Werbeverbot für Schwangerschaftsabbruch

"Vernünftiger Kompromiss" im Streit um Paragraf 219a

Demonstration gegen den Paragraph 219a im Januar 2019 in Berlin
Der Protest gegen den umstrittenen Paragrafen 219a brachte viele Frauen auf die Straße © Emmanuele Contini/dpa
Hajo Schumacher im Gespräch mit Anke Schaefer  · 29.01.2019
Nach der Einigung der Koalition über eine Reform des Paragrafen 219a spricht der Journalist Hajo Schumacher von einem vernünftigen Kompromiss. Die Lösung sei für Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch vorhätten, praktikabel und für die CDU ein Erfolg.
Schwangere sollen sich künftig leichter über Möglichkeiten für einen Schwangerschaftsabbruch informieren können. Außerdem können junge Frauen Verhütungsmittel zwei Jahre länger, bis zum 22. Geburtstag, von der Krankenkasse bezahlt bekommen. Das sieht ein Referentenentwurf vor, auf den sich die Bundesregierung nach langem Streit über das Werbeverbot für Abtreibungen verständigt hat. Das Werbeverbot bleibt also bestehen, der Paragraf 219a wird aber ergänzt.

Gießener Ärztin protestiert

Die politische Debatte war nach der Verurteilung der Gießener Ärztin Kristina Hänel losgegangen, die sich für eine Abschaffung des Paragrafen einsetzt. Hänel war im Dezember 2017 auf Grundlage des Paragrafen zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil sie auf ihrer Webseite schrieb, dass sie Schwangerschaftsabbrüche anbietet. Nun brachte die Ärztin ihren Frust zum Ausdruck und schrieb auf Twitter: "Die neue Einigung bedeutet nur, dass Ärzt*innen jetzt doch informieren dürfen, dass sie Abbrüche machen. Weitere Informationen sind nicht erlaubt. Meine Homepage bleibt weiterhin strafbar."
Portrait von Hajo Schumacher vor dem Mikrofon im Studio.
Der Journalist Hajo Schumacher begrüßt die Einigung beim Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüchen. © Deutschlandradio / Malte E. Kollenberg
Unser Studiogast, der Journalist Hajo Schumacher, begrüßte dagegen die Einigung in der Koalition als ganz vernünftigen Kompromiss. "Die Vorstellung, dass für Abtreibung aggressiv geworben wird, also für Methoden oder ein Preiskampf sich da womöglich entspinnt, finde ich schon ein bisschen gruselig", sagte er im Deutschlandfunk Kultur.

Kein Kernthema der SPD

Für die SPD sei das Thema offenbar nicht wichtig genug gewesen, um daraus einen Grundsatzstreit oder "Koalitionszoff" zu machen. Das Thema Abtreibung sei eher bei den Grünen verortet, sagte Schumacher. "Das ist ein Frauenrechtsthema", sei aber kein Kernthema für die Sozialdemokraten. Man könne es vielleicht als Niederlage für die SPD betrachten, die den Paragraf eigentlich abschaffen wollte. In der der Öffentlichkeit gehe es vor allem darum, dass eine Frau die Möglichkeit zum Schwangerschaftsabbruch habe. Er halte es für praktikabel, bei der Ärztekammer eine Liste einzusehen und eine Praxis auszusuchen.

Symbolthema für links und rechts

Für die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer sei die Einigung ein großer Erfolg, da sie versuche ihre Partei in eine etwas konservativere Ecke zu rücken. "Sie hat verhindert, dass jetzt diese Werbung aggressiv möglich ist und wir wissen alle, Abtreibung ist ein großes Symbolthema zwischen links und rechts." Das kenne man auch aus den USA. Bis auf die Webseite der Ärztin Hänel sehe er eine ganze Menge Gewinner. (gem)

Hajo Schumacher, geboren 1964 in Münster, arbeitete von 1990 bis 2000 beim Nachrichtenmagazin "Spiegel". Später leitete er die Redaktion des Lifestyle-Magazins "Max". Heute ist er als freier Journalist und Autor für Tageszeitungen, Magazine, Hörfunk, Online und Fernsehen in Berlin tätig. Bekannt wurde der passionierte Läufer Schumacher außerdem als "Achim Achilles" mit einer regelmäßigen Laufkolumne. Zuletzt erschien sein Buch "Männerspagat: Wie wir mit Offenheit, Respekt und Leidenschaft die alten Rollen überwinden".

Mehr zum Thema