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Zehn Jahre Föderalismusreform
"Wir haben sehr dafür gekämpft"

Die Föderalismusreform und die damit verbundene Neuordnung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern im Bildungsbereich "war eine sehr gute Entscheidung", sagte Bundesbildungsministerin Johanna Wanka im DLF. Profitiert hätten vor allem Lehre und der Forschung sowie die Grundfinanzierung der Hochschulen. Dass für den Schulbereich weiter das Kooperationsverbot gelte, halte sie aber für richtig, unterstrich Wanka.

Johanna Wanka im Gespräch mit Jörg Biesler | 01.09.2016
    Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) am 29.01.2016 in Berlin bei der Pressekonferenz zur Evaluation "Wie geht es weiter mit der Exzellenz-Initiative für Wissenschaft und Forschung?"
    Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (picture alliance / dpa / Britta Pedersen)
    Jörg Biesler: Am 1. September 2006 trat die Föderalismusreform in Kraft, in der sich Bund und Länder auf eine grundlegende Neuordnung ihrer jeweiligen Zuständigkeiten geeinigt hatten. Bildung war fortan Ländersache, der Bund durfte nur projektbezogen fördern. 2014 dann wurde die Regelung, jedenfalls was die Hochschulen betrifft, zurückgenommen und die Möglichkeiten des Bundes erweitert. Jetzt fordern viele, dass auch in Sachen Schule der Bund mehr Kompetenzen bekommt.
    Die Schule ist allein Ländersache, auch wenn es viele Stimmen gibt, die fordern, dass der Bund sich dort stärker engagiert. Jeder, der mal ein Schulgebäude von innen gesehen hat, weiß, warum. Warum der Bund das trotzdem nicht tut, habe ich kurz vor der Sendung Bundesbildungsministerin Johanna Wanka gefragt. Zuerst aber, ob die Aufhebung des Kooperationsverbots in der Hochschulfinanzierung 2014 eine gute Entscheidung war und was sich seitdem geändert hat.
    Johanna Wanka: Ja, das war eine sehr gute Entscheidung und wir haben – also gerade auch ich – sehr dafür gekämpft. Geändert hat sich, dass wir jetzt, der Bund und die Länder, die ja zusammenarbeiten können im Bereich der Lehre und der Forschung seit 2006 insbesondere –, dass wir jetzt auch unbefristet institutionell zusammenarbeiten können. Dass es also nicht nur darum geht, dass der Bund in der Lage ist, für temporäre Projekte Geld zu geben, sondern dass wir jetzt auch institutionell Zusammenarbeit und dann eben auch für lange Zeiträume unbefristet vereinbaren können. Und das ist eine Strukturveränderung, deren Wirkung sich in den nächsten Jahren ganz deutlich zeigen wird.
    Biesler: Ja, auch zeigen muss wahrscheinlich.
    Wanka: Ja.
    Biesler: Also, im Augenblick sind die Pakte und die Zusammenarbeiten noch häufig zeitlich begrenzt, Exzellenzförderung gibt’s durch den Bund, die BAföG-Kosten trägt der Bund komplett mittlerweile, er finanziert mit einer Milliarde tausend Stellen für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Gleichwohl arbeiten ja aber – das wissen Sie – viele Hochschulen, was Ausstattung und Personal angeht, an der Grenze. In Sachen Grundfinanzierung der Hochschulen musste auch was passieren und da geht es noch mal um ganz andere Summen, Experten gehen so von vier Milliarden vielleicht jährlich aus.
    Wanka: Die Grundfinanzierung der Hochschulen, da bin ich ganz Ihrer Meinung, ist unterschiedlich in den Bundesländern. Man kann nicht alles gleich beurteilen, aber die Grundfinanzierung der Hochschulen muss gestärkt werden. Und das war auch die Intention der Kanzlerin und mir bei den Koalitionsverhandlungen und deswegen haben wir zwei wichtige Geldquellen praktisch möglich gemacht für die Grundfinanzierung der Hochschulen:
    Zum einen der Pakt für Forschung und Innovation, den sich Bund und Länder anteilig geteilt haben, den trägt der Bund jetzt für die Phase bis 2020 allein, das sind also Milliarden, die dadurch in den Ländern frei werden und eingesetzt werden können für die Hochschulen. Und BAföG war ja, in jedem Landeshaushalt stand BAföG in der mittelfristigen Finanzplanung, in den Einzelplänen, und in dem Moment, wo wir als Bund dieses insgesamt zahlen, sind die entsprechenden Summen frei und wir hatten vorgesehen und das auch im Gesetzentwurf geschrieben, dass es insbesondere in die Hochschulen fließen soll, und das sind unbefristete Gelder. Damit kann man unbefristete Arbeitsverhältnisse begründen. Das heißt, das ist also eine ganz wirksame im Milliardenbereich laufende Unterstützung. Also, das sind rund 1,2 Milliarden jährlich, die für die Bundesländer für die Grundfinanzierung der Hochschulen zur Verfügung gestellt werden.
