"Wetten, das war's?" auf Netflix

Frank Elstners Abschied in Würde

06:35 Minuten
Zu sehen ist ein Mann, der mit einer Frau an einer Tafel sitzt. Beide unterhalten sich.
Die letzten Gäste: Der Moderator Frank Elstner lässt sich von Charlotte Roche erklären, wie die Unterhaltungsbranche heute funktioniert. © Netflix
Von Matthias Dell · 15.06.2020
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Er liebt die Fernsehunterhaltung: Frank Elstner spricht auf Netflix mit jüngeren Kolleginnen und Kollegen. Dabei geht es um Arbeit ebenso wie um seine Parkinson-Erkrankung. Kurzum – ein Gesprächsformat, das es nur noch selten zu sehen gibt.
Es ist nicht ohne Ironie, dass "Wetten, das war’s …?" sich nun auf Netflix einiger Beliebtheit erfreut. Das vermutlich letzte Format, das sich Frank Elstner ausgedacht hat, der "Wetten, dass …?"-Erfinder, ein Mann aus den goldenen Tagen linearen Fernsehens. Begonnen hat der heute 78-Jährige das Gesprächsformat vor einem Jahr auf seinem YouTube-Kanal, nachdem er seine Parkinson-Erkrankung öffentlich gemacht hatte.

Eine Ära geht zu Ende

Die Krankheit ist nun zu sehen, wenn Elstners Hand zitternd zum Glas greift, die Züge maskenhafter geworden sind. Seine Würde bleibt gewahrt, das Alter und die Erkrankung verleihen "Wetten, das war's ..?" einen besonderen Respekt: Gäste und Publikum wissen, dass hier eine Ära zu Ende geht.
Von der Ehrenrunde, die Elstner dreht, kündet die überschaubare Anordnung. Der Moderator sitzt an einer langen Tafel in einem Bühnenraum, um sich mit einer Person zu unterhalten wie nach einer Feier, auf der alle anderen schon gegangen sind.
Und weil die Eingeladenen – Klaas Heufer-Umlauf, Joko Winterscheidt, Lena Meyer-Landrut, Charlotte Roche und Daniel Brühl – alles mediale Figuren, wenn nicht auch Moderatorinnen sind, kann man einer Art symbolischen Testamentseröffnung beiwohnen: Elstner spricht mit seinen Nachfolgerinnen.

Kontakt mit der Gegenwart

Dabei interessiert ihn der Betrieb, die Arbeit an der Unterhaltung, auch der Erfolg – was ihn wacher auf das Heute blicken lässt als andere Kollegen seiner Generation. Wo Thomas Gottschalk immer nur macht, was er immer gemacht hat, dafür aber keine Form mehr findet, bleibt der weniger präsente, aber medial doch wachere Elstner auf diese Weise in Kontakt mit der Gegenwart.
Zwar kommt Elstner von Poesiealbumsfragen ("Was lebst du deinen Kindern vor?") durch präzises Nachhaken im Gespräch mit Joko Winterscheidt an berührende Momente. Doch er ist nicht unbedingt der einfühlsamste Interviewer. So verströmt er gegenüber Charlotte Roche einen leicht öligen Altherrencharme – etwa wenn er den Bucherfolg "Feuchtgebiete", den die damals 30-jährige Autorin hatte, einem "Mädchen" zuschreibt; oder wenn er nicht verstehen kann, dass eine selbstbestimmte Äußerung weiblicher Sexualität, wie in dem Buch, keine Einladung zum Belästigtwerden ist.

Reduktion gibt Raum für ein Gespräch

Immerhin steuert Elstner aber auch den Fall des einstigen WDR-Redakteurs Gebhard Henke an, der auch Roche begrapscht hatte. Es ist ein eindrucksvoller Moment, wie genau und klug die Moderatorin von den Schwierigkeiten erzählt, sich gegen solche Übergriffigkeiten zu wehren, in dem konkreten Moment, aber auch unmittelbar danach.
Dass es zu solchen Szenen kommt, hat nicht zuletzt mit der Reduktion zu tun: Elstner plus ein Gast. Deshalb lässt sich der Erfolg von "Wetten, das war's ..?" auch als Seitenhieb Elstners auf die Talkshows in ARD und ZDF lesen – als eleganter Kommentar auf die Starrheit der Runden, in denen zwischen vier bis sechs Gästen doch kein Gespräch entsteht.
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