Wettrüsten im Indopazifik

China als Sicherheitsrisiko

21:41 Minuten
Die Crew eines chinesischen Kriegsschiffes verabschiedet sich vor dem Auslaufen aus dem Hafen in der chinesischen Stadt Zhoushan im April 2020.
Ein chinesisches Kriegsschiff vor dem Auslaufen in der chinesischen Stadt Zhoushan im April 2020. © picture alliance / dpa / Photoshot / Jiang Shan
Janka Oertel im Gespräch mit Isabella Kolar · 28.04.2021
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Eine militärische Konfrontation zwischen den USA und China im Indopazifik ist realistisch. Die aggressive Außenpolitik der Kommunistischen Partei Chinas unter Staatschef Xi Jinping zielt auf Machterweiterung. Europa sollte sich darauf vorbereiten.
Der indopazifische Raum war in den vergangenen Jahren immer wieder Schauplatz geopolitischer Spannungen, die durch die Rivalität zwischen China und den USA weiter befeuert wurden.
Das neue Selbstbewusstsein Chinas, das durch die Corona-Krise noch größer geworden ist, macht die Situation aktuell so gefährlich, sagt Frau Dr. Janka Oertel, Direktorin des Asien-Programms des European Council on Foreign Relations.

China will militärische Stärke zeigen

China trage derzeit Konflikte mit Brunei, Indonesien, Vietnam, Malaysia, Taiwan und den Philippinen im Südchinesischen Meer aus. Sowie mit Japan im Ostchinesischen Meer und mit Indien im Indischen Ozean.
Die Asien-Expertin sagt, dass es für China dort momentan vor allem darum gehe, militärische Stärke, Präsenz zu zeigen, um die eigenen Interessen durchsetzen zu können. Das verändere das gesamte Gleichgewicht vor Ort.
Eine blonde Frau mit rotem Lippenstift steht vor einem Bücherregal.
"Wir müssen in Europa Koalitionen bilden, die internationales Recht und Ordnungsvorstellungen verteidigen", sagt Janka Oertel vom European Council on Foreign Relations.© Nicole Schurr
Die Wissenschaftlerin kritisiert, dass man sich in Europa sehr lange darauf verlassen habe, dass die Indopazifik-Region, die so wichtig sei für Wirtschaft und weltweite Stabilität, sicher und konfliktfrei bleibe. Und dass man darauf vertraut habe, dass die USA in Zusammenarbeit mit ihren Alliierten die Region schon befrieden würden.
Davon habe China für seinen eigenen wirtschaftlichen Aufstieg ganz stark profitiert. Und nun sei die Stabilität, die man über Jahrzehnte habe beobachten können, in Gefahr.

China als Hightech-Macht mit Flugzeugträgern

Der militärische Umfang von Rüsten und Gegenrüsten in der Region ist immens, sagt Jana Oertel. China sei inzwischen eine Hightech-Macht mit zwei – bald drei – funktionsfähigen Flugzeugträgern und werde zunehmend zu einem Sicherheitsrisiko in der Region. Auch ignoriere China internationale Rechtsprechung, so etwa ein Urteil des internationalen Seegerichtshofs vom Jahr 2016 im Fall einer Auseinandersetzung mit den Philippinen.
Es fehle gerade im Südchinesischen Meer weiterhin ein rechtsverbindlicher Verhaltenskodex, an dem die Staaten in der Region seit Jahren arbeiteten.

China schafft seit Jahren Fakten im Indopazifik, sagt Janka Oertel, zum einen weil es die Macht habe und zum anderen, weil die Staaten in der Region weiterhin stark wirtschaftlich abhängig seien von dem Land mit dem Großmachtanspruch.
"Man kann das Verhalten Pekings als aggressiv und machtbewusst bezeichnen".
Besonders gefährlich sei die Situation derzeit im Zusammenhang mit Taiwan, das ein essenzieller Teil der Vorstellung der Kommunistischen Partei sei, wenn es um die Wiedervereinigung des Landes gehe.

Peking will bis 2049 Großmacht sein

Laut Janka Oertel kommt ein neuer Tonfall aus Peking, seit Xi Jinping 2012 / 13 in seine Ämter eingeführt wurde. Es gehe ganz klar darum China bis zum Jahr 2049 in den Status einer Großmacht in allen Bereichen: wirtschaftlich, politisch, aber auch militärisch zu überführen, und das zeige sich jetzt schon.
Politisch würden die Staaten der Region unter Druck gesetzt und versucht, sie durch Investitionen an Peking zu binden. Wirtschaftlich baue China die Macht in der Region vor allem über Häfen aus, von Bangladesch über Sri Lanka, über Malaysia, bis nach Kenia inclusive einer Militärbasis im ostafrikanischen Dschibuti.
Der chinesische Präsident Xi Jinping sitzt an einem Tisch mit Mikrofonen während einer Videokonferenz im April.
Staats- und Parteichef Xi Jinping ist mitverantwortlich für den zunehmend groben Ton im Indopazifik.© picture alliance / Xinhua News Agency / Li Xueren
Dem Prinzip der "Macht des Stärkeren", das China im Indopazifik praktiziere, sollten Deutschland und Europa im eigenen Interesse etwas entgegensetzen, sagt Oertel, die sich seit vielen Jahren mit der chinesischen Außen- und Sicherheitspolitik beschäftigt:
"Wir haben ein sehr, sehr großes Interesse daran, dass Normen und Regeln eingehalten werden. Dafür müssen wir in Europa Koalitionen bilden, die internationales Recht und Ordnungsvorstellungen verteidigen."

Es geht um Wirtschaft, um Lieferketten und um Werte

Die indopazifische Region, so die Expertin, bedeute für uns die Zukunft der Prosperität, die Zukunft der Rechtsordnung, die wir uns vorstellen, aber auch die Zukunft der Art von Lebensstandard, die wir uns hier in Europa wünschen. Es gehe um Wirtschaft, es gehe um Lieferketten und es gehe um Werte. Für eine Welt der Macht des Stärkeren im Gegensatz zu einer Kraft des Rechts sei Europa letzten Endes ziemlich schlecht ausgestattet.
"Wenn es zu einer echten Konfrontation in der Region kommt, insbesondere zwischen den USA und China, ist es besser, auf diese Szenarien vorbereitet zu sein, als die Augen davor zu verschließen und auf das Beste zu hoffen. Dafür ist unsere Zukunft viel zu sehr verquickt mit den Interessen der Staaten im Indopazifik."
(ik)

Außerdem sprachen wir mit Ralf Fücks [AUDIO] , dem Direktor des Zentrums Liberale Moderne, über die aktuellen Regierungsgespräche zwischen Deutschland und China.
China ist für Fücks eindeutig ein "Gegner der liberalen Demokratie". Er begrüßt, dass diese Erkenntnis nun "langsam in unsere Politik" einsickere. Frühere Versuche einer "strategischen Partnerschaft mit China", waren für ihn stets "Traumtänzerei". China habe in den letzten Jahren innen- wie außenpolitisch einen "autoritäreren, aggressiveren Kurs" eingeschlagen.
"Es wird Zeit zu realisieren, dass wir in einer neuen Systemkonkurrenz sind", so Fücks. Die Lage stelle sich dabei anders dar als in der früheren Konkurrenz zwischen dem Westen und dem Ostblock: "Die Sowjetunion war nie in der Lage, die Systemkonkurrenz wirtschaftlich und technologisch zu gewinnen." Dies nun auch für China anzunehmen, sei infrage zu stellen, so Fücks. (thg)
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