    Biesler: Wenn die Bundesländer mitspielen und das auch dafür ausgeben. Ganz sicher ist es nicht?
    Wanka: Ja, also, das ist jetzt die Entscheidung in den Bundesländern, was man mit diesem Geld macht, und das wird unterschiedlich gehandhabt.
    Biesler: Der Bereich Schule, der ist immer noch sozusagen vom Kooperationsverbot betroffen, da sind allein die Länder zuständig. Und mit Blick auf die wirtschaftliche Leistungskraft Deutschlands muss man sagen, die Schulen sind – da gibt’s natürlich auch Ausnahmen – schlecht ausgestattet, baulich und auch was neue Techniken angeht oder mindestens Computer, dafür sind die Kommunen zuständig und die sind klamm. Ist das nicht zu wenig für unsere Wissensgesellschaft?
    Wanka: Also, dass die Schulen gut ausgestattet werden müssen, dass der Schulbereich der Ausgangsbereich ist für die Leistungsfähigkeit auch des Wissenschaftssystems, das ist so. Und deswegen ist es wichtig, dass genügend Geld in die Bildung insbesondere in den Schulbereich fließt. Aber wir haben natürlich im föderalen System Zuständigkeiten, und da ist die Zuständigkeit, die Kompetenz für die Schulen liegt bei den Bundesländern. Und die Bundesländer wollen auch nicht Kompetenzen an den Bund abgeben. Natürlich nimmt man immer gerne Geld aber der Bund wird kein Geld mehr ohne Zweckbindung geben.
    Stärke des Schulsystems auch durch föderale Zuständigkeit
    Biesler: Ja, ich frage das natürlich, weil es Stimmen gibt in Ihrem Koalitionspartner SPD, aber auch bei den Grünen, die ganz vehement eine Beteiligung des Bundes fordern an der Schulfinanzierung. Und es ist – so geht es mir jedenfalls – auch nicht ganz plausibel, dass der Bund Kitas fördern darf und Hochschulen, die Schulen dazwischen aber nicht.
    Wanka: Na ja, aber wenn Sie sich mal unser Grundgesetz anschauen und das föderale System, da ist eben ganz entscheidend, dass dort die Kompetenz der Länder liegt. Und da muss man das ganze System diskutieren, wenn man da die Kompetenzen auf den Bund verlagern würde. Ich glaube, es macht nicht großen Sinn, dass der Bund hier in Berlin sitzend zuständig ist oder in Bonn zuständig ist für Hunderttausende von Schulen, sondern ich glaube, es ist gerade eine Stärke des Schulsystems in Deutschland, dass man die Entscheidung für die Schule sehr unterschiedlich treffen kann. In Bremen mit einem hohen Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund muss man sicher Schule anders gestalten als vielleicht in Mecklenburg-Vorpommern. Und diese Möglichkeit hat man in den Bundesländern. Und dass man das von Berlin aus besser und klüger regeln könnte, also, so arrogant bin ich nicht, das glaube ich nicht.
    Biesler: Ja, wenn man es nicht regelt, aber mit finanzieren könnte man es ja. Da würden Sie dann aber nicht auf eine Aufhebung des Kooperationsverbots und auf eine direkte Zuständigkeit setzen, sondern möglicherweise darauf, dass Bund und Länder dann natürlich auch mit den Kommunen noch mal verhandeln darüber, wie das Geld im Staat eigentlich verteilt wird. Es ist ja im Augenblick so, dass der Bund das Geld hat, sagen die Experten, haben wir auch gerade im Beitrag gehört, und die Länder haben die Kompetenz. Das ist ja blöd!
