Marlene Streeruwitz im Ausnahmezustand

Wenn die Welt zur Villa wird

29:44 Minuten
Eine Frau mit grauen Haaren sitzt in einem Café, hinter ihr an der Wand ist ein Gemälde. Sie hält in ihren Händen eine weiße Tasse.
Gilt als eigensinnige und unverwechselbare Stimme: die Österreicherin Marlene Streeruwitz. © Picture Alliance / dpa / picturedesk.com / Wolfgang Paterno
Von Konstantin Schönfelder und Holm-Uwe Burgemann · 12.02.2021
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2020 hätte das große Jahr von Marlene Streeruwitz werden können. Die feministische Schriftstellerin sollte zu ihrem 70. Geburtstag gefeiert werden. Dann kam die Pandemie und Streeruwitz, der Bewegung über alles geht, saß in Wien fest.
Ablehnung und Unverständnis ist Marlene Streeruwitz‘ Dramen und Romanen lange Zeit entgegengeschlagen. Legendär ist Marcel Reich-Ranickis Äußerung im "Literarischen Quartett", sie stelle die Banalität des Lebens auf Hunderten von Seiten dar, nicht zuletzt ihren Kummer über die Menstruation, die ja nun kein Werk des Patriarchats sei. "Das ist alles großer Blödsinn", so der Kritiker.
Inzwischen gilt die Österreicherin und Feministin als eigensinnige und unverwechselbare Stimme, deren Figuren, Erzählweise und Stil produktiv verunsichern. Sie schreibt oft wütend an "gegen die tägliche Beleidigung" von Frauen, gegen österreichische Geschichtsklitterungen, den Klerus, das Patriarchat. Auch weist sie den Moderator Thomas Gottschalk in seine Grenzen.

Ein Blick in ein stillgestelltes Leben

Im Jahr 2020 sollte Marlene Streeruwitz für ihr Werk und deren literarische, politische, feministische Konsequenz geehrt werden. Ihr Verlag S. Fischer widmete ihr exklusiv eine Ausgabe der renommierten Hauszeitschrift "Neue Rundschau". Sie erhielt den Preis der Literaturhäuser für ihr Gesamtwerk und sollte, das ist ein Teil der Auszeichnung, durch die Häuser der Preisstifter reisen und lesen.
Das reizte die Schriftstellerin sehr. Nicht nur wegen des Kontakts zum Publikum, auch, weil sie Sesshaftigkeit mit Unveränderbarkeit assoziiert, Bewegung aber, Mobilität, Nomadisieren mit der Verflüssigung der männlich dominierten Verhältnisse. Streeruwitz ist eine begeisterte Reisende, sie lebt und schreibt nicht nur in Wien, auch in New York, London und anderen Orten.

Im Gespräch über das Werk

Ihr Werk sollte sich also runden in 2020. Dann kam SARS-CoV-2, mit dem Virus kamen die Ausnahmezustände in aller Welt, auch im Literaturbetrieb. Streeruwitz war auf sich allein gestellt. Ihre Welt bestand nur noch aus einer Villa im Abseits, irgendwo in der österreichischen Hauptstadt.
Das schwere Jahr machte auch vor dem Körper der sonst so unerschrocken wirkenden Schriftstellerin nicht Halt: Sie wurde krank. Doch gibt es neue Hoffnung. Über Streeruwitz‘ Werk sprechen die Autoren mit dem Lektor Oliver Vogel, der Kulturdezernentin Ina Hartwig und dem Literaturwissenschaftler Christian Metz. Eine Annäherung in pandemischen Zeiten und ein Blick in ein stillgestelltes Leben.
(pla)
Das Manuskript der Sendung können Sie hier herunterladen.

Mit: Maria Hartmann und Tonio Arango
Ton: Martin Eichberg
Regie: Stefanie Lazai
Redaktion: Jörg Plath

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