Weltwassertag

"Wasser ist nicht das neue Öl"

07:33 Minuten
Ein Wasserspritzer in einer ruhigen blauen Wasseroberfläche.
Wie viel Wasser zur Verfügung steht, hängt auch stark davon ab, wie weit der Mensch in den Wasserkreislauf eingreift, sagt Wolfram Mauser. © unsplash/ Ivan
Wolfram Mauser im Gespräch mit Ute Welty · 22.03.2021
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Wasser ist kostbar. Wir sollten aufhören, es gedankenlos zu verschwenden, fordert Wolfram Mauser. Mit der endlichen Ressource Öl ist es dem Physiker zufolge allerdings nicht vergleichbar. Denn verbrauchtes Wasser kommt immer wieder zu uns zurück.
Ute Welty: Hahn auf, Wasser marsch! Für die Dusche heute Morgen, für den ersten Kaffee oder Tee, oder vielleicht läuft ja bei Ihnen auch die Waschmaschine um 7:38 Uhr. Sie und ich gehen ja mit ziemlicher Selbstverständlichkeit davon aus, dass immer genügend Wasser zur Verfügung steht. Das geht anderen Menschen ganz anders, und deswegen will der Weltwassertag der Vereinten Nationen heute auf den Wert des Wassers aufmerksam machen.
Damit beschäftigt sich auch Professor Wolfram Mauser, Geograf und Physiker, er lehrt und forscht an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, und zwar zu globalen Wasserressourcen und zur nachhaltigen Nutzung von Wasser – gerade auch im Zusammenhang mit der Landwirtschaft. Der Liter Wasser aus dem Hahn kostet in Deutschland durchschnittlich 0,2 Cent. Ist das zu billig?
Mauser: Nein, das ist nicht zu billig. Auf der einen Seite muss man bedenken, wie viel Wasser wir haben in Deutschland, wir sind keine wasserarme Region. Auf der anderen Seite ist die Frage, was wir da eigentlich bezahlen. Wir bezahlen nicht das Wasser selbst, wir bezahlen die Bereitstellung des Wassers. Das Wasser kommt kostenlos vom Himmel, und es ist in Deutschland eigentlich Gesetz und Usus, dass man das, was hier kostenlos vom Himmel kommt, nicht bezahlen muss. Bezahlen muss man den Service, dass man das Wasser bekommt.
Dieser Service ist sehr aufwendig, und dieser Service beinhaltet die ganzen Quellen, alles, was man so braucht - die ganzen Leitungen, die ganzen Tanks - bis das Wasser dann bei uns aus dem Wasserhahn kommt. Man macht sich da normalerweise zu wenig Gedanken.

Es gibt keinen Anreiz zum Wassersparen

Welty: Jedenfalls ist das Trinkwasser so billig, dass damit auch die deutschen Felder bewässert werden, weil eben Mais, Erdbeeren und Weizen viel Wasser brauchen. Wie lange dauert es noch, bis sich diese Verschwendung rächt?
Mauser: Es ist insofern zu billig, als dass es keinen Anreiz gibt zum Sparen. Deswegen machen wir auch solche Dinge, auch aus anderen Gründen, weil wir die Lebensmittel natürlich möglichst hygienisch herstellen und deswegen auch kein kontaminiertes Abwasser für die Bewässerung von unseren Erdbeeren haben wollen – das ist eigentlich verständlich. Aber man würde sich sicher andere Gedanken machen darüber, wie man das Wasser für die Erdbeeren bereitstellen kann, wenn das Wasser teurer wäre.
Die Frage, wie lange es dauert, bis sich das rächt, hängt sehr stark vom Verlauf des Klimawandels ab. Der Klimawandel wird in Deutschland beziehungsweise in bestimmten Regionen von Deutschland dazu führen, dass das Wasser knapper wird. Das heißt noch nicht, dass es bei uns wirklich knapp werden wird, nach all dem, was wir wissen, aber wir werden in Zukunft in manchen Regionen Deutschlands - vor allen Dingen im Windschatten des Harz, aber auch in Nordbayern, in Franken - schon bald anfangen müssen zu überlegen, wie wir Wasser sparen und nicht mehr verschwenden können.
Es geht nicht darum, dass wir in Zukunft Durst leiden, das werden wir sicher nicht tun in Deutschland, aber wir sollten aufhören damit, das Wasser gedankenlos zu verschwenden und andere Quellen heranführen und vor allen Dingen die Wasserqualität erhalten.

