"Western" von Valeska Grisebach

Schuften im wilden Osten

Meinhard Neumann in Valeska Griesebachs "Western"
Meinhard Neumann in Valeska Griesebachs "Western" © Komplizenfilm
Von Hannelore Heider · 24.08.2017
Regisseurin Valeska Grisebach ist ein intensiver Film gelungen. Schauplatz der Handlung: eine einsame Berglandschaft in Bulgarien. Der Held des Films: ein Mann, der sich keinem Gruppenzwang unterwirft und nur nach seinen eigenen Gesetzen lebt.

Worum es geht

Ein Trupp deutscher Bauarbeiter macht sich auf den Weg, um in Bulgarien in einsamer Berglandschaft ein Wasserwerk zu bauen. Fern der Heimat ist die bunt zusammengewürfelte Truppe auf Montage in einem fremden Land, in dem sich die Männer nicht einmal sprachlich verständigen können. Hoch auf dem Berg bauen sie sich eine Art deutsche Burg und hissen die Fahne.
Nur Meinhard (Meinhard Neumann) sucht den Kontakt mit den Einheimischen im Dorf und wird nach ungeschickten Versuchen der Annäherung auch wirklich angenommen. Nicht nur deshalb gelangt er in die Rolle des Außenseiters. Er ist trotz seiner Offenheit für die neue Umgebung ein verschlossener, geheimnisumwitterter Mann, der Konflikte im Arbeitstrupp förmlich provoziert. Sein Gegenspieler im schon westernartig angelegten Duell ist der erfahrene Arbeitsführer Vincent (Reinhardt Wetrek).
Szene aus Valeska Griesebachs "Western"
Szene aus Valeska Griesebachs "Western"© Komplizenfilm

Das Besondere

Valeska Grisebach hat sich eine Landschaft für den Dreh ausgesucht, die die Freiheit und Unbändigtkeit, die für das Western Genre bezeichnend ist, selbst in unserer heutigen modernen Gesellschaft visualisiert. Ihr Held ist ein Mann von Außen, der souverän nur nach seinen eigenen Gesetzen lebt und sich keinem Gruppenzwang unterwirft. Er hat nie eine Heimat gehabt und ist vielleicht deshalb fähig, sich eine Gemeinschaft, wie fremd auch immer, zu schaffen.
Diese Gruppenbeziehungen im eigenen Lager und im fremden Dorf laufen fast wortlos ab, erzeugen eine eigene Spannung - nur durch die Bewegungen im Bild. Für die Authentizität und Echtheit der Atmosphäre hat Valeska Grisebach auch diesmal fast ausschließlich mit Laien-Darstellern gedreht – und erzielt eine großartige Wirkung.

Bewertung

"Western" ist ein intensives, ungewöhnliches Kinoerlebnis, was das Festivalpublikum in Cannes sehr wohl zu schätzen wußte. Das nicht auf Dialoge gebaute Erforschen der Figuren und Konstellationen gerät für den Zuschauer zum Abenteuer, wie der geplante und natürlich chaotisch verlaufende Bau selbst. So eng begrenzt der Schauplatz der Handlung auch ist, holt er gerade durch den Gegensatz von zwei so unterschiedlichen Orten und Lebensräumen Europas viel ‚Welt‘ in den Film, nicht zuletzt das Umkreisen von Begriffen wie Heimat und Deutschland.

"Western" - Deutschland, Österreich, Bulgarien 2017
Regie: Valeska Grisebach
Darsteller: Meinhard Neumann, Reinhardt Wetrek, Viara Borisova, Veneta Fragnova
121 Minuten, ab 12 Jahren

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