Wettlauf der Wahnsinnigen

25.09.2013
Dass Charles Lindbergh als Erster nonstop den Atlantik überflog, ist bekannt. In diesem Buch jedoch erzählt Joe Jackson die unterhaltsamen, bizarren und gelegentlich einfach nur tragischen Geschichten von Lindberghs Konkurrenten.
1919 setzte der New Yorker Hotelbesitzer Raymond Orteig einen Preis aus: 25.000 Dollar für denjenigen, der es als Erster schafft von New York nach Paris oder von Paris nach New York zu fliegen - nonstop. Lange traute sich niemand diese Aufgabe zu. Doch ab Mitte der Zwanzigerjahre wird die Flugzeugtechnik besser, das Ziel scheint erreichbar.

Favorit des Wettflugs war der Franzose René Fonck - einer der besten Kampfpiloten des Ersten Weltkrieges. Doch sein überladenes Flugzeug brach beim Start auseinander. Foncks Scheitern ist die Chance für andere: Zehn Amerikaner, drei weitere Franzosen, ein Norweger und ein Russe bewarben sich um das Preisgeld. Darunter Richard Byrd, der amerikanische Polarforscher, der nach eigenen Angaben am 9. Mai 1926 den Nordpol überflogen hatte - woran es bis heute berechtigte Zweifel gibt.

Oder das seltsame französische Fliegerduo François Coli und Paul Tarascon. Coli hatte bei einem Unfall sein rechtes Auge verloren, Tarascon den rechten Fuß. Nach einem Crash beim Probestart verletzte sich Tarascon erneut und wurde durch Charles Nungesser ersetzt. Coli und Nungesser starteten am 8. Mai 1927 von Paris, kamen aber nie in New York an. Vermutlich schafften sie es über den Atlantik, wurden aber von einem Schmugglerschiff, das sie für Zollflieger hielt, abgeschossen.

Detailverliebt und bildreich erzählt Joe Jackson von den Luftpionieren, von ihren Träumen und ihrem Scheitern. Vieles ist unterhaltsam und lehrreich, wie die Lebensgeschichte des russischen Flugzeugbauers Igor Sikorsky, der nach der Revolution 1917 zunächst nach Paris, dann in die USA auswanderte und sich dort mit einer Flugzeugbaufirma etablierte. Oder die Erklärung des Bodeneffekts, eines schwer zu kontrollierenden physikalischen Phänomens, das dazu führt, dass Flugzeuge in Bodennähe entweder mehr oder weniger Auftrieb als normal erfahren.

Die Amerikaner Noel Davis und Stanton Hall Wooster stürzten genau aus diesem Grund beim Probeflug ab. Mitunter ist der Zettelkasten des Autors allerdings zu voll: Exkurse zu frühen Atlantikfahrten, wie zu der des heiligen Brendan aus dem 6. Jahrhundert, blähen das Buch ebenso unnötig auf wie der Bericht über die Beerdigung Rudolph Valentinos oder die Anmerkungen zur "Technik des Dramas" von Gustav Freytag.

Diese Materialfülle verschüttet am Ende auch ein wenig Jacksons These: Dass Charles Lindbergh am Ende nur durch Glück siegte - oder durch das Unglück der anderen, die irgendwie auf der Strecke blieben. Lindbergh als Sieger bekam allen Ruhm. Jacksons Verdienst ist es, an die anderen Flugpioniere zu erinnern.

Besprochen von Günther Wessel

Joe Jackson: Atlantikfieber. Lindbergh, seine Rivalen und der Wettflug über den Ozean
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Rudolf Mast
Mare Verlag, Hamburg 2013
736 Seiten, 26 Euro