Western von Joe R. Lansdale

Splatter in Quentin-Tarantino-Manier

Ein Messer liegt in Kunstblut.
Ein Messer liegt in Kunstblut. © picture alliance / dpa / Fritz Schumann
Von Hans von Trotha · 02.05.2016
Hier wird gefoltert, vergewaltigt und geschossen: Joe R. Lansdales "Das abenteuerliche Leben des Deadwood Dick" ist kein Western-Krimi für zarte Gemüter. Wer es schafft, das zu ertragen, wird mit einer eindrucksvollen Geschichte übers Geschichtenerzählen belohnt.
Zärter besaiteten Seelen, die Gewalt im Buch lieber als literarischem Pendant zu den Cohen-Brüdern begegnen als in blutspritzender Tarantino-Manier, wird es schwer fallen, mit Joe R. Lansdale im Allgemeinen und der Geschichte des freigelassenen Sklaven Willie, der zur Westernlegende Deadwood Dick wird, im Besonderen, warm zu werden.
Da wird gefoltert, vergewaltigt und geschossen, was das Zeug hält. Und doch, wer beim Lesen ab und zu wie bei Tarantino im Kino die Augen zumacht und sich dem Geschichtenerzähler Lansdale ganz hingibt, der wird all die schindenden und geschundenen Kreaturen am Ende vermissen, und wenn nicht die Figuren, dann doch die Art, in der sie voneinander erzählen – was nichts anderes ist als die Art, in der Lansdale von ihnen erzählt.
Schließlich ist die ganze Splatterei ironisch gebrochen, auf intelligente Weise. Da ist die hypernaive Erzählweise in der ersten Person, die in Verbindung mit wüstenerprobter Südstaatenlakonik eine Perlenkette metaphorischer Stilblüten generiert, an denen man zunehmend Vergnügen finden kann, eben weil es Rollenprosa ist:
"Der Gedanke lag rum wie ein fauler Hund in der Sonne. An dem Tag aber, von dem hier die Rede ist, bekam der Hund plötzlich Feuer unter dem Hintern."

"Ein einziger Quell an Geschichten"

Es gibt eine Schlüsselszene, die die Handlung in Gang setzt. Da schaut der junge Schwarze einer Weißen auf die Unterwäsche, was deren Gatte sieht. Bei Lansdale respektive Willie liest sich das so:
"Die Vorstellung, dass ich gerade beäugt hatte, was auch jeder andere getan hätte, der vorbeigelaufen wäre, kroch ihm wie ein waidwundes Tier in den Arsch und verreckte. Und den Gestank konnte er nicht ertragen."
Vor allem aber erweist sich Lansdale als Meister einer robusten, aber stimmigen Meta-Erzählung – Meister nicht im Sinne literarischer Hochkunst, eher als Respektbezeugung vor dem vorbildlichen Handwerker, der wiederum seinen handwerklichen Vorbildern Respekt zollt.
Willie begegnet vielen Menschen, alle erzählen ihm ihre Geschichte – oder seine eigene: "Du bist ein einziger Quell an Geschichten", bescheinigt ihm einer, "ich will das alles aufschreiben und damit reich werden, selbstverständlich bekommst du einen Anteil vom Erlös." Und - nicht zu vergessen: "Ein bisschen was Wahres will ich schon einbauen."

Es geht um Wahrheit und Lüge

Ein Abenteuerroman als Poetologie der Wahrheit. Oder der Lüge. Was dasselbe ist. Es geht um Wahrheit und Lüge im poetischen, also außermoralischen Sinne. Eine Geschichte übers Geschichtenerzählen, ein Buch übers Bücherschreiben als Splatterkrimi auf der Folie des Buchs der Bücher: Der Originaltitel lautet "Paradise Sky", Willies schwarzer Hengst heißt Satan, die Frau, die er liebt, Ruth, deren Vater Luther … Auch der Golem taucht auf - und wird am Ende zwar nicht zu Lehm, aber zu Matsch, unappetitlicherweise buchstäblich.
Der letzte Satz hebt das Ganze noch einmal in die poetologische Sphäre, die dem Autor beim Schreiben zunehmend Vergnügen bereitet zu haben scheint: "Das allermeiste davon ist so wahr, wie's gerade ging, wenn man bedenkt, dass keiner langweilige Stellen mag."

Joe R. Lansdale: "Das abenteuerliche Leben des Deadwood Dick"
Aus dem Amerikanischen von Conny Lösch
Tropen Verlag/Klett Cotta, Stuttgart 2016
477 Seiten, 24,95 Euro

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