Wer sich was wie wo ansieht

Von Jürgen König · 22.08.2012
Um herauszufinden, wie die digitale Nutzung von Medien aussieht, gaben der Bundesverband Musikindustrie, die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels gemeinsam eine Studie in Auftrag beim größten deutschen Marktforschungsinstitut, der Gesellschaft für Konsumforschung. Die Studie offenbart auch die Einstellung gegenüber illegalen Downloads.
10.000 Menschen gaben per Fragebogen Auskunft darüber, wie sie im Internet mit Musik, Hörbüchern, E-Books umgehen, mit Filmen und Fernsehserien; sie gelten als repräsentativ für gut 63 Millionen Deutsche ab einem Alter von zehn Jahren.

Unterschieden wurde zwischen den Downloads, bei denen ein Musikstück oder ein Film heruntergeladen und gespeichert wird, und der direkten Online-Nutzung wie zum Beispiel beim Streaming. Schon über ein Drittel der Deutschen, 22 Millionen Menschen, nutzen Medien online, fast 15 Millionen von ihnen tun es inzwischen überwiegend als Stream.

Von den über 16 Millionen Menschen, die Downloadangebote nutzen, entscheiden sich 44,4 Prozent immer für legale, 19 Prozent - ein leichter Rückgang gegenüber dem Vorjahr – entscheiden sich immer für illegale Angebote; der Rest nutzt Angebote in rechtlichen Grauzonen oder ebenfalls illegale Quellen.

Wie man die illegale Nutzung von Angeboten im Netz ermittelt, erklärt Bianca Corcoran-Schliemann von der Gesellschaft für Konsumforschung so:

"Das eine ist, dass man passiv herangeht. Nicht: 'Was hast Du gemacht?', sondern: 'Wie siehst Du das, wie ist Deine Meinung?' Das andere ist: beim Thema 'illegal' und Grauzone-Definition arbeiten wir ja mit den Verbänden zusammen. Und wenn man in die Fragebögen mal reinschaut, dann klagen wir nicht an. Wir sagen nicht: 'Gehst Du auf die illegalen Seiten?' Sondern wir sagen: 'Nutzt Du die kostenpflichtigen Downloads auf der und der Plattform? Bist Du bei Peer-to-Peer-Netzwerken unterwegs?', das ist völlig wertfrei. Und so hat man nicht dieses Schuldgefühl. Und die Einsortierung, das Einclustern, die Bildung der Gruppe illegaler Downloader, das erfolgt ja erst hinterher in der Auswertung."

Das Bewusstsein für das Problem illegaler Angebote ist laut Studie gewachsen, vier von fünf Deutschen wissen, dass das Herunterladen oder Anbieten von geschützten Werken im Internet rechtliche Konsequenzen haben kann. Maßnahmen gegen Urheberrechtsverletzer finden zunehmend Zustimmung in der Bevölkerung: 77 Prozent halten die Verhängung eines Bußgeldes vor allem für Anbieter von geschützten Werken für angemessen.

Zwei Ergebnisse hält Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, für besonders wichtig: Zum einen, dass über zwei Drittel der Bevölkerung das legale Online-Angebot von Musik, E-Books und Filmen für ausreichend hält – damit werde das alte Argument mangelhafter Verfügbarkeit legaler Inhalte widerlegt. Und zum anderen, dass fast drei Viertel der Bevölkerung die Idee eines Warnhinweises des Providers sinnvoll findet.

"Es geht darum, denjenigen, der sich illegal im Netz in Bezug auf Urheberrecht verhält, einen Warnhinweis zu schicken, ihn darüber aufzuklären, was er getan hat und ihn auf den legalen Weg zu verweisen. Und diese Studie hat jetzt sehr deutlich gezeigt, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung ganz klar der Meinung ist, dass so etwas richtig ist, und auch die Mehrheit meint, dass das große Wirkung erzielt. Das heißt also, wenn wir so ein Warnhinweismodell etablieren könnten, zu dem es wirklich nicht viel bedeutet außer der Kooperation mit den Providern, wenn es gelingt, so ein Warnhinweismodell zu etablieren, glaube ich, dass wir das Thema Urheberrechtsverletzungen im Netz sehr, sehr stark zurückfahren können."

Die Provider haben gegen dieses Modell immer wieder Bedenken vorgetragen. Man will sich die Kunden nicht vergraulen - was Alexander Skipis nachvollziehen kann.

"Deshalb sind wir seit über drei Jahren in einem Dialog beim Wirtschaftsministerium und mit der Justizministerin genau darüber, uns zu verständigen, welche Wege es denn gäbe zu tun. Die Provider haben ganz offen durchblicken lassen, dass, wenn es eine rechtliche Regelung zu so einem Warnhinweismodell gäbe, sie dem natürlich Folge leisten würden. Es liegt aber leider ein Problem da, und das ist die Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, die seit drei Jahren in dieser Beziehung im Prinzip nichts macht, sich jeder Lösung verweigert und damit die Arbeit der Bundesregierung, denn seitens der CDU/CSU-Fraktion ist das sehr favorisiert, so ein Warnhinweismodell, diese Arbeit der Bundesregierung komplett blockiert – übrigens auch die in ihrer eigenen Partei."

Manche sagen, das Urheberrecht sei tot: im Zeitalter des Internets mit seinen nicht mehr zu kontrollierenden Verbreitungswegen digitaler Inhalte. Alexander Skipis setzt – wie auch seine Kollegen der Film- und der Musikbranche – auf das Warnhinweismodell. Wie man auch dazu stehen mag, eines ist leider wahr: aus dem Justizministerium hört man zum Thema Urheberrechtsreform seit drei Jahren mehr oder weniger: nichts.