Mittwoch, 24. April 2024

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Astrid North über ihr zweites Soloalbum
"Keine musikalischen Kompromisse"

"Sugar, Sugar Honey" hieß der Song, der 1997 die Band Cultured Pearls in ganz Deutschland bekannt machte. Die Sängerin von damals, Astrid North, hat dem Mainstream inzwischen den Rücken gekehrt. Ihr zweites, sehr melancholisches Soloalbum finanzierte sie mit Crowdfunding.

Astrid North im Gespräch mit Juliane Reil | 10.09.2016
    Astrid North, Sängerin der Band Cultured Pearls, vor dem Gebäude von Deutschlandradio Kultur
    Die frühere Sängerin der Cultured Pearls nahm ihr zweites Soloalbum ohne Major Label auf (Deutschlandradio / Dirk Schneider)
    Juliane Reil: Astrid North, bei Interviews werden Sie meistens als Sängerin der deutschen Band "Cultered Pearls" eingeführt. Die Band hat ihr letztes Studio-Album 2002 herausgebracht. Sie sind inzwischen als Solokünstlerin tätig. Stört Sie dieser ewige Rückbezug auf die ehemalige Band?
    Astrid North: Das stört mich ganz und gar nicht. Es ist Teil meiner Vergangenheit heut und eine unheimlich lange Zeit und es war eine unheimlich lange Zeit. Im Endeffekt waren es elfeinhalb, zwölf Jahre insgesamt.
    Reil: Genau. Anfang der 90er Jahre haben sich Cultured Pearls gegründet. Da waren Sie 19, 20 Jahre alt, wenn ich richtig gerechnet habe, gerade mit der Schule in Berlin fertig und Cultured Pearls ihre erste professionelle Band. Wie hat diese Zusammenarbeit Sie als Musikerin geprägt, denken Sie?
    North: Ach total. Ich hab zwar relativ früh angefangen und hab auch immer mit den Bands und Musikern, mit denen ich zusammen gespielt und gearbeitet habe, zusammen geschrieben. Also, wir hatten immer Eigenkompositionen. Und bei Cultured Pearls, als wir uns da zusammengetan haben, war das dann eben nochmal ein bisschen genauer. Wir haben uns länger hingesetzt, länger an den Kompositionen gearbeitet, wir haben unheimlich viel gespielt, wir waren eben viel auf der Bühne und viel unterwegs. Wir haben eben viele Platten gemacht. Das ist eine sehr, sehr intensive Erfahrung. Eigentlich war man eine Familie.
    "Das Gefühl keine musikalischen Kompromisse eingehen zu müssen"
    Reil: Aber da könnte man sich fragen, warum eine solche Band anfängt zu pausieren oder , ich weiß es gar nicht, ob sie sich mittlerweile heimlich aufgelöst hat. 2003 kam noch ein Best of-Album raus und seitdem hat man nichts mehr von der Band gehört.
    North: Wir haben uns nie offiziell aufgelöst. Wir wollten zunächst pausieren. Dann dauerte es aber länger mit meinem Soloalbum und ich wollte mich nicht unter Druck setzen, dieses Album endlich rauszubringen, um dann das nächste Cultured-Pearls-Album zu machen. Ich weiß nicht, ob ich jetzt so entscheiden würde, im Nachhinein, weil es doch eine sehr verantwortungsvolle Situation ist eigentlich. Wir sind zu dritt. Wir sind füreinander irgendwie auch verantwortlich über diese zehn, zwölf Jahre hin als Firma in Anführungsstrichen und als Gruppe, und trotzdem war es mir einfach wichtig, mich zu verwirklichen und in meinem Gefühl diese musikalischen Kompromisse nicht einzugehen oder eingehen zu müssen.
    Reil: Was heißt "musikalische Kompromisse"?
    North: Also – ganz, ganz kleines Beispiel – wir hatten ein Stück, das heißt "Underwater Men" – und das war eigentlich eine Akustikgitarren-Stimmen-Nummer - ganz, ganz leise, ein ganz kleines Stück, aber mit viel Herzblut. Als es in die Produktionsphase ging, fand die Plattenfirma dieses Stück auch ganz toll und sagte: 'So, aber wir müssen es radiotauglich machen.' Und das war letztendlich ein Kompromiss, den ich nicht eingehen wollte, weil radiotauglich hieß, das Stück anders zu produzieren als ich es gefühl und gehört habe – also eben nicht nur mit Akustikgitarre und Gesang und ganz leise – sondern eher eine poppige Produktion, und das war für mich schon kein schönes Gefühl.
    Reil: Das heißt, das Problem war eigentlich weniger die Band als vielmehr das Major-Label. Die Politik des Labels?
    North: Das war es auch, wobei ich überhaupt nicht meckern möchte, weil uns ging es ja total gut, also finanziell – besser hätte es uns ja auch nicht gehen können. Das war schon eine super Erfahrung und gleichzeitig steht man auch als Band, wenn man intern nicht einer Meinung ist, dann kann es auch intern ein bisschen schwierig werden: Wer ist denn wofür? Ist man jetzt eher für den möglichen Erfolg durch eine andersartige Produktion? Oder möchte man eigentlich das, was man empfindet und fühlt, hörbar machen und das ist es dann.
    Zweites Soloalbum mit Crowdfunding finanziert
    Reil: Die aktuelle Platte "Precious Ruby" , die haben Sie mit Hilfe einer Crowfunding-Kampagne finanziert. Das heißt, sie haben ihre Fans aufgerufen, Geld zu sammeln, damit dieses Album entstehen kann. Wieso haben Sie sich für diesen Schritt entschieden?
