeruch aus. Diese Vorlieben sind messbar und dokumentierbar.
Aber man kann sich auch umgewöhnen. Wenn ich eine Zeitlang in Asien lebe oder umgekehrt, dann können Düfte, die man erlernt hat, auch wieder umtrainiert und umgeschrieben werden. Die sind nicht eingemeißelt für immer."

Der Duft von Weihrauch oder Teddybären

Kann man durch geruchliche Manipulation den Zusammenhalt in einer Gemeinschaft oder sogar in der Gesellschaft fördern? Der Biologe nennt dafür ein Beispiel:
"Wenn man an die katholische Kirche denkt, da gibt es den Weihrauch. Das ist ein Duft, der da verwendet wird als Zusammenhalt. Das heißt, jeder, der nach Weihrauch riecht, ist einer von uns. Die den gleichen Duft haben, die gleiche Duftvorliebe, das ist schon eine kulturelle Gemeinsamkeit."
Und was hat es mit dem "Dufttrost" auf sich? Hatt nennt den Teddybär eines Kindes, der nicht gewaschen werden darf. Der vertraute Geruch könne das Kind beruhigen. Umgekehrt gelte das für den Geruch der Kinder für die Eltern:
"Viele der Mütter, wenn die Kinder aus dem Haus sind, nehmen die Wäsche der Kinder noch mal, weil sie dann ruhiger sind und besser schlafen können."
(cosa)
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