Wenn der Staat abzockt

Von Steffen Wurzel · 10.11.2010
Die EU-Kommission hat der Türkei in ihrem Fortschrittsbericht erneut gravierende Defizite bei der Wahrung der Grundrechte attestiert. Es ist noch ein langer Weg in die Europäische Gemeinschaft und auch bis die türkische Bevölkerung ohne Reisepass in der EU verreisen kann. Sehr ärgerlich, denn der türkische Pass ist der teuerste der Welt.
Suat Özcelebi hält einen Weltrekord in den Händen: seinen türkischen Reisepass. Bordeauxrot, goldene Schrift drauf und umgerechnet gut 180 Euro teuer. Der türkische Pass ist damit der teuerste der Welt. Zum Vergleich: Der deutsche Pass kostet 59 Euro. Suat Özcelebi hat eine Online-Kampagne gestartet, um sich gegen den hohen Preis für türkische Reisepässe zu wehren.

"‚Wir wollen unsere Reisefreiheit zurück!‘, das ist einer unserer Slogans. Ein zweiter lautet: 'Der Pass ist biometrisch - sein Preis ist astronomisch!'. Und dann gibt es noch einen Slogan von mir, der heißt: 'Wir sind nicht Kunden, sondern Bürger der Republik Türkei'."

Hauptberuflich ist Suat Özcelebi Politikberater. Um die Online-Kampagne gegen die teuren Reisepässe kümmert sich der 46-Jährige in seiner Freizeit. Mit einem Blog und auf Social Media-Webseiten wie Twitter und Facebook hat er schon mehrere tausend Unterstützer gewonnen.

Vor allem junge Leute in der Türkei, die gerne und viel reisen wollen, ärgern sich immer wieder über die horrenden Pass-Gebühren:

"Das ist eine unfassbare Summe, die wir für den Pass zahlen müssen! Und dazu kommen ja noch Visagebühren und die türkische Ausreisesteuer! Da kommt einiges zusammen."

"Wenn der Staat einem den Pass schon nicht kostenlos gibt, sollte er zumindest mit den Gebühren runtergehen. Der Pass sollte nicht teurer sein als in anderen Ländern."

Besonders ärgerlich für reisewillige Türken: Sie brauchen auf jeden Fall einen Reisepass, um das Land zu verlassen. Anders als bei EU-Bürgern, für die genügt bei fast allen Reisen innerhalb Europas der Personalausweis.

Mehmet Erkan ist Mitglied eines Istanbuler Reiseclubs. Nach seiner Ansicht greift der türkische Staat nicht nur kräftig in die Geldbeutel seiner Bürger, sondern beschränkt auch deren Grundrecht auf Bewegungsfreiheit:

"Es ist doch ein Widerspruch: Einerseits wünscht sich die Regierung einen regen Austausch mit den Nachbarländern. Sie setzt durch, dass wir für viele Länder kein Visum mehr brauchen. Andererseits müssen wir mit unserem teuren Pass enorme finanziellen Hürden überwinden, um zu reisen."

Der Clou an der Sache: Eigentlich wollten die türkischen Behörden ihren Bürgern für den neuen biometrische Reisepass noch mehr Geld abknöpfen. Dass es dazu nicht gekommen ist, ist laut Suat Özcelebi auch ein Erfolg seiner Online-Kampagne:

"Als wir mit der Kampagne begonnen haben, lagen die Kosten noch bei 360 Euro! Im Juni hat die türkische Regierung den Preis - auch wegen unserer Kampagne - um die Hälfte reduziert. Trotzdem ist unser Pass mit 180 Euro immer noch der teuerste der Welt."

In Deutschland wird dieser Tage ein neuer Personalausweis eingeführt. Kostenpunkt: 28 Euro 80. Im Vergleich zum türkischen Reisepass sind das zwar nur Peanuts, aber die Tatsache, dass sich der Preis des Personalausweises um einen Schlag mehr als verdreifacht, ärgert auch viele Deutsche. Zu Recht, sagt Suat Özcelebi:

"Ein Staat, der vorschreibt, dass man sich ausweisen muss, darf einen Ausweis nicht zu Wucherpreisen verkaufen. Bürger eines Landes sind - der Name sagt's - Bürger und nicht Kunden des Landes. Ich empfehle den Deutschen, sich gegen zu hohe Preise für Ausweispapiere zu wehren. Dann wird es auch ihnen gelingen, den Preis zu drücken."