Wenn Verse locken (1)

Das Gedicht im Liebeseinsatz

Hände halten einen gefalteten, handbeschriebenen Zettel
"Der Urbeweggrund des Dichters ist es Frauen herumzukriegen." © dpa / picture alliance / Oliver Berg
Von Anton G. Leitner · 09.03.2015
Als Herausgeber der Zeitschrift "Das Gedicht" hat der Lyriker und Verleger Anton G. Leitner in Stadt und Land Dichter befragt, wie sie als moderne Minnesänger ihre Angebeteten betören. Seine erste Station führt ihn zu bayerischen Mundartdichtern nach München.
Anton G. Leitner: Die Verbreitung erotischer Verse hat dafür gesorgt, dass aus dem kreuzbraven Oberbayern Anton G. Leitner ein echter "Anton G-Punkt" geworden ist. Wobei das G natürlich für "Gedicht" steht ...
Mal schauen, ob wir hier die Frage klären können, warum Gedichte sexy sind:
Wolfgang Oppler: "Natürlich ist Poesie sexy. Das wär' ja noch schöner, wenn sie's nicht wäre. Einsetzbar zur Werbung um eine angebetete Dame ist sie natürlich auch. Ich glaub, kein Mensch, der Gedichte schreibt, hat es nicht schon ausprobiert, dass er auch seine Gedichte einsetzt.
Ein kurzes Liebesgedicht hab ich auch: Dei Bussal hod / noch Blaukraud gschmeckd, / und weil i di so mog, / drum denk i, wanns / a Blaukraud gibd, / ans Bussal und an di [...]"
Mit einem Gedicht die Gattin erobert
Anton G. Leitner: Frisch Verliebte können abheben, nicht nur in Versen: "Zwei wachsen auf / Zehenspitzen zusammen // nippen am / Himmel."
Bernhard Setzwein: "In meinem Fall war's wirklich tatsächlich so, dass ich, glaub' ich, sagen kann, dass ich meine Frau mit einem Gedicht gewonnen hab. Wir haben uns nämlich bei einem Autorentreffen kennen gelernt, das der legendäre Mundartverleger Friedl Brehm in Starnberg in den anfänglichen 1980er-Jahren organisiert hat, und, ja, da hat sie mich quasi als lesenden Autor gesehen und gehört. Und ich war damals aus Gründen, die jetzt zu weit führen würden, sehr muffelig drauf, und da hat sie gemeint, ja, ob man da nicht mehr hören könnte. Ab da ging dann der Briefwechsel los und endete dann ein paar Jahre später bei der Heirat.
Ich kann mich an paar Zeilen aus einem Liebesgedicht erinnern:
Kumm / leih ma / deine Augn / i wui amoi duachschaugn"
Antont G. Leitner: Wie du mir, so ich dir: Wer einer Unbekannten heimlich ein Liebesgedicht zusteckt, bekommt mitunter am Ende der Beziehung geballte Trennungsverse auf die Nase. Ich kann ein Lied davon singen.
Ist für dich Poesie sexy?
Alfons Schweiggert: "Auf alle Fälle ist Poesie sexy, das muss man sagen. Aber sie kann auch einen Schuss nach hinten loslösen, das heißt also, man setzt Poesie so ein, wie man glaubt, dass sie wirkt, aber wenn man dann schaut, wirkt sie eben genau gegenteilig. Das kann auch passieren, das heißt aber nicht, dass sie deshalb dann nicht weniger sexy ist."
"Geil ist megaout, Herr Leitner"
Anton G. Leitner: Würde das denn heißen, dass du schon mal eine Beziehung mit einem Gedicht zerstört hast?
Alfons Schweiggert: "Ich hab's vermieden, sie zu zerstören, weil, man muss ja immer dran denken: Was kommt bei dem Partner an? Und wenn man weiß, dass ein Gedicht unter Umständen bloß ein Gelächter hervorlockt, was also dann sozusagen nicht ganz positiv ist, dann muss man's lieber bleiben lassen."
Anton G. Leitner: Nach dem Erscheinen des ersten Erotik Specials meiner Zeitschrift "Das Gedicht" mit dem Untertitel "Geile Gedichte" erhielt ich eine anonyme Nachricht per Fax: "Wussten Sie nicht, dass geil megaout ist, Herr Leitner?"
Ist Poesie einsetzbar zur Werbung im Sinne von Minnesang?
Siegfried Völlger: Ich glaub ja, ganz unter uns gesagt, dass es der Urbeweggrund der Dichter ist, dass sie Frauen rumkriegen. Und es funktioniert wunderbar.
Anton G. Leitner wurde 1961 in München geboren und lebt in Weßling. Seit 1993 gibt er die Jahresschrift "Das Gedicht" heraus, seit 2014 auch deren internationale Ausgabe in englischer Sprache ("Das Gedicht chapbook. German Poetry Now"). Er verantwortet zudem das Online-Portal www.DasGedicht.de mit Blog und Lyrik-TV. Von ihm erschienen bislang neun Gedichtbände: unter anderem "Die Wahrheit über Uncle Spam" (2011). Außerdem veröffentlichte er 36 Anthologien, zuletzt "Gedichte für Reisende" (2015). Er wurde für sein literarisches und editorisches Werk mehrfach ausgezeichnet, unter anderen mit dem "V. O. Stomps-Preis" der Stadt Mainz und dem Kulturpreis "AusLese" der Stiftung Lesen.
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Der Schriftsteller Anton G. Leitner© privat
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