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Was wird aus der "Robin-Hood-Steuer"?

Wechselkurse von Dollar, Euro und britischem Pfund vor dem "Brexit"-Referendum am 23.6.2016 auf einer Anzeigetafel im australischen Sydney
Die Steuer soll unter anderem davor abschrecken, mit verschiedenen Währungen zu spekulieren. © picture alliance / dpa / AAP/ Dan Himbrechts
Von Hendrik Buhrs, WDR/NDR-Studio Brüssel · 10.08.2016
Die Idee zu einer Finanztransaktionssteuer, die man zum Beispiel auf den Handel mit Währungen erhebt, gibt es schon lange. Befürworter wie das Netzwerk Attac hoffen auf hohe Einnahmen, die für soziale Zwecke verwendet werden könnten. Die jüngste Initiative zu ihrer Einführung wurde gerade wieder vertagt.
Steuern sind unsexy, und wer eine neue Steuer einführen will, muss sich schon was einfallen lassen, um überhaupt Gehör zu finden. Zum Beispiel einen griffigen Namen. "Finanztransaktionssteuer" ist nicht so empfehlenswert, "Robin-Hood-Steuer" klingt da schon viel besser.
Und ein bekanntes Gesicht kann nicht schaden, wie das von Bill Nighy. Der englische Schauspieler stellt in einem Kampagnenvideo der Robin Hood Tax diese "süße kleine Idee", wie er sagt, vor. Wobei er anfangs skeptisch ist, ob das klappen kann – zu kompliziert. Was aber beim näheren Hinsehen zwar für die Einführung, aber noch nicht für das Prinzip gilt.

Urvater war ein amerikanischer Ökonom

Als der Urvater gilt der amerikanische Ökonom James Tobin, deshalb gibt es auch die Bezeichnung Tobin-Steuer. Er schlug vor über 40 Jahren vor, ein bisschen Sand ins Getriebe der grenzüberschreitenden Finanztransaktionen zu streuen. Ursprünglich hatte er an den Währungsumtausch gedacht. Wenn man für amerikanische Dollar, Yen, Franken oder Euro kauft, dann macht man das nicht unbedingt, weil man das Geld in der anderen Währung ausgeben möchte, um Güterhandel zu treiben, sondern immer häufiger zu spekulativen Zwecken, weil es extra Rendite einbringen kann. Um Spekulanten abzuschrecken, würde eine kleine Steuer reichen. Schauspieler und Steuerfreund Bill Nighy zieht bei der Rechnung sein typisches süß-saures Gesicht.
"25 Prozent?", wird er gefragt. "Ach nein, so viel nicht." – "Zehn Prozent?" So viel soll die Steuer nicht auf jeden Deal hinzuschlagen, nein, nein. Am Ende stellt sich heraus: 0,05 Prozent vom Umsatz könnten es sein. Klingt nicht nach viel? "Nein, eher nicht."

Finanzlobby ist gegen die Steuer

Bei enorm großen Ausgangssummen werden aber auch Mini-Anteile zu viel Geld. Seit James Tobins Erstaufschlag wurde die Idee zu einer allgemeinen Finanztransaktionssteuer weiterentwickelt, nicht nur auf Währungen, sondern auch auf Aktien und komplexere Finanzprodukte wie Zertifikate. Die Befürworter frohlocken in der Hoffnung auf neue Milliarden-Einnahmen, die in soziale Zwecke gesteckt werden könnten, so schwebt es etwa der Initiative Attac vor. Die Gegner fürchten, dass der Handel übermäßig behindert werden, und Finanzplätze wie London oder New York leiden könnten. Und die Gegner haben bis heute die Oberhand behalten, sagt Fabio de Masi, der für die Linkspartei im Europaparlament sitzt.
"Ich glaube, dass die wesentlichen Lehren aus der Finanzkrise nicht gezogen wurden", meint de Masi. "Und die Finanzlobby ist Sturm gelaufen. Die großen Banken - Goldman Sachs, Deutsche Bank – haben die Abgeordneten, die nationalen Regierungen bombardiert, mit, häufig auch falschen, Argumenten gegen diese Steuer. Je länger die Erinnerung auch in der Öffentlichkeit an diese Finanzkrise weg ist und verblasst, desto geringer ist die Chance, eine solche Steuer gegen diese mächtige Finanzlobby durchzusetzen."
Die jüngste konkrete Initiative Richtung Transaktionssteuer haben zehn EU-Staaten um Frankreich und Deutschland immer wieder vertagt. Immer gab es irgendwo einen Bedenkenträger, aber bis heute kein Ergebnis. Zuletzt überraschte Finanzminister Wolfgang Schäuble auf dem G-20-Gipfel der größten Industrie- und Schwellenländer mit dem Vorschlag, es stattdessen demnächst auf weltweiter Ebene zu versuchen. Was im kleinen europäischen Kreis nicht gelang, soll mit noch mehr Verhandlungspartnern klappen?
Europapolitiker Fabio de Masi ist skeptisch: "Ich vermute, die Chancen sind geringer. Vielleicht hat Herr Schäuble aber auch im Kopf, dass er eine 'Finanztransaktionssteuer light', eine Minivariante, durchsetzen will, um sich endlich dieser leidigen Diskussion zu entledigen und zu Hause sagen zu können – ich habe meine Hausaufgaben gemacht."
Die EU-Finanzminister haben sich bis zu einem Gipfel im September eine letzte Chance für das Projekt gegeben. Eigentlich sollte die Aussicht auf neue Einnahmequellen attraktiv genug sein, um sich zu einigen. Aber da die Wirtschaftslage in vielen europäischen Ländern wackelig ist, ist auch die Skepsis groß, ein Experiment mit nicht genau absehbaren Auswirkungen auszuprobieren. Und so bleibt die Robin-Hood- oder Tobin-Steuer vorerst, was sie seit 44 Jahren ist: eine große Idee.
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