Wham! Bam! Islam!

Von Kai Adler · 09.05.2009
Ob Superman, Spider- oder Batman - die Superhelden der bunten Comicbände sind seit Jahrzehnten bei Jugendlichen beliebt. Dass sie westlicher Machart sind, schien bislang selbstverständlich. Nun hat ein Verleger aus Kuwait einen Comic produziert, der sich an islamischen Werten orientiert.
Der Werbetrailer des kuwaitischen Verlagshauses Teshkeel zeigt eine Comic-Zeitschrift: Spiderman, Batman, Superman springen nacheinander aus dem bunten Blatt. Doch dann eine neue Figur: "Jabbar" klärt uns der arabische Sprecher auf und dann, als eine weibliche Figur erscheint: "Noora". "Jabbar" und "Noora", zwei Comicfiguren arabischer Machart, die – so suggeriert der Trailer – auf Augenhöhe neben westlichen Helden, neben Batman, Catwoman und Co. stehen. Naif al-Mutawa ist der Macher hinter dieser Idee.

"Ich bin ausgebildeter Psychologe und habe in einer New Yorker Klinik Opfer politischer Folterprogramme behandelt. - Darunter auch einige ehemalige irakische Soldaten, die mit der Vorstellung groß geworden waren, Saddam Hussein sei ein Held. Und das, obwohl sie selber unter ihm gelitten haben. Mit ihnen zu sprechen hat mich nachdenklich gemacht: Mit welchen Werten wachsen eigentlich wir auf?"

Ausgestattet mit außergewöhnlichen Fähigkeiten retten die Superhelden die Welt: Spiderman kann wie eine riesige Spinne klettern. Superman fliegt "schneller als eine Pistolenkugel" und ist "stark wie eine Lokomotive" wie bereits der erste Band aus dem Jahre 1930 ankündigt.
Wie die biblischen Propheten wachsen auch die Comicheroen ohne ihre Eltern auf. Superman und Co. stehen in Verbindung mit einer höheren Macht, für die sie kämpfen und von der sie Botschaften erhalten.

"Alle Superhelden kommen aus dem Westen und gründen auf biblischen Archetypen. (...) Superman wird allein zur Erde gesandt, ähnlich wie Moses, der auf dem Nil ausgesetzt wird."

"Dann hört man Supermans Vater aus dem Himmel sagen: 'Ich habe Euch meinen einzigen Sohn gesandt.' Das ist eine Metapher für Jesus."

Den westlichen Popheroen mit biblischen Attributen setzt al-Mutawa 99 islamisch geprägte Superhelden gegenüber.

99 Attribute schreibt der Koran Gott zu. Ein jeder von al-Mutawas Helden verkörpert eine dieser göttlichen Eigenschaften. Doch bei dieser Anleihe aus dem Koran belässt es al-Mutawa auch schon.

"Ich habe mich am Koran orientiert und an den positiven, multikulturellen Werten, die ich dort finden konnte. So ist die Botschaft, die ich vermittele in meinen Augen eine sehr islamische und zugleich eine universelle: Für mich gibt es keine Werte, die man einer bestimmten Religion allein zuordnen kann. Es sind allgemeingültige, humanistische Werte: Großzügigkeit, Weisheit, Mitgefühl."

Zwar sind die weiblichen Figuren der Ninety-nine weniger körperbetont gehalten als so manche westliche, doch ansonsten sind al-Mutawas Heroen optisch kaum von Charakteren à la Batman zu unterscheiden.

"Meine 99 Helden kommen aus 99 verschiedenen Ländern. Ihre jeweilige Religion wird nirgends erwähnt. Nur vier meiner weiblichen Helden tragen den Schleier, eine trägt sogar die Burka, denn eine der 99 Eigenschaften Allahs ist die, dass er nicht sichtbar ist. Und also trägt die Heldin, die diese Eigenschaft verkörpert, die Burka."

"Die Geschichte beginnt vor langer Zeit ..."

... genauer: im Jahre 1258, dem Jahr, als die Mongolen Bagdad - damaliges Zentrum der islamischen Welt - überfielen.

Die Invasoren zerstörten die Stadt und ihre berühmte Bibliothek, die größte der damaligen Zeit, in der - ins Arabische übersetzt - das Wissen verschiedenster Kulturen und Religionen aufbewahrt wurde.

"Ich schreibe diese Geschichte um. Bei mir erfahren die Bibliothekare vorher von diesem Plan der Mongolen und erfinden eine chemische Lösung, die das Wissen der Bücher bewahren soll. Doch die Mongolen sind vor ihnen da und die Bücher und die chemische Lösung landen im Tigris. Über die Jahre aber saugen die Steine im Fluss all dieses Wissen der Bücher in sich auf."

Al-Mutawa schickt seine 99 Helden aus, um diese, nun über die ganze Welt verstreuten Steine und ihr Bücherwissen zurückzuholen.

Obwohl die ersten Ausgaben der Ninety-Nine im Jahre 2006 nur in Kuwait erschienen, bekam al-Mutawa schon damals Reaktionen aus allen Teilen der muslimischen Welt - positive wie negative. In Saudi Arabien wurde der bunte Band zunächst verboten – zu unislamisch, fanden die dortigen Herrscher.

"Zu Beginn wurde ich gefragt, ob ich bei religiösen Gelehrten Rat eingeholt habe. Ich habe das vermieden, denn ich wusste genau, dass, wenn ich von einem Gelehrten Zustimmung erhalten würde, ein anderer kommen und dieses Urteil wieder in Zweifel ziehen würde. Und ich wäre dann in einem politischen Netz gefangen."

Erst als al-Mutawa Unterstützung einer islamischen Bank erhält, erlaubt auch Saudi Arabien die Publikation. Inzwischen wird das Heft nicht nur in der gesamten arabischen Welt sowie - in die jeweiligen Landessprachen übersetzt - in Indonesien, Indien, Malaysia und den USA publiziert. (Dennoch müssen immer wieder religiöse Befindlichkeiten umschifft werden.

"Im Islam heißt es, dass man eine Frau und einen Mann nie allein lassen soll, weil dann die Versuchung oder der Teufel im Spiel sei. Also tauchen in meinem Comic immer nur drei, nie zwei Figuren zusammen in einem Bild auf: Zwei Männer und eine Frau oder umgekehrt. Nun aber haben mich Kritiker angegriffen und gesagt, ich wolle damit die Idee der Trinität oder den Katholizismus im Nahen Osten publik machen. Man kann also nie ganz gewinnen."

Gewonnen hat er dennoch: Schon längst schreibt al-Mutawa nicht mehr selbst, sondern hat ein professionelles Team erfahrener Schreiber und Zeichner um sich versammelt. Insgesamt 25 Millionen Dollar wurden investiert. Aus der Idee ist ein Imperium erwachsen. Am 25. Februar diesen Jahres, just dem Nationaltag Kuwaits, öffnete im Land der erste Vergnügungspark im Ninety-Nine-Motto seine Pforten. An einer Verfilmung des Comics 2010 wird sich auch der kommerzielle europäische Filmproduzent Endemol beteiligen. Es scheint: Die internationale Karriere von Allahs Superhelden steht gerade erst am Anfang.