Wasserverschwendung durch die Landwirtschaft

Welty: Die deutsche Situation ist ja das eine, die internationale eine andere, vor allem, wenn wir auf die Randgebiete der großen Wüsten schauen. Wie lässt sich denn dort die Landwirtschaft unterstützen?
Mauser: Die Landwirtschaft ist im Grunde genommen der größte Wasserverbraucher weltweit, also der größte Nutzer von Wasser, und wenn kein Wasser da ist, ist es mit der Landwirtschaft schwierig. Die Landwirtschaft macht dann Folgendes: Sie versucht zu bewässern, versucht also entweder aus dem Boden oder aus den Gewässern das Wasser zu entnehmen, um damit Nahrungsmittel zu produzieren, und da sind wir am Kernproblem.
Die Landwirtschaft ist der größte Wasserverschwender auf dem Planeten, weil sie nämlich mit der Wassermenge, die sie zur Verfügung hat, in der Regel nicht genügend Nahrungsmittel produziert. Man könnte mit dem gleichen Niederschlag auf der gleichen Fläche zum Beispiel im Sahel, aber auch im südlichen Afrika und in Teilen der Wüste Gobi, sehr viel mehr Nahrungsmittel produzieren, wenn man das Wasser besser nutzen würde.
Ausgetrockneter, rissiger Boden, im Hintergrund Berge.
Der Klimawandel begünstigt die Austrocknung von Böden - damit drohen Konflikte um Wasser.© imago/ITAR TASS/Roman Balandin
Welty: Und wie sieht das dann aus?
Mauser: Das sieht zum Beispiel so aus, dass die sogenannten Subsistenzlandwirte, also die Landwirte im südlichen Afrika, die so arm sind, dass sie ihre landwirtschaftlichen Produkte selbst nutzen müssen und gar nicht verkaufen können, keine Düngemittel benutzen können und deswegen nur sehr wenig Ernte haben, sehr wenig Pflanzen pro Hektar haben, und deswegen sehr viel Wasser verdunstet, ohne dass die Pflanzen dabei in ihrem Wachstum unterstützt werden.
Das ist also eigentlich verlustiges Wasser. Wenn es geregnet hat, verdunstet es vom Boden weg und geht nicht durch die Pflanze, und deswegen produzieren die auch nur eine Tonne Mais pro Hektar, und bei uns sind es acht Tonnen Mais pro Hektar. Es gibt genügend Niederschlag in diesen Regionen, und deswegen muss man verstärkt diese Landwirte dort aus ihrer Armut holen und ihnen dabei helfen, die Landwirtschaft effizienter mit Wasser umgehen zu lassen.

Der Klimawandel verändert den Wasserkreislauf

Welty: Experten und Expertinnen warnen immer wieder vor immer mehr Kämpfen ums Wasser. Ist Wasser das blaue Gold oder das neue Öl?
Mauser: Wasser ist nicht das neue Öl und Wasser ist aus meiner Sicht auch nicht das blaue Gold, es gibt ja alle zehn Jahre ein neues Gold, das man dann erfindet, das jetzt wertvoll werden könnte. Warum ist Wasser nicht das neue Öl? Weil Wasser eine erneuerbare Ressource ist. Öl kann ich verbrennen, und dann ist es weg. Wasser ist in einem Kreislauf und kommt eigentlich immer wieder zurück, und wir müssen auf diesen Kreislauf aufpassen, dieser Kreislauf wird sich verändern.
Er wird durch den Klimawandel verändert, dieser Kreislauf wird durch die Bevölkerungsentwicklung und die Nachfrage nach Wasser von immer mehr Menschen verändert, und wir verändern diesen Kreislauf, indem wir das Wasser nutzen. Deswegen entstehen Konflikte um Wasser in verschiedenen Regionen, zum Beispiel im Nahen Osten, und die führen dazu, dass es einen bestimmten Wunsch gibt in manchen Kulturen, das mit Gewalt zu lösen.
Gewalt ist die schlechteste Variante der Lösung, weil sie nämlich alle benachteiligt und vor allen Dingen die Menschen, die nicht an der Macht sind, benachteiligt. Und damit zu großem Druck führt für diese Menschen, die Gegenden zu verlassen, woanders hinzugehen, wo es mehr Wasser gibt. Und dann zu dem uns allen bekannten Migrationsdruck führt. Die Menschen gehen ja nicht freiwillig dort weg, wo sie geboren und aufgewachsen sind.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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