Werkstatt eines Hörspielcollageurs

    Die Entstehung des "Bananen-Heinz"

    Schriftsteller Ror Wolf am Tischkicker in Mainz, 2006
    Ror Wolfs Fußballstücke waren Meilensteine des O-Ton-Hörspiels. Im Anschluss an sie entstand „Bananen-Heinz“ © imago
    Ror Wolf im Gespräch mit Giuseppe Maio · 25.01.2019
    Ror Wolf machte 1983 den „Bananen-Heinz“ berühmt. Doch wie kam er eigentlich auf diesen fliegenden Händler aus Hessen, der in immer neuen Ansätzen sein Leben erzählt? Der inzwischen 87-jährige Ror Wolf erzählt von seinen Aufnahmen für die Radiocollage.
    Als ich mich sehr lange, ja, jahrelang mit Fußballtexten beschäftigte – das wird vielleicht noch jemand wissen – da war in dem Bereich der Fans von Eintracht Frankfurt ein Mensch, auf den ich ganz zufällig gestoßen bin. Heinz Blanz war sein Name. Es war ein Bananenverkäufer. Und ich hab mir in den Kopf gesetzt, mit diesem Mann etwas zu machen. Irgendetwas. Ich habe ihn dann sozusagen verfolgt. In Kneipen und in der Öffentlichkeit und so weiter. Immer stand ich mit dem Mikro in seiner Nähe.
    Ich habe den Bananen-Heinz bedrängt weiterzumachen
    Irgendwann war es so weit, dass er nicht mehr wollte, aber ich habe ihn sozusagen bedrängt, diese Sache zu Ende zu machen. Wir haben uns vielleicht 20 Mal in verschiedenen Gegenden getroffen, immer im Bereich von Frankfurt damals. Da wohnte ich noch in Frankfurt. Und schließlich hatte ich Material genug, um daraus dieses Stück – den "Bananen-Heinz" zu machen. Ganz kurze Zeit danach ist er, glaube ich, leider verstorben.
    Ich wollte den Eindruck erwecken, dass es sich nicht um ein einfaches Gespräch handelt zwischen Blanz und Wolf. Dass Blanz an verschiedenen Stellen auftauchen kann, egal wo. Wolf ist mit seinem Mikrofon unterwegs und schnappt ihn und stellt ihm eine Frage. Aber meine Fragen habe ich immer rausgeschnitten.
    Das Mikrofon hat der Bananen-Heinz bald vergessen
    Das Mikrofon hat er bald vergessen. Er hat gesprochen, gesprochen. Und ich habe natürlich auch sehr viel weggeschnitten. Das ist doch ganz klar. Er hat sich wohl gefühlt.
    Ab und zu brauchte ich die Zuneigung seiner alten Frau. Als er meinetwegen sagte: "Ah, isch kann jetzt nischt!" und "Isch will nisch mehr!", und dann sagte ich: "Gehen wir doch mal in die Kneipe und setzen uns hin. Ich zahl Ihnen ein Bier, und dann sehen wir mal weiter." Und dann ging es plötzlich wieder.
    Man musste die Gelegenheiten wahrnehmen, in denen er sprechen wollte. Und dann sprach er auch unentwegt, war eigentlich gar nicht mehr zu bremsen. Ich habe mich natürlich auch im Wesentlichen nach seiner Redeweise gerichtet. Das ist klar. Ich weiß sehr sehr gut, wie er aussah. Ich weiß sehr sehr gut, wie er gesprochen hat. Ich weiß sehr sehr gut, was ich mir vorgenommen hatte mit diesem ganz typischen Sprechen von Heinz Blanz, das war sein Name. Bananen-Heinz.
    Meine Versuche, ihn zum Reden zu bringen
    Auf genau diese Art der Absichtslosigkeit und der Absicht kam es mir an, also diese Mischform. Er wollte und wollte auch nicht. Genau das wollte ich bei ihm erreichen, dass er es zu Ende bringt, dass er irgendetwas sagt. Meine Versuche, ihn zum Reden zu bringen und weiterzureden, erscheinen nicht in meiner Stimme. Die erscheinen nur in seiner Redeweise, in seinen Neuansätzen.
    Seine Frau hat ihn immer unterstützt aus der Ferne und sagte: "Mach das doch, mach das doch, Heinz." Und dann hat sie mir ein Kissen unter den Arm gelegt, da, wo ich das Mikrofon hatte, und sagte: "Jetzt, jetzt macht er’s wieder. Jetzt macht er weiter."
    Ich habe ihm für die Aufnahmezeiten Geld gegeben
    Er war sozusagen von seiner Frau abhängig in diesem Sinne. Ich habe ihm auch für die Aufnahmezeiten Geld gegeben, das ist klar. Ich habe ihm das Geld gern gegeben und ich war mit dem Ergebnis hinterher sehr zu zufrieden. Ich war nur nicht zufrieden mit der Ablehnung, sagen wir mal, verschiedener Radiosender. Wenn sie das Stück hörten, sagten sie "Nee, das können wir nicht bringen. Bringen wir lieber ein anderes von Ihnen!"
    Ich glaube, ich habe ein bisschen zur Etablierung des O-Ton-Hörspiels beigetragen damals, in der Frühzeit. Mit Günter Eich, den ich sehr schätzte und der irgendwann auf mich aufmerksam geworden war, saß ich einmal zusammen bei einem Bier, und er sagte mir: "Machen Sie Hörspiele!". Denn ich hatte ihm gesagt: "Meine Bücher, die ich bei Suhrkamp veröffentliche, werden nicht so toll verkauft, dass ich davon leben kann." Er sagte: "Machen Sie Hörspiele!"
    "Machen Sie Hörspiele!" - So wurde ich Hörspiel-Collageur
    Und ich collagiere. Ich collagiere nicht nur Texte. Ich collagiere auch Bilder. Das heißt, man muss schneiden und man muss kleben. Und in diesem Prinzip war ich schon zu Hause damals. Und ich dachte eben: Jetzt machen wir auch mal Wortcollagen. Und das habe ich auch mit den Fußballtexten gemacht, die ich gesammelt habe. Ich habe ja jahrelang mitgeschnitten, verschiedene Sender mitgeschnitten, und habe daraus dann montiert. Ich wollte die Brüche, ich wollte genau das. Ich wollte dem Hörer auch das Gefühl geben, dass er in einem ganzen Haufen von Sätzen, Worten und Möglichkeiten ist.
    Ror Wolf über sein Stück "Bananen-Heinz". Aus der Reihe "Wirklichkeit im Radio". Features und dokumentarische Fundstücke aus 70 Jahren Rundfunkgeschichte. Die Reihe wird fortgesetzt. Immer am letzten Samstag im Monat um 18:05 Uhr.
    Zum O-Ton-Hörspiel:
    Produktion des Hessischen Rundfunks, 1983
    Reihe: Wirklichkeit im Radio - Bananen-Heinz
    (Deutschlandfunk Kultur, Feature, 26.01.2019, 18.05 Uhr)
    Mehr zur Feature-Reihe "Wirklichkeit im Radio":
    70 Jahre Radiofeature - Wie kommt die Wirklichkeit ins Radio?
    (Deutschlandfunk Kultur, Hörspielmagazin, 27.10.2018)