Wie altägyptische Staatskunst auf Konfuzius und Goethe trifft

Rezensiert von Susanne Mack · 08.08.2006
Die Professoren Jan Assmann, Ekkehart Krippendorf und Helwig Schmidt-Glintzer erklären und vergleichen in "Drei Lehren für das richtige Leben" die altägyptische Staatslehre, die altchinesische Weisheitslehre des Konfuzius und die politischen Ideale von Goethe. Hierbei werden Dinge verglichen, die schwer zu vergleichen sind.
Goethe und Konfuzius – die Namen haben wir schon mal gehört, aber wer oder was ist Ma’at? Ägyptologen wissen das. Der "gemeine Leser" muss sich erstmal bis auf Seite dreizehn dieses Buches vorarbeiten, um zu erfahren: "Ma’at" ist nicht etwa der Name eines großen Weisen wie Goethe oder Konfuzius. "Ma’at" ist der altägyptische Begriff für "Staatskunst", oder besser: "Kunst des Gemeinschaftslebens". Dann heißt der Titel also auf gut deutsch: "Ägyptische Staatskunst. Konfuzius. Goethe ". Oder so ähnlich. Nicht eben ein Glücksgriff.

Der Untertitel ist eher plausibel. Es geht tatsächlich um drei Lehren für das richtige Leben. Als "richtig" zu beurteilen ist ein Menschenleben, das dem Wohl der Gemeinschaft dient und auf diesem Wege auch sich selbst.

Hier handelt es sich um eine vergleichende Darstellung, von drei Professoren verfasst: einem Ägyptologen, einem Sinologen und einem Politikwissenschaftler. Verglichen haben sie die altägyptische Lehre vom guten Staat mit der altchinesischen Staats- und Weisheitslehre des Konfuzius und den politischen Idealen eines Johann Wolfgang Goethe, einst Staatsminister im Fürstentum zu Weimar.

Deshalb werden Dinge verglichen, die schwer zu vergleichen sind. Ägypten war eine Sklavenhaltergesellschaft, im alten China gab es ein strenges Kastensystem, da wäre einer wie Goethe niemals Minister geworden. Aber eines ist unumstritten, und das belegen die Autoren recht eindrucksvoll: Die altägyptischen Weisen und auch der Chinese Konfuzius hatten politischen Ideen, die sich in der Praxis bewährt haben. Immerhin hatte das Reich der Pharaonen rund 3000 Jahre Bestand, das chinesische Kaiserreich rund 2000 Jahre.

Und was Goethe betrifft: Der hatte zumindest ein paar politische Träume, die Weimarer Realität war freilich eine andere Sache, die den politischen Idealen der alten Weisen erstaunlich nahe kamen.

Regel Nummer eins für alle Staatsbürger: Jeder trägt Verantwortung für das Ganze, "Ich bin ein unpolitischer Mensch", eine solche Gesinnung ist wider die Pflicht, sagt Konfuzius.

Diese Auffassung gab es übrigens auch in der griechischen Polis: im Athen des Perikles wurden Bürger ausgewiesen, wenn sie sich für "unpolitisch" erklärten. Damals war so ziemlich allen Bürgern klar: Man kann nicht nur Nutznießer des Gemeinwesens sein, man muss auch etwas dafür tun.

Regel Nummer zwei: Nur die Besten werden Politiker. Im alten China gab es keine erbliche Monarchie, der Kaiser wurde gewählt. Und die Besten sind nicht etwa diejenigen, die am besten reden können. Da passiert viel Bluff, das wusste Konfuzius genauso gut wie Goethe. Beide warnen vor dem "eitlen Schwätzer". Sondern Leute mit Talent und Charakter. Solche, die wirklich gewillt sind, ihre privaten Interessen zurückstellen und in erster Linie der Gemeinschaft zu dienen.

Und selbstverständlich gilt: wer andere regieren will, der muss zuvor bewiesen haben, dass er sich selbst regieren kann: " Denn jeder, der sein inneres Selbst nicht zu regieren weiß, regierte gar zu gern des Nachbars Willen, dem eigenen stolzen Sinn gemäß", heißt es in Goethes "Faust".

Das Thema des Buches ist klug gewählt. Da können auch Skeptiker sich überzeugen, dass Geistesgeschichte nicht einfach Schnee von gestern ist; sie kann sehr brisant sein und hochaktuell.

Aber richtig gut ist das Buch leider nicht geworden, und wer ein Buch von "Insel" in die Hand bekommt, der erwartet immer noch was richtig Gutes. Bisher jedenfalls war immer klar: Wer für "Insel" schreiben darf, der kann erzählen. Und das ist eben der Schönheitsfehler dieses Werkes: Mit der Erzählkunst der Autoren ist es leider nicht allzu weit her.

In Deutschland gibt es ein merkwürdiges Phänomen: Das meiste, was den Anspruch erhebt, Geisteswissenschaft zu sein, kommt nebulös daher. Es klingt nicht schön, aber kompetent und kompliziert. Die Texte werden gern mit einem Schwall Soziologendeutsch angereichert, mit Vokabeln wie "Redimensionalisierung", "Normativität" und "vertikale Solidarität".

Ohne solche Großvokabeln hat ein deutscher Professor anscheinend Bedenken, von seinen Kollegen nicht ernst genommen zu werden. In den USA ist das anders. Dort können Professoren der Geisteswissenschaften auch Bücher im leicht zugänglichen Feuilletonstil verfassen.

Darum lese ich, was Konfuzius betrifft, doch lieber Konfuzius selbst. Etwa die "Gespräche", das ist eine klare und einfache Sprache. Und wenn ich etwas über Goethe und seine politischen Ideen erfahren möchte, greife ich zu Hans Mayers "Goethe. Ein Versuch über den Erfolg". Das schmale Büchlein ist dreißig Jahre alt und um Klassen besser als das, was uns hier geboten wird.

Jan Assmann, Ekkehart Krippendorf, Helwig Schmidt-Glintzer: Ma’at. Konfuzius. Goethe. Drei Lehren für das richtige Leben
Insel 2006
166 Seiten, 19,80 Euro