Wie Blogs den Journalismus verändern

Von Michael Meyer · 15.01.2008
Die Blogger, die Verfasser von Internettagebüchern, verändern langsam, aber stetig die Medienwelt. Auch wenn sie bislang nur eine Nische besetzen, sind sie zum Beispiel aus dem US-Wahlkampf nicht mehr wegzudenken. Vor allem in nicht demokratischen Ländern wie Iran, China, Russland oder Singapur bilden sie eine wichtige Gegenöffentlichkeit.
"Ich blogge, also bin ich" – dieser eitle Spruch westlicher Internetschreiber verdeutlicht die Unterschiede zwischen freien Gesellschaften, in denen die Blogs bislang hauptsächlich unterhaltende Angebote liefern und Ländern, in denen kaum oder keine Pressefreiheit herrscht wie etwa im Iran. Der Iran hat eine der lebendigsten Bloggerszenen weltweit. Mehr als die Hälfte aller Internettagebücher werden von Frauen geschrieben und sind oft hochpolitisch: Die Rechte der Frauen, Gewalt in der Ehe, aber auch die Politik der Ahmadinedschad-Regierung können hier Thema sein. Für die Redakteure der Deutschen Welle, die in Faarsi senden, sind diese Blogs durchaus relevant und interessant, meint Christian Gramsch, Leiter der Multimedia-Redaktion der Deutschen Welle:

" Allein die Tatsache, dass Frauen sich beteiligen an einem solchen Diskurs, ist schon ein Signal, dass sich dort unter der Oberfläche sich etwas bewegt, und das werden wir natürlich auch medial aufgreifen. Dasselbe gilt beispielsweise für Umweltthemen in China, die überhaupt nicht den Weg in die Weltöffentlichkeit gefunden hätten, wenn nicht Blogger den Finger in die Wunde gelegt hätten, und das öffentlich gemacht hätten. Dem gehen wir dann immer wieder nach, und erzeugen dann natürlich auch eine vielleicht etwas verlässlichere Publikation. "

In kaum einem anderen Land wird das Internet so rigoros reglementiert wie in China. Über 30.000 Zensurbeamte überwachen das Internet, sperren westliche Seiten, filtern das Internet nach bestimmten Schlagworten, wie: "Bürgerrechte", "Umweltzerstörung" oder "Pressefreiheit". Und natürlich sind auch die Blogger davon betroffen, denn sie müssen jeden Tag aufs Neue die Zensurbehörden umgehen, auch mittels technischer Tricks.

Aber auch in weniger repressiven Ländern wie dem Stadtstaat Singapur gibt es durchaus Zensur in den Medien. In Singapur ist das Internet frei – einerseits. Andererseits gibt es, so berichtete der Blogger Alex Au, eine ganze Reihe von Gesetzen, die die Pressefreiheit einschränken: Kritik an der Regierung, das Verbreiten von Fotos, die Nacktheit zeigen, die Zurschaustellung von Homosexualität – all das ist verboten - eigentlich. Sein seit 1996 erscheinendes Blog mit dem Titel "yawning bread" – zu Deutsch etwa: gähnendes Brot – befasst sich trotzdem kritisch mit Politik, Kultur und vor allem mit Homosexuellen-Rechten - die in Singapur kaum vorhanden sind, wie Au betont:

" Die Philosophie der Zensur in Singapur ist, nicht direkt Zensur auszuüben, sondern das Ziel all dieser vagen und unbestimmten Gesetze ist es, eine solch unsichere Stimmung zu erzeugen, dass Blogger lieber auf Nummer sicher gehen, und sich dann selbst zensieren, eine Schere im Kopf haben. Alles, was dazu nötig ist, ist die gelegentliche Verurteilung eines Internetautoren, um alle anderen zu erschrecken. (….) Das ist besonders wichtig für eine Regierung, die modern erscheinen will, gerade in Wahlkampfzeiten, …, es wird interessant sein, zu beobachten, ob all diese Gesetze künftig noch stärker angewandt werden und wie das den Alltag verändern wird. "

Eine stark reglementierte Medienlandschaft wie etwa in Russland führt dennoch nicht unbedingt dazu, dass eine ernst zu nehmende Szene von Internetautoren entsteht. In Russland gibt es zwar ebenso Tausende von Blogs – wenn man seriöse Informationen abseits des Fernseh-Mainstreams sucht, dann sei man in Russland bei alternativen Informationsportalen aber besser aufgehoben als bei den Bloggern. Das meint zumindest Alexey Nikolov, stellvertretender Chefredakteur von "Russia Today", dem Auslandsrundfunk Russlands:

" Die Blogs sind bei uns eher was für junge Menschen, die Unterhaltung und Spaß suchen. Die Blogs mögen zwar Hunderttausende von Lesern haben, aber sie spielen im politischen Prozess bei uns keine Rolle. Ich denke, die Leute bekommen im Internet bei uns genügend Informationen von ganz links bis ganz rechts, aber die Blogs sind wirklich eher eine Spaßgeschichte für junge Leute. "

Die Blogger verändern dennoch, langsam, aber stetig die Medienwelt – nicht nur in unfreien Staaten. Die Internettagebücher besetzen bislang zwar nur eine Nische, sind aber dennoch etwa in den USA aus dem politischen Alltag nicht mehr wegzudenken – vor allem im US-Wahlkampf, und gerade bei jungen Medienkonsumenten. Die deutschen Medien, wie ARD und ZDF, können ebenso wenig die neue sogenannte "Bloggosphäre" vernachlässigen: Die großen Tanker wie das ZDF müssen sich auf neue Konsumgewohnheiten der Mediennutzer einstellen, und das schon jetzt, nicht erst in ein paar Jahren. Jan Metzger, stellvertretender Leiter der ZDF-"heute-journal"-Redaktion in Mainz fordert daher:

" Wir müssen anschlussfähig werden an die Bedürfnisse von diesen nachwachsenden Generationen, und wir müssen vor allem auf die Plattformen, wo diese Leute sind. Möglicherweise ist das ZDF in 20 Jahren gar nicht mehr so wichtig als analog ablaufender fest programmierter TV-Sender, sondern ist wichtig als der Lieferant hochqualitativer Inhalte auf allen anderen möglichen Plattformen, die bis dahin wichtig sind. Und das ist das Ziel, und das ist der Prozess an dem wir arbeiten, und intern so umzubauen, neu aufzustellen, anders zu arbeiten, zu produzieren, dass wir in der Lage sind, auch in neuen Formen diese Leute auf anderen Plattformen zu erreichen. "