    North: Ein paar Jahre im Vorfeld hatte ich davon schon gehört und irgendwann hatte ich mitbekommen, dass es diese Plattformen auch in Deutschland schon gibt - und ich fand es einfach spannend, zwischendurch auch ganz schrecklich spannend - wirklich, dass ich Angst hatte.
    Reil: Wie sind Sie dann mit dieser Angst umgegangen?
    North: Ja, die war dann da. Ich glaube, ein bisschen musste ich schon versuchen, die von mir abzufegen. Ich hatte mit ein, zwei Kolleginnen gesprochen, die das auch gemacht haben und mir gesagt haben: Du, wenn es scheitert: Wen interessiert es wirklich? So weltlich gesehen? Global gesehen ist das ja nur ein kleiner Sandkorn, der dann eben fällt und wieder aufstehen muss. Und es wäre jetzt irgendwie nicht das erste Mal, dass ich denke, ich bin irgendwie gefallen:
    Reil: Aber Sie sagten gerade, wen interessiert es. Die Fans interessiert es natürlich schon.
    North: Ja, also das bezog sich eher auf mich, dass man sich in solchen Sachen eher ein bisschen zu wichtig nimmt.
    Reil: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, geht es vor allen Dingen darum, sich künstlerische Freiheit zu bewahren, indem man selbst eine Platte rausbringt oder Wege geht, wie mit dem Crowdfunding. Ich frage mich allerdings immer, ob diese künstlerische Freiheit nicht auf andere Art und Weise eingeschränkt wird, weil man ja diese Tätigkeiten wie Werbung und Organisation für eine Platte, die dann ein Label für einen übernimmt, das muss man selber übernehmen in diesem Prozess und auf eine Art und Weise erfährt man ja dann eine Einschränkung von künstlerischer Freiheit.
    North: Es ist schon viel Arbeit und etwas anders, aber künstlerisch fühle ich mich nicht eingeschränkt. Nur vielleicht zeitlich ein bisschen.
    Reil: Dazu haben Sie ja auch Familie. Sie sind zweifache Mutter. 2012 ist dann – vielleicht kann man sagen, ein drittes Kind auf die Welt gekommen mit ihrem ersten Soloalbum. Kann man das so sagen?
    North: Ja, auf jeden Fall, das war auch eine lange Geburt.
    Reduziertes Arrangement und ein Cello
    Reil: Jetzt gibt es ein zweites Album, das in den Startlöchern steht: zehn neue Songs – die sehr viel reduzierter angelegt sind als das Vorgängeralbum - zum Beispiel was die Besetzung angeht. Im Kern: Gesang, Klavier, Cello und Schlagzeug. Wie kam es zu dieser Reduktion?
    North: Im Endeffekt über die Erfahrung des Live-Spielens. Ich hatte ziemlich schnell nach der Veröffentlichung meines ersten Soloalbums, eine Band zusammengestellt. Wollte relativ schlank sein, damit ich die Reisekosten ein bisschen reduzieren kann und man nicht mit einem großen Bus, sondern auch mit einem PKW fahren kann. Und da habe ich gemerkt mit Piano, Schlagzeug und Synthie war das zu diesem Zeitpunkt noch und ist es auch immer wieder, lässt sich dieses erste Album unheimlich gut umsetzen.
    Reil: Und die Streicher, die man eben schon von Ihrem Debüt als Solokünstlerin kennt, und jetzt ein einzelner Streicher mit dem Cello auf ihrem aktuellen Soloalbum. Man kennt Streicher in der Popmusik, wenn man zum Beispiel Motown denkt und bestimmte Arrangements in den 70er-Jahren. Trotzdem ist das Cello irgendwie ungewöhnlich.
    North: Also, das habe ich jetzt schon ein paar Mal gehört und gleichzeitig, aber - 'Ich finde Cello so schön.' Und genauso geht es mir auch. Ich fand Cello schon immer klanglich so warm, manchmal auch als ob es weint, aber eben anders als eine Geige.
    Reil: "Weinend" vielleicht auch ein ganz gutes Stichwort, denn die Stimmung auf dem aktuellen Album "Precious Ruby" ist durchweg melancholisch für mein Gefühl. Von der Stimmung her ist das fast ein Blues-Album für mich, obwohl Sie eigentlich keinen Blues darauf haben. Woher kommt diese Melancholie?
    North: Ich glaube vielleicht setze ich mich nicht so häufig hin oder vielleicht kommen bestimmte Ideen nicht, wenn ich total glücklich und froh und hüpfend durch die Gegend laufe. Beziehungsweise, wenn mir dann Melodien kommen, dann streife ich sie vielleicht eher ab, als poppige Kindermelodie, die ich jetzt gar nicht beachten möchte, sondern einfach genieße. Und in den melancholischen Zeiten ist mein Bedürfnis mich damit auseinanderzusetzen vielleicht größer.
    Reil: Benannt ist das Album nach Ihrer verstorbenen Großmutter Ruby, weil Sie sich, glaube ich, grundsätzlich sehr stark mit Verlusterfahrungen auf diesem Album auseinadersetzen, ist das richtig?
    North: Ein sich endlich Verabschieden von Vergangenheitsgedanken. Es ist ja sowohl das Leben, der Tod als auch die Liebe oder Freundschaften, die nicht sein sollen, das beschäftigt mich schon und ich reflektiere da auch sehr - oder ich habe es sehr gemacht. Und ich glaube, bei einigen Stücken war das schon eine schöne, wichtige Auseinandersetzung damit.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.