Weltflüchtlingstag

Und jetzt kommt das Einleben

Flüchtlinge mit christlichen Glauben in Berlin
Flüchtlinge aus Afghanistan und dem Iran sprechen im Juni in einer Unterkunft in Berlin mit Politikern und Mitarbeitern. © picture alliance/dpa/Foto: Gregor Fischer
Von Claudia von Laak, Michael Watzke und Moritz Küpper · 20.06.2016
Vor wenigen Monaten war das Lageso in Berlin noch Symbol für Missmanagement bei der Erstversorgung von Flüchtlinge. Die Zahl der betroffenen Menschen aus Krisengebieten ist stark zurückgegangen und die Situation hat sich entspannt, so auch in Bayern und NRW.

Berlin – Claudia von Laak berichtet

Etwa 25 bis 30 Flüchtlinge kommen momentan täglich nach Berlin – das ist wenig im Vergleich zum Herbst und Winter letzten Jahres. Und das bedeutet: das Lageso – Symbol für Missmanagement bei der Erstversorgung von Flüchtlingen – ist entlastet, lange Schlangen, tage- und nächtelanges Warten in Hitze, Staub, Regen und Schnee, all das gehört der Vergangenheit an. Die Probleme haben sich verlagert. In Berlin fehlen Plätze an Schulen und in Deutschkursen – und – das ist dringend – es fehlt an Wohnraum. Der Senat hat angekündigt, die noch belegten Turnhallen so schnell wie möglich leerzuziehen – ein Wahlversprechen von SPD und CDU.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat viele neue Mitarbeiter eingestellt und arbeitet schneller als früher, der Berg ausstehender Asylentscheidungen wird zügig abgearbeitet. Und das bedeutet: in den Not- und Gemeinschaftsunterkünften des Landes Berlin wohnen immer mehr Flüchtlinge, die hier eigentlich nicht mehr hingehören. Denn: Anerkannte Asylbewerber fallen in die Zuständigkeit der Bezirke, die diese Menschen mit Wohnraum versorgen müssen, aber nur bedingt können. Deshalb hat Berlin jetzt damit begonnen, Containerbauten zu errichten. Der schöne Begriff dafür: Tempo-Homes. Man könnte auch sagen: der DDR-Plattenbau ist zurück.

Bayern – Michael Watzke berichtet

Eine Flüchtlings-Unterkunft im Münchner Westen – die 200 Heimbewohner sind im Ramadan-Fasten, die Leiterin der Einrichtung hat sich darauf vorbereitet. Die Unterkunft ist gut belegt, aber nicht überfüllt. So sieht es fast überall in Bayern aus. Es gibt Extremfälle wie Poschetsried in Niederbayern, wo auf 40 Einwohner 120 Flüchtlinge kommen sollen – was zu Protesten führt. Und andere Kommunen, in denen Unterkünfte leer stehen, weil weniger Flüchtlinge ankommen als erwartet.
Insgesamt habe man die Lage gut im Griff, heißt es im Bayerischen Sozialministerium. Allerdings ächzen die bayerischen Kommunen unter der finanziellen Last. Denn der Freistaat muss nicht nur die Ankunft der Flüchtlinge über die Balkanroute organisieren, er muss auch mehr UMFs aufnehmen als der Rest Deutschlands. UMFs sind unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die dort betreut werden, wo sie ankommen – meist in Bayern. 40.000 Euro und mehr kostet die Betreuung eines UMF pro Jahr. Um die Kommunen von diesen immensen Kosten zu entlasten, hat der Freistaat Bayern im Nachtragshaushalt 2016 zusätzlich 630 Millionen Euro vorgesehen.
An Geld mangelt es im Freistaat weniger als in anderen Bundesländern. Trotzdem sind viele Flüchtlingshelfer nicht zufrieden – denn die bayerische Asylpolitik sieht vor allem Massenunterkünfte für die Flüchtlinge vor – statt dezentraler Unterbringung. Dadurch sei die Integration schwieriger, findet Hossein Hosseini, Asylbewerber aus Afghanistan. Allerdings ist die Wohnungs-Situation in vielen bayerischen Städten äußerst angespannt. In München ist die Zahl der Fehlbeleger so groß wie nirgendwo sonst. Das heißt: anerkannte Asylbewerber leben noch immer in Erstaufnahme-Einrichtungen, obwohl sie eigentlich schon in eine eigene Wohnung ziehen müssten. Aber sie finden keine. Die bayerische Landeshauptstadt kommt mit dem Wohnungsbau einfach nicht hinterher.

Nordrhein-Westfalen – Moritz Küpper berichtet

Künftig führen die Wege aller Flüchtlinge, die nach Nordrhein-Westfalen kommen, nach Bochum: In der Ruhrgebietsstadt soll ab Spätsommer die zentrale Aufnahmeeinrichtung entstehen, sollen alle Flüchtlinge, die nach für NRW kommen, zentral registriert werden. Geordnete Bahnen schaffen, das ist das Ziel, in dem Bundesland, dass im abgelaufene Jahr die meisten Flüchtlinge in Deutschland aufgenommen hat: 330.000 geflohene Menschen waren es in im Jahr 2015. Mit einer deutlich geringeren Zahl rechnet NRW-Innenminister Ralf Jäger, SPD, allerdings im laufenden Jahr: Vergangene Woche präsentierte er die aktuellen Zahlen, wonach im Mai nur noch rund 5000 Flüchtlinge nach NRW kamen, Anfang des Jahres waren es noch rund 20.000 pro Monat.
Bleibt es dabei, werden es im Jahr 2016 maximal 80.000 Flüchtlinge in NRW sein. Die Konsequenz: Jäger kündigte an, Notunterkünfte für Asylbewerber zu schließen. Ein Trend, der sich im ganzen Land zeigt. In Köln können Turnhallen wieder freigegeben werden, in Bielefeld werden Notunterkünfte geräumt, Flüchtlingshelfer entlassen, das Mobiliar, Betten, Schränke und auch Waschmaschinen werden in großen Hallen eingelagert. Und auch bei der Landesregierung wechselt man vom Krisen- in den Normalmodus. Der Plan: Die insgesamt knapp 70.000 Plätze in Flüchtlingsunterkünften sollen reduziert werden, künftig will man 50.000 Plätze haben. 35.000 davon sollen aktiv und 10.000 auf Abruf genutzt werden, so Innenminister Jäger, die übrigen 5000 Plätze sollen als – Zitat – "stille Reserve" dienen. Begründung: Die Lage könne sich schnell ändern, so der Innenminister, das sei ein Blick in die Glaskugel.
Mehr zum Thema