    Wanka: Ja, aber dass die Länder nicht das Geld haben, da bin ich jetzt ein bisschen verblüfft, Herr Biesler. Wenn Sie sich mal anschauen die Finanzsituation, dann gibt es eine ganze Reihe von Bundesländern, die schon seit Jahren keine Schulden mehr aufnehmen müssen, die sogar schon tilgen, im Gegensatz zum Bund, der jetzt erst das erste Mal wirklich ohne zusätzliche Schulden auskommt. Das heißt, die Finanzsituation ist in einer Reihe von Bundesländern glaube ich besser als beim Bund. Aber die Frage des Länderfinanzausgleichs, was ist gerecht, was ist gerecht, wie viel brauchen die Länder, das ist ja gerade etwas, was in den Verhandlungen ist, das ist aber nicht durch mein Ministerium, durch das Bildungsministerium zu regeln, sondern das ist eine Frage der gesamtgesellschaftlichen Verteilung der Finanzen. Und darüber wird diskutiert und natürlich ist dann das Argument, wie viel Geld haben wir zur Verfügung, ein ganz starkes Argument in den Diskussionen. Aber wir vom Bildungsministerium, vom BMBF, wollen zielgerichtet Geld geben für die Wissenschaft, und nicht ohne Zweckbindung und nicht kleiner Länderfinanzausgleich durch uns, das ist nicht zu leisten.
    Biesler: Wenn wir uns aber einig sind in Sachen des Schulzustands, dass da noch einiges getan werden muss, dann verlangen Sie das auch von den Ländern, dass was passiert?
    Wanka: Ja, und ich glaube, die Länder wollen auch viel und sie haben ja auch im Bildungsgipfel mit der Kanzlerin beschlossen, dass dort entsprechende Summen in den Schulbereich hineinfließen. Und ich glaube, diese Verpflichtung, diese Selbstverpflichtung steht immer noch.
    Biesler: Wenn ich einen Strich drunter ziehe, unter unser Gespräch jetzt, was ja mit der Föderalismusreform und mit dem Kooperationsverbot zu tun hat, dann würden Sie sagen, die Regelung ist eigentlich so jetzt gut, dass der Bund bei den Hochschulen wirklich kontinuierlich dauerhaft fördern kann, und das, was an schulischer Bildung ist, bleibt bei Ländern und Kommunen, dauerhaft?
    Wanka: Ja. Und ich glaube, dass wir jetzt das Grundgesetz geändert haben für den Wissenschaftsbereich, das ist richtig. Und da geht es ja darum, Spitzenstellung von Deutschland im Wissenschaftsbereich international zu sichern, das ist in starkem Maße mit Bundesaufgabe und die wollen wir auch wahrnehmen. Aber auch die Kompetenzen im Hochschulbereich liegen natürlich bei den Ländern. Aber wir sind dort in einer engeren Zusammenarbeit. Und das halte ich für richtig.
    Biesler: Ich habe jetzt nur mal so konkret nachgefragt, weil ja die Hochschulen und die Arbeitgeber sich anhaltend beklagen, dass die Anfänger, Berufsanfänger, Studienanfänger, die von der Schule kommen, zu wenig kommen. Das ist ja ein Gesamtsystem, von der Kita bis zur Hochschule. Trotzdem bleiben Sie bei der Meinung, dass der Bund da nicht unterstützt?
    Wanka: Ja, ja. Wir haben ja auch Bildungsvergleichsstudien, das ist ja etwas, was wir Bund und Länder gemeinsam machen. Und dann zeigt sich eindeutig, dass die Leistungskraft, die Leistungsfähigkeit der Schüler also im Schnitt in den letzten Jahren gestiegen ist, wir auch bessere Ergebnisse bei PISA haben. Trotzdem ist natürlich die Frage, ob sie genau die Qualifikationen mitbringen, die sie dann in den Betrieben brauchen. Und da gibt es ja auch Klagen über jetzt Ordnung, Sauberkeit, Pünktlichkeit oder Dinge, die jetzt nicht originär mit der Leistung, sondern …
    Biesler: Eher Erziehungsfragen, ja.
    Wanka: … ja, Erziehungsfragen, Wertesystem zusammenhängen. Und ansonsten will ich ein bisschen ketzerisch sagen, dass man klagt über den Bildungsstand der Jugendlichen, das gab es schon im Altertum.
    Biesler: Sagt Bundesbildungsministerin Johanna Wanka zur Föderalismusreform, die heute vor zehn Jahren in Kraft getreten ist und Folgen hatte für die Finanzierung des Bildungssystems in Deutschland.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.