Weltweite Rassismusproteste

Man muss das Denkmal nicht gleich vom Sockel holen

08:12 Minuten
Einem Denkmal von Christoph Columbus in Boston fehlt der Kopf - Demonstranten gegen Rassismus haben die Statue zerstört.
Kopflos nach Rassismusprotesten: Christoph Columbus in Boston. © imago images / AFLO / Keiko Hiromi
Elisabeth Niejahr im Gespräch mit Alexander Moritz · 15.06.2020
Audio herunterladen
Bei den weltweiten Protesten gegen Rassismus sind auch Statuen und Denkmäler gestürzt, beschmiert und beschädigt worden. Die Publizistin Elisabeth Niejahr überzeugt solcherart Aktivismus nicht.
Im Zuge der Rassismusproteste sind in den USA, Großbritannien und Australien auch etliche Denkmäler gestürzt oder beschädigt worden. In Richmond, Virginia, traf es die Statue von Jefferson Davis, dem Führer der Südstaaten im Sezessionskrieg, in Montgomery, Alabama, ein Denkmal für den Südstaaten-General Robert Lee.

Mit der Geschichte verantwortungsvoll umgehen

Selbst Denkmäler für Christoph Kolumbus wurden in den USA beschädigt, in Sydney wurde eine Statue des Entdeckers James Cook mit Farbe beschmiert. Im englischen Bristol holten Demonstranten die Statue des Unternehmers und Sklavenhändlers Edward Colston vom Sockel und stürzten sie ins Hafenbecken.
Die Publizistin Elisabeth Niejahr hat eine eher distanzierte Haltung zum Sturm auf die Denkmäler. Man müsse mit Geschichte verantwortungsvoll umgehen, sagt sie: "Das kann auch bedeuten, die Statuen stehen zu lassen und entsprechend aufzuklären und zu informieren."
Natürlich sollten Denkmäler für Sklavenhändler "nicht einfach so herumstehen". Mit den Statuen müsse viel bewusster umgegangen werden, fordert Niejahr. Mehr Erklärung gebe auch immer Anlass zur Auseinandersetzung.

Denkmäler und Architektur zusammendenken

Im Vergleich zu anderen Ländern sei das Thema Kolonialismus in Deutschland unterentwickelt, so Niejahr. Die NS-Geschichte und ihre Aufarbeitung habe die historischen Debatten so lange dominiert, dass möglicherweise andere Teile der Geschichte zu kurz gekommen seien. Niejahr plädiert dafür, beim Nachdenken über Geschichte nicht nur die Denkmäler, sondern auch die Architektur in den Blick zu nehmen.
Man müsse in Bezug auf die Erinnerungskultur immer wieder fragen, "wo wir blinde Flecken haben", betont die Publizistin, die seit kurzem für die Hertie-Stiftung arbeitet. Da es beispielsweise immer weniger lebende Zeitzeugen gebe, die den Kriegshorror schildern könnten, müsse es neue Formen der Erinnerung geben.
(ahe)
Mehr zum Thema