Wer zuletzt lacht, lacht am besten

Rezensiert von Thomas Kroll · 07.06.2006
Für Manfred Geier zählt das Lachen "zu den schönsten Dingen der Welt, wenn wir sie lebenspraktisch verstehen". In seiner Geschichte des philosophischen Humors geht er einer kaum beachteten Traditionslinie in den Unterströmungen der Philosophiegeschichte nach. Mit Blick auf ausgewählte Philosophen und deren Lehren zeigt er auf, warum und worüber Menschen lachen. Zugleich wird deutlich, dass es humorvolle Philosophen gab – und gibt.
Am Anfang war das Lachen. Genauer: In den Geschichten über die Anfänge der Philosophie ist immer auch die Rede vom Lachen einer thrakischen Dienstmagd. Die Namenlose lacht laut, als vor ihren Augen Thales von Milet in einen Brunnen fällt. Der weise Mann hatte in den bestirnten Himmel über sich geblickt, statt auf den Boden vor seinen Füßen zu achten.

Platon hat diese Szene in seinen Schriften überliefert und das spöttische, das schadenfrohe Gelächter der Magd verurteilt, weil in ihm "die dumpfe Einfalt der Ungebildeten gegenüber der Philosophie" zum Ausdruck kommt. Manfred Geier, Sprach- und Literaturwissenschaftler, sieht das anders:

"Es ist das befreiende Lachen einer Frau, die in einem kurzen Moment die Gründungslüge der europäischen Philosophie durchschaut: dass die Liebe zur Weisheit mit der Distanzierung von der Lebenswelt erkauft werden müsse. ... die Gestalt der Thrakerin steht für den Ausbruch in ein Gelächter, das auf schneidende Weise kurze Worte der Weisheit einschließt: Die Dinge der Welt bleiben der Philosophie, die mit Thales ihr Geschäft der Entwirklichung beginnt, verborgen."

Platon ist das Lachen fremd geblieben, was sich aus dessen Lebensumständen erklären lässt. Sein Schüler Aristoteles stellte immerhin fest, dass nur der Mensch "von allen Geschöpfen lachen kann". Eine derartige differentia specifica kann für die Philosophie nicht unbedeutend sein. In den Augen von Manfred Geier ist sie Grund genug für eine Tour d’horizon durch die Kultur- und Philosophiegeschichte – von Platon bis Sigmund Freud, von Diogenes bis Karl Valentin.

Schon früh gesellt sich dem Philosophos, dem Liebhaber der Weisheit, der Philogelos, ein Freund des Lachens und Humors, hinzu. Als Prototyp der Verbindung von Ernsthaftigkeit und Wahrheitssuche auf der einen sowie Humor und Seelenheiterkeit auf der anderen Seite gilt Demokrit.

"Am besten bekommt es dem Menschen, wenn er sein Leben so viel wie möglich in frohgemuter Gelassenheit zubringt und sich so wenig wie möglich missmutiger Stimmung überlässt."

Ernste Worte des Mannes aus Abdera, der, von vielen für verrückt erklärt, das Lachen als bewusstes Mittel verwendete, um seiner Mitwelt in Zeiten ökologischer, ökonomischer und geistiger Krisen einen Spiegel vorzuhalten. In Demokrits Augen ist der Mensch nicht nur des Lachens fähig, sondern auch zur Lächerlichkeit verurteilt.

Ist es immer Spott, der zum Lachen führt? Mit Immanuel Kant – "Verstand ist erhaben. Witz ist schön." –, der von vielen zu Unrecht nur als trockener Philosoph "mit skurrilen Spießermanieren" gesehen wird, unterscheidet Geier drei große Erklärungsmuster. Beim Lachen geht es im Grunde um Überlegenheit (Superioritätstheorie), um Kontrast (Inkongruenztheorie) und um Entspannung (Entspannungstheorie), wobei vielfache Varianten und Vermischungen auftreten.

Lange Zeit wird in der Philosophie lediglich das Lachen-über, das spöttische Lachen aus Überlegenheit bedacht, "das seinen Anlass und Grund im Lächerlichen besaß". Mit der Frühaufklärung geht ein Paradigmenwechsel einher. Nun unterscheidet man im Sinne des "good humour" zwischen verächtlichem Auslachen (to laugh at) und amüsantem Mitlachen (to laugh about). An die Stelle des Lächerlichen tritt die Komik, der Kontrast.

"Wenn jemand einen leichten Scherz machen will, sich dabei aber übermäßig anstrengt; wenn er mit großer Würde auftritt, aber plötzlich stolpert; wenn seine elegante Kleidung, die er stolz zur Schau trägt, von ihm unbemerkt verschmutzt ist; - so lachen wir."

Inkongruenzen dieser Art sind nicht lächerlich, sondern komisch. Kant, Schopenhauer, Kierkegaard zitieren und bedenken derartige Ungereimtheiten zuhauf. Heute beherrscht Woody Allen diese Form des Humors meisterhaft: "Es mag stimmen, dass es kein Leben nach dem Tode gibt. Aber versuchen Sie einmal, einen Installateur am Wochenende zu finden!"

Man kann das Lachen schließlich als Beitrag zur Entspannung verstehen, als "Abfuhr nervöser Energie", die sich in bestimmten Momenten angestaut hat. In Zeiten der medialen Überhäufung mit Comedy, so scheint es, erklärt sich diese Theorie von selbst. Anfang des vergangenen Jahrhunderts ist Sigmund Freud diesem Aspekt nachgegangen und hat seine Entdeckungen in der Schrift "Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten" zusammengetragen.

Über Geiers Hinweis, Karl Valentin sei witzig, weil er den "indefiniten Gehalt der Adverbien" auflöst, wird gewiss nicht jeder schmunzeln können. Auch provoziert das, worüber einst Kant und dessen Zeitgenossen gelacht haben, heute kaum noch intensive Schwingungen des Zwerchfells. Dennoch lohnt die Lektüre dieses ungewöhnlichen Spaziergangs durch die Philosophiegeschichte.

Die ist, zugegeben, nicht immer amüsant. Kein Wunder, das Erklären von Witzen ist noch lange nicht witzig – hier jedoch erhellend. Kurzum: Dem freien Publizisten und Privatdozenten ist ein sorgfältig recherchiertes Buch gelungen, das durch viele Detailstudien besticht. Es bietet eine stabil errichtete und breit fundierte philosophische Kellertreppe, die vom ernsten Überbau in heitere Tiefen führt.

Manfred Geier: Worüber kluge Menschen lachen. Kleine Philosophie des Humors
Rowohlt Verlag: Reinbek 2006
285 Seiten, 16,90 Euro