"Weltparlament" in der Schaubühne Berlin

"Da wird ein medialer Mechanismus bedient"

Die Berliner Schaubühne am Lehniner Platz wurde von Jürgen Sawade von 1975 bis 1981 umgestaltet.
Die Berliner Schaubühne am Lehniner Platz wurde von Jürgen Sawade von 1975 bis 1981 umgestaltet. © dpa / picture alliance / Hubert Link
Christian Demand im Gespräch mit Marcus Pindur · 03.11.2017
Politikerbashing als Kunstaktion? Milo Raus Projekt "Weltparlament" in der Berliner Schaubühne könnte eine "sehr selbstgerechte Veranstaltung" werden, befürchtet der Kulturphilosoph Christian Demand. Dennoch plädiert er dafür hinzugehen.
Am Wochenende tagt in der Berliner Schaubühne das "Weltparlament". Zusammengesetzt ist es aus Politikern, Künstlern, Wissenschaftlern und Menschenrechtsaktivisten. Einberufen hat es der Schweizer Theatermacher Milo Rau, der damit auf die Notwendigkeit veränderter Mitsprachemöglichkeiten in einer globalisierten Welt aufmerksam machen will. Denn durch Entscheidungen nationaler Parlamente wie dem Bundestag werde auch beispielsweise das Leben afrikanischer Minenarbeiter direkt berührt. Am kommenden Dienstag, dem 100. Jahrestag der russischen Revolution, lädt das Weltparlament dann zum Sturm auf den Bundestag, um dort eine "Charta für das 21. Jahrhundert" zu übergeben.
Christian Demand
Christian Demand, Publizist, Kunsthistoriker und Kulturphilosoph, zu Gast beim Deutschlandfunk Kultur© Deutschlandradio / Jana Demnitz

"Selbst wenn da viel Käse dabei ist - machen!"

Der Kulturphilosoph Christian Demand befürchtet zwar, dass es sich dabei um eine "sehr selbstgerechte Veranstaltung" handelt, die möglicherweise in ihrem Anspruch "komplett überzogen" sei. Dennoch plädierte er im Deutschlandfunk Kultur dafür, sich das Ganze doch einfach anzuschauen. Es gebe viele Ebenen, auf denen Theater gleichzeitig ge- und missfallen könne.

Hören Sie hier die gesamte Sendung mit Christian Demand: Audio Player

"Also, das ist eine so komplexe und große Veranstaltung, dass so viele Dinge dabei schlecht und gut zugleich sein können und damit vielleicht auch ganz interessant, dass ich sagen würde: Selbst wenn da viel Käse dabei ist – machen, machen, machen!"

Sturm auf den Bundestag am 100. Jahrestag der Russischen Revolution?

Ob es "besonders klug" sei, dass das Weltparlament ausgerechnet am 100. Jahrestag der russischen Revolution zum Sturm auf den Bundestag blase, sei eine andere Frage, meint Demand. "Aber da wird natürlich auch ein medialer Mechanismus bedient. Weil wir nun mal ein hundertjähriges Jubiläum haben, ist die Bereitschaft, sich um dieses Ereignis zu kümmern, natürlich besonders groß. Und da hängt man sich natürlich genau an das an."

Der Schweizer Theatermacher Milo Rau hat sich in unserem Frühprogramm zu seinem "Weltparlament" geäußert. Das Interview können Sie hier nachhören: Audio Player

Letztlich sei das Weltparlament aber eine "Kunstaktion", und da gebe es eine "ästhetische Grenze", betont der Herausgeber der Zeitschrift "Merkur": "Und auch wenn unter dem Paradigma des postdramatischen Theaters genau diese Grenzverschiebung immer wieder thematisiert wird und immer wieder zum Ausgangspunkt neuer Konstellationen wird, werden die Beschlüsse des Weltparlaments nicht sonderlich bindend sein, sondern das wird eine Kunstaktion bleiben."
(uko)

Milo Raus "Weltparlament" tagt vom 3. - 5. 11. in der Berliner Schaubühne. Die Sitzungen werden außerdem unter www.general-assembly.net als Livestream übertragen.

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