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Braunkohle-Ausstieg
Hoffnungen und Ängste in Sachsen-Anhalt

Der Ausstieg aus dem Braunkohle-Abbau kommt - wenn es nach dem Willen der Kohlekommission geht, soll spätestens 2038 Schluss sein. Im mitteldeutschen Braunkohlerevier hängen derzeit noch etwa 2400 Jobs an der Braunkohle. Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt fordert Geld für den Strukturwandel.

Von Christoph Richter | 31.01.2019
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    Braunkohle-Tagebau Profen in Sachsen-Anhalt (Christoph Richter (Deutschlandradio))
    "Das geht alles kaputt, da wird man ein ganz schön großes Loch hier reinreißen.."
    Thomas Naundorf ist Baggerfahrer im Tagebau Profen, der liegt auf halber Strecke zwischen Jena und Leipzig. Bis zu acht Millionen Tonnen Braunkohle wird dort jährlich gefördert. Einst erschlossen und kartiert durch Friedrich von Hardenberg, besser bekannt unter seinem Schriftstellernamen Novalis.
    "Was hier dann abstirbt, ist ja nicht nur die Kohle. Auch die kleinen Handwerker in der Region gehen kaputt."
    Angst um Jobs
    Viele Existenzen hängen an der Braunkohle. Warnungen vor dem Klimawandel will auf der Straße keiner hören. Und die Menschen in der Region haben kaum Vertrauen in die Versprechungen der Kohle-Kommission.
    Seit den 1940er-Jahren wird im Tagebau Profen nach Braunkohle gebuddelt, dem schwarzen Gold für Sachsen-Anhalt. Doch 2038 soll damit nun Schluss sein, so schlägt es die Kohlekommission vor. Fast an der Tagebaukante liegt der kleine Ort Hohenmölsen, 6.700 Einwohner. Es sind nur wenige Menschen unterwegs. Alles ist ordentlich, sauber, aber kaum Leben.
    Seit der Wende sind tausende Arbeitsplätze weggebrochen
    "Noch immer steckt den Menschen hier im Revier der Strukturbruch der 1990er-Jahre in den Knochen. Viele Biografien sind damals abgebrochen worden, Menschen haben sich mit sehr wenig zufrieden geben müssen. Und heute bangt man darum, dass sich diese Entwicklung wiederholen könnte."
    Andy Haugk, 45 Jahre alt, parteilos. Er ist Bürgermeister von Hohenmölsen, umgeben von den Mondlandschaften des Tagebau Profen.
    "Damals sind sehr viele als Verlierer aus dem Strukturbruch hervorgegangen. Und wir sind jetzt an dem Punkt, wo Chancen und Risiken eng beieinander liegen. Die Hoffnung besteht diesmal hier im Revier, dass wir zu Gewinnern gemacht werden."
    Das Aus der Braunkohle, das sei ein mehr als herber Strukturbruch gerade für den Süden Sachsen-Anhalts, sagt Kommunalpolitiker Haugk.
    Funktioniert der Strukturwandel?
    Auf knapp 200 Seiten im Abschlussbericht der Braunkohle-Kommission sind Projektvorschläge aufgelistet, die den Strukturwandel einleiten sollen. Bürgermeister Haugk reagiert bei der Lektüre zurückhaltend. Wichtig sei jetzt vor allem eins:
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    Tagebau Profen in Sachsen-Anhalt (Christoph Richter (Deutschlandradio))
    "Jedes dieser Projekte, die jetzt da auf der 'Wünsch-Dir-Was-Liste' stehen, sollten wir darauf prüfen, welche Arbeitsplatzeffekte sie hier in der Region entwickeln. Nicht irgendwo, sondern im Revier selbst."
    Der Bau einer Haftanstalt, die Dachreinigung des Naumburger Doms, ein Campus für nachhaltige Fischerei, die Erweiterung des Kinderwagenmuseums in Zeitz: Die Projektliste im Kohlepapier erinnere eher an die früheren Versprechen der Politik von blühenden Landschaften, statt an Strukturwandel, sagt Wirtschaftswissenschaftler Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Halle.
    Recht auf gleichwertige Lebensverhältnisse
    "Was die Politik antreibt, das auch zu recht ist die Vereinbarung, die wir im Grundgesetz getroffen haben, dass wir gleichwertige Lebensverhältnisse an allen Orten haben werden. Das heißt: Die Politik kann es nicht einfach hinnehmen, dass Regionen abgehängt werden. Es gibt eine Handlungsnotwendigkeit. Den Menschen vor Ort muss geholfen werden."
    Mit den versprochenen 40 Milliarden Euro – zwei Milliarden jährlich auf 20 Jahre verteilt - werde die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kohlereviere nicht bedeutend besser, aber die Lebensqualität der Menschen gestärkt. Das schaffe Akzeptanz für den Strukturwandel, meint Wirtschaftswissenschaftler Holtemöller.
    "Es gibt keine Möglichkeit von heute auf morgen, auf der grünen Wiese neue Arbeitsplätze zu schaffen, die dauerhaft Bestand haben. Das gibt es nicht. Deswegen, wenn man den Menschen helfen will, die direkt vom Braunkohle-Ausstieg betroffen sind, dann müssen die Hilfen direkt bei den Personen ansetzen. Und dürfen nicht einen Umweg über Strukturförderung gehen. Da geht es direkt um Hilfen, direkt an die Personen."
    Konkret hieße das beispielsweise, dass man Vorruhestandsbezüge großzügig und unbürokratisch regeln müsse, so Holtemöller weiter.
    Visionen für Sachsen-Anhalt
    Wie aber könnte die Zukunft der Braunkohle-Region Mitteldeutschland aussehen? Tamara Zieschang von der CDU ist Staatssekretärin im Magdeburger Innenministerium. Sie schlägt vor, in der Stadt Zeitz ein Zukunftsinstitut, eine Denkfabrik zu gründen.
    "Um eben wirklich Experimentierräume zu haben, wo ich das Leben von morgen testen und erproben kann. "
    Damit solche Experimentierräume aber entstehen können, erwartet Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff, dass die die Bundesregierung die Empfehlungen der Kohlekommission auch wirklich umsetze, sprich: auch das Geld für den Strukturwandel zur Verfügung stellt. Der CDU- Mann fordert, dass möglichst schnell ein Maßnahme-Gesetz kommen muss.
    "Ein Maßnahmegesetz konkret heißt, das hier Maßnahmen beschlossen werden, die außerhalb des üblichen Bundeshaushaltes, außerhalb der Förderprogramme die sowieso laufen, realisiert werden."
    Wenn alles nach Plan läuft, soll im April ein erster Gesetzentwurf vorliegen.