Wenn die Worte verschwinden, bleiben Gedanken als Tonspuren

Die Stille hinter den Worten

Ulrike Haage im Hörspielstudio, Produktion des Hörspiels "Lockbuch"
Ulrike Haage im Hörspielstudio © Cordula Kropke
Von Ulrike Haage  · 28.10.2018
Wenn das Wort endet, der Autor verschwindet, bleibt ein Nachhall, ein erfülltes Schweigen. Frei-Raum für eigene Gedanken, die sich in Töne, in Musik verwandeln. “Die Stille hinter den Worten wird hörbar.“  
Ein Autor hat sich davongemacht. Ein paar Worte hat er uns hinterlassen, die nur noch in blassen Erinnerungsfragmenten die Räume beleben; Worte, die wie fern vergangene Reflexe einstiger Ideen aufscheinen. Seine Abwesenheit zeichnet eine tönende Spur des Verschwindens, weckt die Erinnerung an eine schemenhafte Präsenz, die nun nicht mehr Sprache ist, sondern bloßer Nachhall der Worte – Gedankenspuren, die sich in Tonspuren verwandelt haben.
Wir, die Verlassenen, bleiben zurück in dem Raum des vollen, erfüllten Schweigens. Doch zwischen den Geräuschen, den Satzfragmenten und den Tönen muss ES noch zu finden sein: dieses Gewesene, das so gegenwärtig ist. Jeder Ton, jede Silbe, jedes Wort und jeder Name gleicht einer Anrufung, um den Raum des Schweigens mit einer spürbaren Präsenz zu füllen: Schemen des Realen, der Leidenschaft, des Todes. Nichts verschwindet.

"Es entsteht eine pausenintensive Zwiesprache mit sich selber, Sätze treffen auf Worte und verschwinden in der Musik. Die Musik reagiert, erschafft einen wort-losen Raum, den Frei-Raum für eigene Gedanken. Die Stille hinter den Worten wird hörbar. Nichts verschwindet spurlos. Nicht in den Rissen der Welt, nicht im Arkanum des Schweigens." (Ulrike Haage)

Die Stille hinter den Worten
Hörspielkomposition in 9 Bildern
Von Ulrike Haage
Komposition und Realisation: Ulrike Haage
Mit: Anna-Lena Zühlke, Carlos Bica (Kontrabass),
Ulrike Haage (Präpariertes Klavier, Elektronik, O-Töne)
Produktion: BR 2008
Länge: 41'34


Anschließend:
Jean Daive: Worte des Lebens
Von Carsten Hueck
Übersetzung: Leopold von Verschuer
Regie: Marianne Wendt
Mit: Jean Daive, Thomas Holländer, Carsten Hueck
Produktion: Deutschlandradio Kultur 2012
Länge: 20'16 (Kurzfassung)

Ulrike Haage, geboren in Kassel, arbeitet an der Schnittstelle von Jazz, Avantgarde, klassischer Musik und Literatur. Neben ihrer Arbeit als Komponistin, Autorin und Regisseurin von preisgekrönten Hörspielen, schreibt sie Filmmusik und ist als Solopianistin und Scriptautorin tätig. Sie lebt in Berlin.